# taz.de -- Kolumne German Angst: Rhetorischer Schießbefehl | |
> Im bundesdeutschen Diskurs sind die Waffen für den Bürgerkrieg | |
> bereitgelegt – insbesondere die der Entmenschlichung von Geflüchteten. | |
Bild: Die Mitte ruft, die Nazis sind schon da: beschlagnahmte Waffen und Propag… | |
„Asyltourismus“, „Abschiebeindustrie“, „Menschenfracht“ – im | |
atemberaubendem Tempo schreitet die rhetorische sowie die Entmenschlichung | |
in Taten voran. 63 Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht. Eine | |
Lösung für die Migrationskrise gibt es nicht. Fakt ist, dass kaum ein Staat | |
mehr Menschen in Not aufnehmen will, nicht die EU-Staaten und auch die | |
afrikanischen Staaten wollen die Zurückgeschickten nicht mehr – koste es | |
auch ihr Leben. | |
Wie kommt man aus diesem Dilemma heraus, Menschen nicht mehr wie Menschen | |
zu behandeln? Es hat sich gezeigt, wie schnell das geht: aus Menschen mit | |
universellen Rechten wurden Kriminelle, deren Rechte beschnitten wurden und | |
schließlich eine namenlose Armee, die auf das eigene Territorium eindringt | |
und mit allen Mitteln ferngehalten gehört – egal wie, ersoffen im | |
Mittelmeer, elendig gestorben in Kriegs-, wirtschaftlichen und ökologischen | |
Katastrophen-Regionen oder aber im Niemandsland der Transitrouten, irgendwo | |
an den Rändern unserer Welt. | |
[1][„Bis zur letzten Patrone“], rief Horst Seehofer 2011, werde man sich | |
„gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme wehren“. Damals hagelte es | |
noch Anzeigen. Heute schreckt das niemanden mehr. Seehofer ist | |
Innenminister. Die Rhetorik von menschenverachtender und aufwieglerischer | |
Hetze bis zum Bruch internationalen Rechts: längst normal. Nur über die | |
Mittel der Durchsetzung gibt es noch etwas Streit: Grenze dicht? | |
Schießbefehl? – Man muss nicht nach Ungarn, nach Italien oder Österreich | |
schauen, um zu verstehen wie nah wir dem sind. Die einstudierte Rhetorik | |
trifft in dieser Regierung auf die Realität, denn wie sollen Grenzen | |
undurchdringlich werden, wenn nicht durch Gewalt? | |
## Rainer Wendt für Gauland | |
Jahrelang schon wird in Deutschland von einem Bürgerkrieg phantasiert, von | |
einer Invasion, davon, dass die Deutschen sich wehren müssten, vom | |
bewaffneten Kampf gegen Einwanderung – zunächst von der rechten Flanke, | |
dann von der Mitte der Gesellschaft und schließlich von Amtsträgern. Rainer | |
Wendt etwa, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, schnitzt | |
fleißig an dem Eindruck eines Bürgerkriegs, gegen den der Rechtsstaat | |
machtlos sei. „Was wird aus unserem Land, wenn geduldet wird, dass Menschen | |
einreisen, (…) schreckliche Verbrechen begehen und trotzdem frei | |
herumlaufen, offensichtlich jederzeit bereit, erneut zuzuschlagen?“ | |
Übersetzt von Alexander Gauland: „Ein Staat, ein Volk muss sich auch selbst | |
behaupten. Wenn man das aufgibt, gibt man den Staat auf. Wir landen im | |
Bürgerkrieg, wenn wir nicht aufpassen.“ | |
Ganz nebenbei wird so den Flüchtlingen einmal mehr der Grund ihrer Flucht | |
abgesprochen. Denn Krieg, den haben wir eben auch in Deutschland. | |
„Asylkrieg gegen Deutschland“ oder die neue rhetorische Wunderwaffe „Krieg | |
gegen Frauen“ – gemeint ist natürlich die deutsche Frau und entsprechend | |
der Lehrliteratur des 20. Jahrhunderts: ein Krieg gegen den Nukleus des | |
deutschen Volkes. Schlimmer geht es nicht – und näher an der völkischen | |
Idee auch nicht, denn das ist der absolute Krieg, „molekular“ und | |
„innergesellschaftlich“. | |
Und im Krieg, da ist alles erlaubt. Rhetorisch sind wir bereits an diesem | |
Punkt. | |
25 Jun 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=eJFHiJbYjEY | |
## AUTOREN | |
Sonja Vogel | |
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