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# taz.de -- SPD im Unions-Asylstreit: Stillhalten bis es kracht
> Die Unionsparteien zerfetzen sich gegenseitig. Und die SPD? Sie versucht,
> den Asylstreit von sich fernzuhalten. Nur wie lange geht das noch gut?
Bild: Symbolisch: Am Montag wehte die EU- statt der SPD-Flagge auf dem Willy-Br…
Berlin taz | Während sich die Union über Abweisungen von Flüchtlingen an
den Grenzen [1][streitet], setzt die SPD auf Symbole: Am Montagmorgen wird
die europäische Fahne auf dem Willy-Brandt-Haus gehisst. Ein gelber
Sternenkreis auf blauem Grund flattert im Wind – statt des üblichen
SPD-Rots. „Es sind entscheidende Tage für Europa“, [2][schreibt
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dazu auf Twitter].
Die Sozialdemokraten betrachten den Krach zwischen CDU und CSU mit
gemischten Gefühlen. Einerseits sind sie froh, dass sich ausnahmsweise mal
der Koalitionspartner beharkt. Chaostage waren in der jüngsten Zeit sonst
eher eine Spezialität der Sozialdemokratie. Aber gleichzeitig könnte der
Streit auch die SPD in die Bredouille bringen. Wie lange können sich die
Sozialdemokraten noch heraushalten? Schließlich sitzen sie in der
Regierung, nicht am Spielfeldrand.
Wenn Spitzengenossen in diesen Tagen Interviews geben, bemühen sie sich
erkennbar, den Druck auf der Union zu lassen. „Ich erwarte von Angela
Merkel und von Horst Seehofer, dass sie sich zusammenreißen und die
würdelosen Machtspiele unterlassen“, sagte SPD-Vizechefin Malu Dreyer am
Wochenende der Funke-Mediengruppe. Beide müssten ihre „Scharfmacher“ zur
Räson bringen. Der Unionsmachtkampf schade dem Land. Die SPD, so die
Botschaft, ist die Stimme der staatstragenden Vernunft.
Doch inhaltlich hält sich die Sozialdemokratie bedeckt. Zwar lassen SPDler
anklingen, dass sie auf Merkels Seite stehen, etwa wenn Parteichefin Andrea
Nahles, sagt, dass in der Flüchtlingspolitik nur mit Europa eine
vernünftige Lösung für Deutschland gefunden werden könne. Aber auf eine
engagierte Verteidigung der Kanzlerin wartet man bisher vergeblich. „Es
bringt uns jetzt gar nichts, Merkel inhaltlich zu stützen“, heißt es in der
Fraktion. Es gehe um eine „klare Machtfrage“ in der Union. Die Kanzlerin
müsse zeigen, dass sie von ihren eigenen Leuten noch getragen werde.
Taktisch ist die Duck-and-Cover-Strategie nachvollziehbar. Aber sie hat
auch Nachteile. Die SPD wirkt erstaunlich defensiv. Sie ist stolz darauf,
ein engagiertes Europakapitel in den Koalitionsvertrag verhandelt zu haben.
Doch wenn es um die zentrale Frage geht, nationale Grenzen zu schließen,
hält sie sich heraus?
## Der Streit steht der SPD noch bevor
Die Vorsicht hat nicht nur strategische Gründe. Die SPD muss Neuwahlen
fürchten wie keine andere Partei. In Umfragen liegt sie im Moment zwischen
16 und 18 Prozent, also noch deutlich unter dem 20,5-Prozent-Desaster von
2017. Die AfD rangiert knapp dahinter. Nachdem sich die SPD in einem
schmerzhaften Ringen aufs erneute Regieren eingelassen hat, drohte ihr bei
einem Sturz Merkels eine Katastrophe.
Hinzu kommt: Die SPD hat ihre eigene Position in der Flüchtlingspolitik
noch nicht wirklich geklärt. Sie schwankt zwischen der humanitären
Position, viele Flüchtlinge aufzunehmen – und der, offensiver über
Begrenzung nachzudenken. Nahles hat als Parole einen „Realismus ohne
Ressentiments“ ausgegeben. Als sie neulich in einem Interview sagte,
Deutschland könne nicht alle Flüchtlinge aufnehmen, warf ihr der Berliner
Landesverband „rechte Rhetorik“ vor. Juso-Chef Kevin Kühnert betonte,
solche Sätze seien im Konflikt mit der AfD nicht hilfreich.
Andere Sozialdemokraten verteidigen Nahles, allen voran Ex-Parteichef
Sigmar Gabriel. Er fordert in Interviews Asylzentren in Afrika und begrüßt
Nahles „unideologischeren Zugang zu dem Thema“. Sie habe nur eine
Binsenwahrheit ausgesprochen. Er könne nur allen raten, „sich die
Lebenswirklichkeit im Land sehr aufmerksam anzuschauen“, sagte er der
Funke-Mediengruppe. Gabriel hatte seinerzeit früh darauf gedrängt, dass
neben der Versorgung von Geflüchteten auch mehr soziale Investitionen für
Einheimische geben müsse.
Der Streit, den CDU und CSU im Moment austragen, steht der SPD also noch
bevor – wenn auch in gemäßigterer Form. Allerdings könnte die SPD früher …
den Unionskonflikt gezogen werden, als ihr lieb ist. Nämlich dann, wenn
mehr Details aus Horst Seehofers sogenanntem Masterplan in der
Flüchtlingspolitik bekannt werden. Bisher sind nur wenige der 63 Punkte
öffentlich. Doch schon das Wenige, was durchsickert, birgt Sprengstoff –
auch jenseits der Idee, bestimmte Flüchtlinge an den deutschen Grenzen
abzuweisen.
## Lauern unangenehme Überraschungen in Seehofers Plan?
So will Seehofer zum Beispiel Geldzahlungen an Geflüchtete fast komplett
unterbinden. Stattdessen soll laut der Augsburger Allgemeinen auf
Sachleistungen umgestellt werden. Flüchtlinge bekämen also Kleidung,
Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs zugewiesen statt einer
Pauschale, die deutlich unter dem Hartz IV-Satz liegt. Die SPD war in der
Vergangenheit immer dagegen. Ein solches Verfahren, so das Argument, würde
den organisatorischen Aufwand in den Flüchtlingsunterkünften deutlich
erhöhen.
Dem SPD-Vizevorsitzenden und Parteilinken Ralf Stegner schwant bereits,
dass noch unangenehme Überraschungen in Seehofers Plan lauern. Die
Wahrscheinlichkeit, dass jener „weitere Schikanen“ außerhalb der im
Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen enthalte, sei extrem groß,
[3][twittert Stegner]: „Zumal wir ja blindwütigen Wettbewerb der CSU mit
der AFD zu Genüge kennen.“
Die SPD mag im Moment noch die Rolle der unbeteiligten Zuschauerin spielen
können. Doch lange wird dieser glückliche Zustand nicht dauern.
18 Jun 2018
## LINKS
[1] /Asylstreit-in-der-Union/!5513669
[2] https://twitter.com/larsklingbeil/status/1008598635041492993
[3] https://twitter.com/Ralf_Stegner/status/1008583579834740736
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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