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# taz.de -- Krisenländer zu Euroreformen: Alles außer Merkel
> In Griechenland und Italien stoßen die deutschen EU-Pläne auf Ablehnung.
> Die Südeuropäer hoffen auf Macron.
Bild: Trotz Handschlag: Europapolitisch gibt es Differenzen zwischen Macron und…
Berlin/Rom/Athen taz | Es ist gar nicht so leicht, bei [1][der aktuellen
Diskussion] über die Reform der Eurozone den Überblick zu behalten. Nach
dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron haben in den vergangenen
Wochen auch die Europäische Kommission und Bundeskanzlerin Angela Merkel
ihre Ideen für eine Reform der Eurozone vorgestellt. Während Macron ein
eigener Eurohaushalt mit eigenem Finanzminister vorschwebt, will Merkel nur
einige wenige Milliarden Euro für Investitionen bereitstellen – und
durchsetzen, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) in einen
Europäischen Währungsfonds (EWF) umgebaut wird, der dann künftig die
Haushaltsdisziplin der Eurozonen-Staaten kontrollieren soll.
Doch was bedeutet das [2][für Griechenland], das seit Jahren unter der
Aufsicht der Troika aus EZB, Internationalem Währungsfonds (IWF) und
EU-Kommission kontrolliert wird – und trotz hoher Verschuldung im August an
den Kapitalmarkt zurückkehren soll? Und wie kommen die Vorschläge in
Italien an, dessen relative Staatsverschuldung nach Griechenland die
zweithöchste in der Eurozone ist? Die taz-Korrespondenten in Rom und Athen
berichten:
Griechenland ist pro Macron
„Hellas-Gallia-Symmachia“ (zu Deutsch: „Griechenland-Frankreich-Allianz�…
lautete das einprägsame Motto Athener Europapolitik in den späten
Siebzigern. Zu diesem Zeitpunkt wollte die noch junge griechische
Demokratie über einen Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft (EG)
verhandeln – und stieß zunächst auf taube Ohren.
Das Blatt wendete sich erst, als der französische Präsident Valery Giscard
d´Estaing seinem griechischen Amtskollegen Konstantin Karamanlis den Rücken
stärkte. 1981 trat Griechenland schließlich der EG bei. Im kleinen Kreis
der zwölf Mitgliedstaaten war Frankreich die bestimmende und Griechenland
immerhin eine nicht zu vernachlässigende Kraft. Doch die Zeiten haben sich
geändert: Ausgerechnet in der schwersten Finanzkrise der Nachkriegszeit
konnte ein ohnehin schwächelnder Francois Hollande den Griechen nicht mehr
wirklich helfen – sprich: die Sparpolitik lockern und ein Gegengewicht zur
Finanzpolitik deutscher Prägung bilden.
Nun ruhen alle Hoffnungen auf Emmanuel Macron und dessen
EU-Reformvorschlägen. Insbesondere Macrons Anliegen, den Euro-Raum mit
einem eigenen Haushalt und einem Euro-Finanzminister zu versehen, beflügelt
Ausgabephantasien in Athen. Zu Unrecht, glaubt Jorgos Tzogopoulos, Dozent
für internationale Beziehungen an der Universität Thrakien. Macrons
Vorschläge würden nicht bedeuten, dass Griechenland automatisch mehr Geld
ausgeben könne. Die Ideen des französischen Präsidenten befürwortet er
dennoch: „Die Reformvorschläge aus Paris sind eigentlich sehr gut für
Griechenland, da sie einen Richtungswechsel in der EU signalisieren“, sagt
Tzogopoulos.
Doch mittlerweile ist klar, dass Bundeskanzlerin Merkel sich gegen deren
Umsetzung stemmt – und vor allem deutlich macht, dass ein Euro-Haushalt
nicht der Schuldenrefinanzierung, sondern allein der Investitionsförderung
dient“ sagte Tzogopoulos der taz.
Die linksgerichtete Zeitung der Redakteure vermutet allerdings ein
deutsch-französisches Tauschgeschäft: Bundeskanzlerin Merkel wolle Macron
die europäische Verteidigungspolitik überlassen, dafür aber die
Schlüsselrolle für die Wirtschaft für sich behalten, berichtet das Blatt.
Die Zeitung Avgi, die der regierenden Linkspartei Syriza nahe steht, empört
sich: „Die Zeit ist vorbei, wo Berlin bestimmte, was zu tun ist. Keine
Regel und keine demokratische Logik gibt Deutschland das Recht zu
entscheiden, als wäre sie im Besitz von 51 Prozent der EU-Aktien‟, moniert
das Blatt.
Unklar erscheint noch der Vorschlag, einen Europäischen Wirtschaftsfonds
einzurichten, der die internationalen Geldgeber für Griechenland und
anderen Krisenländern als Aufpasser ablöst. Worauf es ankommt, ist, dass
der EWF eben nicht nur als Aufpasser agiert und Sparvorgaben überprüft,
sondern auch neue Wachstumsimpulse generiert, meint Politikwissenschaftler
Tzogopoulos.
## Italien: Alles außer Merkel
Macron oder Merkel? Das interessiert in Italien derzeit weder die neue
Regierung noch die Opposition. Schon Emmanuel Macrons große Reden über die
Zukunft der EU hatten im vergangenen Jahr so gut wie keine Reaktion im Land
ausgelöst. Und als jetzt Angela Merkel Anfang Juni ihre Reformvorstellungen
für die Eurozone auf den Tisch legte, schlug ihr aus Italiens politischen
Institutionen nur eines entgegen: Schweigen.
Pier Virgilio Dastoli, Chef der Europäischen Bewegung Italiens, wundert das
nicht weiter. „In Italien gibt es zu solchen Fragen nie eine breite
Debatte“, bilanziert er die Stille. „Es sind bloß die Experten, die
Ökonomen, die solche Fragen diskutieren“.
Noch schärfer fällt das Urteil Giorgio Melettis aus, der
Wirtschaftsredakteur bei der Tageszeitung Il fatto quotidiano ist. Nach den
Politikern des Landes und ihrer Haltung zur Reform der Eurozone befragt,
sagt er der taz „die wissen doch nicht mal, dass dieses Problem besteht.
Hier wird nur noch darüber geredet, ob Italien im Euro bleiben oder
rausgehen soll. Und viele betreiben es als ihren Hauptsport, Merkel ins
Gesicht zu rülpsen“.
Diejenigen Ökonomen und Politologen. die nicht gleich – wie eine kleine,
aber laute Minderheit – die Abwicklung des Euro befürworten, schlagen sich
auf die Seite des französischen Präsidenten. „Es wäre in unserem Interesse,
Macron zu unterstützen“, fasst Dastoli zusammen. Mehr Vergemeinschaftung,
beginnend bei den Institutionen, denen die Governance der Eurozone obliegen
soll, ist das zentrale Anliegen.
Das kann auch nicht weiter überraschen. Merkels Reformvorschläge halten an
zwei Punkten fest, die den Italienern sauer aufstoßen. Da ist zum einen die
allein durch Regeln gesteuerte Haushaltspolitik, die der deutschen
Kanzlerin vorschwebt – in feste Formen gegossen mit einem Europäischen
Währungsfonds, der auf der gleichen Basis helfen soll, auf der die Troika
Griechenland „half“: mit harten Auflagen.
Und da ist zum anderen das Prinzip, dass das letzte Wort bei den nationalen
Regierungen bleibt, dass eine echte, supranationale Wirtschaftsregierung
für die Eurozone nicht vorgesehen ist.
Macron dagegen wolle anderes, argumentiert der Politikprofessor Sergio
Fabbrini in der Tageszeitung des Industriellenverbandes Il Sole 24 ore
vergangenen Sonntag. Die Kanzlerin habe keinerlei Bewusstsein dafür, wie
die Eurokrise zu bändigen sei. Macron dagegen weise den richtigen Weg mit
seinem Plan, ein Budget der Eurozone einzurichten – dotiert mit eigenen
Steuereinnahmen. Dieses Budget soll sowohl Infrastrukturinvestitionen
finanzieren als auch auf Schocks in einzelnen Euro-Mitgliedstaaten
reagieren.
Und Angela Merkel? Während Macron in dreistelligen Milliardengrößen denkt,
redete die Kanzlerin bloß von einem „niedrigen zweistelligen
Milliardenbetrag“ für Investitionen in zukunftsträchtige Infrastrukturen.
15 Jun 2018
## LINKS
[1] /Plaene-zur-Reform-der-Europaeischen-Union/!5510214
[2] /Kommentar-Streiks-in-Griechenland/!5407677
## AUTOREN
Jörg Wimalasena
Jannis Papadimitriou
Michael Braun
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