# taz.de -- Kommentar Krise in der Union: Dann geht doch! | |
> Die CSU droht mit Alleingang und Bruch mit der Schwesterpartei CDU. Dazu | |
> wird es nicht kommen, denn die Bayern haben viel zu viel zu verlieren. | |
Bild: Die CSU tut so, als sei sie zum Äußersten entschlossen (v.l.n.r.): Mark… | |
Die CSU lässt nicht ab von ihrem irren Egotrip. Sie tut weiter so, als | |
befinde sich die Kanzlerin und die Bundesregierung in bayerischer | |
Geiselhaft. Der Koalitionsausschuss, der bis in den späten Dienstagabend | |
tagte, brachte wie erwartet [1][keine Einigung im Unionsstreit] über | |
Abweisungen von Flüchtlingen an der Grenze. Kurz darauf droht | |
CSU-Landesgruppenchef Dobrindt wieder. Falls Merkel beim EU-Gipfel keine | |
europäische Lösung finde, handele Innenminister Seehofer eben auf eigene | |
Faust. | |
Die CSU tut so, als sei sie zum Äußersten entschlossen. Als sprenge sie die | |
Koalition in die Luft, wenn sie ihren Willen nicht bekommt. Aber täte sie | |
das wirklich? Nein, vermutlich nicht. Zumindest spricht sehr viel dagegen. | |
Die CSU täuscht mit ihrem Gebrüll darüber hinweg, dass sie in Wirklichkeit | |
nackt dasteht. Seehofer ist ein Pokerspieler mit einem miesen Blatt. Ein | |
Bruch mit Merkels CDU würde seiner Partei so sehr schaden, dass er | |
eigentlich nicht in Frage kommt. | |
Da wäre zunächst die starke Position der Kanzlerin, die in der Verfassung | |
festgeschrieben ist. Merkel muss weg? Es mag ja sein, dass | |
Ministerpräsident Söder zu dem Schluss gekommen ist, dass sich die | |
Landtagswahl leichter ohne die Kanzlerin gewinnen lässt. Aber die CSU, | |
selbst wenn sie wollte, kann Merkel nicht so einfach wegmobben. Wenn | |
Seehofer, Dobrindt und Söder den roten Knopf drücken, also die | |
Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag aufkündigen, bleibt Merkel | |
im Amt. Warum sollte sie eigentlich die Vertrauensfrage stellen und | |
abtreten? | |
Ihre Optionen wären gar nicht so schlecht: Die Grünen würden liebend gern | |
einspringen, auch wenn sie sich offiziell zieren, um den Preis | |
hochzutreiben. Ein Kenia-Bündnis aus CDU, SPD und Grünen hätte eine innere | |
Logik. Schließlich fänden sich drei PartnerInnen mit einer proeuropäische | |
Linie – gegen eine eher EU-skeptische Opposition aus CSU, FDP, AfD und | |
Linken. Die neue Koalition hätte also eine schlüssige Erzählung und den | |
Charme, dass die Klimapolitik durch die Grünen endlich wiederbelebt würde. | |
Merkel könnte auch eine Minderheitsregierung anführen – und sich wechselnde | |
Mehrheiten suchen. Ein solches Experiment würde auf die Demokratie sogar | |
belebend wirken. | |
Angesichts dessen könnte man der CSU also eigentlich zurufen: Dann geht | |
doch! Euch wird in Berlin keiner vermissen. Aber, wie gesagt, dazu wird es | |
nicht kommen. Denn auch in Bayern würde sich die Eskalation für Seehofers | |
Truppe nicht auszahlen. Konservative Wähler lieben Stabilität, das Chaos | |
lieben sie nicht. Umfragen zeigen, wie ihre Unterstützung für den | |
egomanischen CSU-Kurs bröckelt – und wie viele zu Merkel halten. Einen | |
Sturz der eigenen Regierungschefin würden viele bürgerliche WählerInnen der | |
CSU nicht verzeihen. | |
Ein Bruch zwischen CDU und CSU markierte zudem das Ende der letzten großen | |
Volkspartei. Das konservative Lager würde zersplittern, und das wäre in der | |
Tat eine historisch bedeutende Entwicklung. Die Union hatte in der | |
bundesdeutschen Geschichte das Dauerabo fürs Kanzleramt – die wenigen | |
SPD-Ausnahmen sind bekannt. Damit wäre Schluss. Am Niedergang der | |
Sozialdemokraten, die den Aufstieg von Grünen und Linken verkraften musste, | |
lässt sich studieren, wie hilflos Fragmentierung machen kann. | |
All das wissen natürlich auch Seehofer und Dobrindt. Sie sind trotz ihres | |
Gebrülls kühl kalkulierende Machtpolitiker. Deshalb sei die Prognose | |
gewagt, dass die CSU auch in der kommenden Woche noch Teil der | |
Bundesregierung ist. Dass das eine ziemlich schlechte Nachricht ist, ist | |
eine andere Geschichte. | |
27 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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