Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: In tiefsten Tiefen
> Trotz oder vielmehr ob des thailändischen Höhlen-Rettungskrimis ist die
> Faszination für tiefgehenden Raum ungebrochen. Höfo vor!
Der Mensch kommt aus einer Höhle und er will in sie zurück. Warum die
12-köpfige Fußballmannschaft samt Trainer in die thailändische
Tham-Luang-Höhle eingedrungen ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Die
Rheinische Post spricht von einer Erkundungstour nach einem Fußballspiel.
Rätselhafte Bräuche in Thailand, sollte in der Höhle ein Höhlenwandschießen
stattfinden oder wollte man dort locker auslaufen?
Genaueres weiß man nicht, jedenfalls ging die Unternehmung bekanntlich
gründlich schief, Wassereinbrüche versperrten die Höhlenausgänge. Die
jungen Kicker mussten sich tief in das Höhlenlabyrinth zurückziehen; eine
Rettungsaktion war zu Redaktionsschluss noch im Gange.
Höhlen üben nicht erst seit der Zeit der Höhlenmenschen eine magische
Anziehung auf den Menschen aus, gerne wurde dort gemalt und getöpfert,
gefeiert und geopfert. Dabei ist das alles nicht ganz ungefährlich, es
drohen eben Wassereinbrüche, Steinschlag und der gemeine Fuchsbandwurm,
warnt die Fachzeitschrift Die Höhle.
Klaustrophobisch sollten Reisende in die Unterwelt auch nicht sein. Die
Fußballer ließen jedenfalls als Erstes ihre Fahrräder im Eingangsbereich
der Höhle liegen, sie ahnten wohl schon, dass es eng werden könnte. So sind
die Durchlässe für ihre Retter an einigen Stellen so eng, das diese die
Sauerstoffflaschen vom Rücken nehmen müssen, um zu den 13 Pechvögeln zu
gelangen.
Diese Engstellen oder Schlüfe sind die neuralgischen Punkte bei
Höhlenerkundungen. Das Durchschlängeln durch die Engstellen will gelernt
sein. Unbekannte Schlüfe soll man nie mit dem Kopf vorandurchkriechen! Denn
beim Festklemmen des Körpers ist schnelle Hilfe nicht möglich, warnt ein
Schachtwacht-Experte.
Und gilt die alte Faustregel „Wo der Kopf durchkommt, geht auch der Körper
durch“? Die Regel stimmt, aber nur für Marder, Waschbären, Ratten und
natürlich Oktopoden, die kein lästiges Skelett mit sich herumtragen. Der
Steinmarder hat zwar eins, soll sich aber laut zuverlässigen Aussagen von
Marderbeauftragten durch Löcher von fünf Zentimeter Durchmesser quetschen.
Davon ist der Höhlenmensch weit entfernt: Menschen mit
Überbeweglichkeitssyndrom können sich immerhin wie die Schlangenfrau Zlata
in eine kleine Kiste von 50 Quadratzentimetern Seitenlänge zusammenfalten
oder sich wie „Rubberboy“ Daniel Smith durch einen Tennisschläger ohne
Bespannung durchwinden. Beide wären ideal für ein Höhlenrettungskommando.
Wie man wirkungsvoll seine Klaustrophobie bekämpft, bewies Schlangenfrau
Kirsty Nicholson. Um die lästige Angst loszuwerden, wurde sie von ihrer
einfühlsamen Mutter in kleine Kisten gesteckt, bis sie sich an die
klaustrophobische Enge darin gewöhnt hatte und beschloss, sich als
Profi-Schlangenfrau durchzuschlängeln.
Der moderne Höhlenmensch braucht in Höhlen moderne Hilfsmittel: Helm,
Stirnlampe und Neopren-Anzug und gegen das Durchwetzen des Hosenbodens das
sogenannte Arschleder. Dazu die obligatorischen Schleifsäcke – Rucksäcke,
die man hinter sich herziehen kann, wenn es einmal eng wird. Wird es mal
besonders eng, dann hat jeder Höfo (so nennen sich die Höhlenforscher gerne
selbst) sein eigenes Patentrezept. Murmeltierfett soll ein Geheimtipp zum
Durchflutschen sein.
Höhlenklettern ist „Bergsteigen in umgekehrter Richtung“ schrieb die
Jugendzeitschrift Gib acht ganz richtig. So ein Abstieg kann dann ganz
schön tief gehen: Der Weltrekord liegt derzeit bei 2.197 Meter Tiefe, den
der ukrainische Taucher Gennadi Samokhin in der Krubera-Höhle in einem
27-tägigen Abstieg in Abchasien aufstellte. Wer hat je von ihm gehört: die
Höhenweltrekordler Edward Hillary und Tensing kennt dagegen jeder!
Das Hauptproblem beim Höhlenerforschen ist wie beim Bergsteigen das
Zurückkommen. Dafür gibt es seit alters her Hilfsmittel wie das
obligatorische Wollknäuel (Theseus) oder Brotkrumen (die
Hänsel-und-Gretel-Methode) – beliebt bei allen Schachtratten. Früher waren
Kerzen unerlässlich, die konnte man sogar notfalls aufessen. Das tat der
schurkische Indianer-Joe in Mark Twains „Tom Sawyer“, genutzt hat es ihm
nichts.
Nach Mark Twain wurde sogar eine Höhle mit hohem Gruselfaktor benannt. In
dieser hatte der „am Rande des Wahnsinns wandelnde berühmte Chirurg
McDowell“ versucht, den Körper seiner 14-jährigen Tochter in einem mit
Alkohol gefülltem Kupferzylinder zu mumifizieren. Das lockte seinerzeit
„Horden von Touristen“ in die Höhle, die mit dem toten Körper „derben
Schabernack trieben“. Die Zitate stammen übrigens aus Das Höhlenblog.
Die nach dem wahnsinnigen Chirurgen genannte McDowell-Höhle zog dann auch
den jungen Mark Twain an, der sich dort nicht ungeschickt in Begleitung
einer Dame verirrte. „Unsere Kerzen brannten fast vollständig herunter,
bevor wir das Licht eines Suchtrupps erspähten.“ Berichtet Twain, dem die
Lebenskerze dann doch nicht von Gevatter Tod ausgepustet wurde.
Indianer-Joe sollte beim Autor nicht so glimpflich davonkommen. Die
Mark-Twain-Höhle liegt in Hannibal, Missouri und ist heute elektrifiziert
und verirrungssicher touristifiziert. Wem die Reise dorthin zu weit ist,
der begibt sich zur Karl-May-Höhle in Sachsen. Dort versteckte sich Karl
May nach zahlreichen Betrügereien vor den Behörden. Ganz wie Indianer-Joe.
Wer aber hierzulande im Urlaub das Riesenhöhlending erleben will, sollte
die Riesendinghöhle in den Berchtesgadener Alpen aufsuchen, die 1.148 Meter
tief und 20,3 Kilometer lang ist. Das reicht für einen längeren Urlaub. Die
Fahrräder aber unbedingt abstellen und besser abschließen. Sie könnten
etwas länger dort stehen bleiben. Denn Wassereinbrüche und Steinschlag sind
bekanntlich immer möglich!
9 Jul 2018
## AUTOREN
Kriki
## TAGS
Höhle
Wissenschaft
Forschung
EU
Bergbau
Essen
Thailand
künstliche Intelligenz
Stephen Hawking
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Tätowier mir! Oder ich stech dir!
Der neueste Trend der Schlichtbilder bei Tattoos schließt den Kreis zu den
Anfängen der Körpermalerei.
Die Wahrheit: Scheitern auf Leitern
Die Kunst des Auf- und Absteigens in den Berg ist ein fast vergessenes
Kapitel des Bergbaus. Es ist die Fähigkeit des Sichabseilens ohne Seile.
Die Wahrheit: Maden muss man mögen
Das Essen der Zukunft: lecker Happahappa mit Kriech- und Krabbelfaktor
nicht nur für unsere Jüngsten, nein, auch für Erwachsene!
Rettungsaktion in Thailand: Alle eingeschlossenen Jungen befreit
In Thailand haben Taucher die letzten in der Höhle eingeschlossenen
Jugendlichen und ihren Trainer befreit. Das teilten die Rettungskräfte mit.
Die Wahrheit: Der selige Schlaf der Vernunft
Wir sind des Treibens müde, so müde. Ein erschöpfter Bericht zur Lage des
unaufhörlichen Betriebs rund um den Fußball.
Die Wahrheit: Faule Roboter in Raucherecken
KI – jetzt oder nie? Die künstliche Intelligenz wird schon bald sämtliche
menschlichen Schwächen übernehmen.
Die Wahrheit: Netz aus Spülwasser
Stephen Hawking verschwand im kosmischen Strudel dunkler Mächte. Er wusste
zu viel, und das sollte ihm letztlich zum Verhängnis werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.