Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Koalitionskrach spitzt sich zu: Merkel setzt auf Europa
> Sollen Geflüchtete an der Grenze abgewiesen werden? Innenminister
> Seehofer setzt auf volle Konfrontation. Kanzlerin Merkel sucht
> Rückendeckung von EU-Staaten.
Bild: Uneins in Sachen Asyl: Bundesinnenminister Horst Seehofer und Kanzlerin A…
Berlin dpa/rtr | Im Streit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU über
die Abweisung von Flüchtlingen an den Grenzen ist keine Annäherung der
Positionen in Sicht. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte zwar
in einem Interview, seine Partei wolle keine politische Krise auslösen. In
der Sache wich er aber nicht zurück.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bemüht sich derzeit um die Auseinandersetzung
mit anderen EU-Staaten. Die Bundesregierung hat jedoch einen Bericht
dementiert, wonach die Kanzlerin einen EU-Sondergipfel zur
Flüchtlingspolitik plane, der noch vor dem eigenlichen EU-Gipfel
stattfinden solle. „Es ist kein EU-Sondergipfel geplant“, sagte ein
Regierungssprecher am Sonntag. Die Einberufung eines solchen Sondergipfels
wäre ohnehin Angelegenheit der EU-Institutionen. „Selbstverständlich ist,
dass die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Gespräche mit
unterschiedlichen Mitgliedstaaten und der Kommission führt.“
Seehofer sagte der Bild am Sonntag: „Niemand in der CSU hat Interesse, die
Kanzlerin zu stürzen, die CDU/CSU-Fraktionsgemeinschaft aufzulösen oder die
Koalition zu sprengen. Wir wollen endlich eine zukunftsfähige Lösung für
die Zurückweisung von Flüchtlingen an unseren Grenzen.“ Von einer möglichen
Kompromisslösung sagte er indes nichts.
Seehofer soll sich im Asylstreit auch deutlich ablehnend gegenüber der
Zusammenarbeit mit Merkel geäußert haben. Am Donnerstagmorgen soll der
CSU-Chef der Welt am Sonntag zufolge in einer kleinen Runde aus
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und den Regierungsmitgliedern der
CSU über die Bundeskanzlerin gesagt haben: „Ich kann mit der Frau nicht
mehr arbeiten.“
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte sich zwar
zuversichtlich über eine mögliche Einigung. Dafür müsse sich aber die CSU
bewegen. „Ich bin überzeugt, dass sich die CSU funktionierenden
Vereinbarungen nicht verschließen wird“, sagte sie der Bild am Sonntag. CDU
und CSU hätten ein gemeinsames Ziel: „Dass weniger Menschen über die Grenze
nach Deutschland kommen. Wir sind uns einig, dass diejenigen, die woanders
Asyl beantragt haben, gar nicht erst ins Land gelangen sollen.“ Dies solle
aber „auf der Grundlage von Vereinbarungen mit betroffenen Ländern erreicht
werden, zum Beispiel Italien, Griechenland und Bulgarien“.
Nach Bild-Informationen laufen dafür schon konkrete Planungen. Die
CDU-Chefin wolle in den kommenden Tagen unter anderem mit Griechenland,
Italien und Österreich über Lösungen für die Flüchtlingskrise beraten,
berichtete das Blatt unter Berufung auf Regierungskreise mehrerer
EU-Staaten. Das Blatt hatte zudem davon berichtet, dass ein EU-Sondergipfel
noch vor dem geplanten regulären EU-Gipfel am 28. und 29. Juni in
Vorbereitung sei. Das dementierte nun die Bundesregierung.
Der hessische Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Chef Volker
Bouffier appellierte an die CSU, der Kanzlerin für die Suche nach einer
Lösung auf europäischer Ebene etwas Zeit zu lassen. „Der Vorschlag von
Angela Merkel ist vernünftig, und diese zwei Wochen zu nutzen, ist für
niemanden eine Zumutung“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung.
## Weiterer Eklat steht bevor
Während Merkel eine europäische Lösung anstrebt, will Seehofer im
nationalen Alleingang Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen, die schon in
einem anderen EU-Land registriert wurden. Die CSU hat der Kanzlerin quasi
eine Frist bis Montag gesetzt, um auf ihre Linie einzuschwenken. Seehofer
will sich am Montag die Zustimmung des CSU-Vorstandes für sein Vorhaben
holen. Setzt er den Plan in die Tat um, würde der CSU-Chef Merkel damit
politisch brüskieren. Ob Merkel das hinnimmt oder ihren Minister entlässt,
ist offen. Wirft Merkel Seehofer aus dem Kabinett, dürfte die Koalition am
Ende sein.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt,
dringt weiter auf schnelle Zurückweisungen an der Grenze. „Dabei können wir
nicht nur weiter auf eine europäische Lösung warten, sondern müssen wieder
bestehendes europäisches und deutsches Recht anwenden. Dazu gehören auch
Zurückweisungen an der deutschen Grenze“, sagte er der Bild am Sonntag.
Die Bürger erwarteten konkrete Handlungen in puncto Zuwanderung,
verteidigte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Seehofers
Vorgehen. Das sehe er in seiner bayerischen Heimat. Dem Land gehe es so gut
wie nie zuvor. „Trotzdem sagen die Leute: Ihr müsst die Migrationsfragen
klären – aus der Vergangenheit und für die Zukunft.“
Ein am Freitag veröffentlichtes RTL/n-tv-Trendbarometer des forsa-Instituts
hatte ergeben, dass zwei von drei Bundesbürgern die Flüchtlingsfrage nicht
für das größte Problem in Deutschland halten. Anderer Auffassung sind
mehrheitlich nur die Anhänger der CSU (51 Prozent) und AfD (83 Prozent).
Auch in Bayern betrachteten 62 Prozent andere Probleme als „genauso wichtig
oder sogar noch wichtiger“.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) äußerte die Hoffnung, dass der
Streit nicht zum Bruch der Koalition führt. „Am Ende geht es um
Verantwortung und nicht um schrille Töne“, sagte Heil dem Deutschlandfunk.
## Gabriel mischt mit
Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel forderte seine Partei
unterdessen zu einem härteren Vorgehen in Asylfragen auf. „Wir haben
400.000 Fälle bei den Verwaltungsgerichten rumliegen. Weil wir uns nicht
einfach mal trauen zu sagen: Wir schieben jetzt ab“, sagte er Bild am
Sonntag. Um die Migrationsbewegungen zu kontrollieren, forderte Gabriel
unter anderem Asyllager an der nordafrikanischen Mittelmeerküste.
Der unionsinterne Streit führte auch zu einer neuen Debatte über eine
mögliche Wiederauflage von Jamaika-Verhandlungen. Grünen-Chef Robert Habeck
und FDP-Vize Wolfgang Kubicki erteilten einer Neuauflage von Verhandlungen
mit der Union über ein Dreierbündnis eine Absage.
17 Jun 2018
## TAGS
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Flucht
Horst Seehofer
CDU/CSU
Flüchtlingspolitik
Flüchtlingspolitik
CSU
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Flüchtlinge
## ARTIKEL ZUM THEMA
SPD im Unions-Asylstreit: Stillhalten bis es kracht
Die Unionsparteien zerfetzen sich gegenseitig. Und die SPD? Sie versucht,
den Asylstreit von sich fernzuhalten. Nur wie lange geht das noch gut?
Asylstreit in der Union: Kommt es heute zum Showdown?
CDU und CSU beraten weiter über die Flüchtlingsfrage. Ein
Seehofer-Alleingang, sein Rauschmiss, Koalitionsbruch – alles scheint
möglich.
Fragen und Antworten zum Unions-Krach: Kommt jetzt die Lega Süd?
Die Lage im Schwesterstreit zwischen CDU und CSU ist verworren. Können sie
weiter zusammenarbeiten? 15 Fragen und Antworten.
Nach Bamf-Affäre in Bremen: Seehofer entlässt Behörden-Chefin
Innenminister Seehofer entlässt Bamf-Chefin Cordt. Damit reagiert er auf
eine vermeintlichen Skandal, an dem zuletzt Zweifel laut wurden.
EU-Länder im Streit um Flüchtlingspolitik: Keine Lösung in Sicht
Bereits seit 2015 versucht die EU, den Streit um die Asyl- und
Flüchtlingspolitik beizulegen. Bisher ohne Erfolg. Beim EU-Gipfel droht der
Offenbarungseid.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.