# taz.de -- Kommentar Zinspolitik der EZB: Die Krise Europas geht weiter | |
> Eine Kehrtwende in der Geldpolitik sieht anders aus. Nur ganz langsam | |
> beendet die Europäische Zentralbank den Ausnahmezustand. | |
Bild: Nicht mehr ganz so in der Krise: EZB-Chef Mario Draghi | |
Wollen Sie jetzt noch schnell eine Immobilie kaufen – solange die Zinsen | |
noch so historisch niedrig sind? Bloß keine Angst, die Ankündigung der | |
Europäischen Zentralbank (EZB), ihr Anleihenkaufprogramm langsam auslaufen | |
zu lassen, wird die Zinsen für Hypothekendarlehen zwar wohl leicht | |
verteuern, aber nicht abrupt in die Höhe schnellen lassen. Das dürfte auch | |
die Sparer wenig freuen, die trotz des überraschenden Schritts der EZB | |
weiter wohl noch länger mit Mickerzinsen leben müssen. | |
Tatsächlich versucht die Notenbank gerade, ein gigantisches Experiment mit | |
340 Millionen Beteiligten in den 19 Staaten des Euroraums zu beenden: Seit | |
März 2015 hat die Notenbank Schuldscheine, also Staats- und | |
Unternehmensanleihen, im Wert von 2,6 Billionen Euro aufgekauft – die | |
„Märkte“ mit Geld „geflutet“. | |
Aus diesem Krisenmodus will EZB-Chef Mario Draghi nun langsam aussteigen. | |
Und das macht aus seiner Sicht auch Sinn: Die Konjunktur zieht langsam an, | |
die Nachfrage nach Produkten im Euroraum steigt, die aus Draghis Sicht | |
ausschlaggebende Inflation nähert sich der für ihn akzeptablen | |
2-Prozent-Marke. | |
Aber: Es handelt sich nur um den Einstieg aus dem Ausstieg der | |
langanhaltenden Sonderphase. Die Krise des Euroraums ist längst nicht | |
beendet. Die Risiken durch den Brexit und die unsichere Lage in vielen | |
Ländern der Eurozone bleibt nämlich bestehen: die hohe | |
(Jugend-)Arbeitslosigkeit vor allem im Süden des Währungsraums und die | |
wackeligen Banken. In den Unsicherheiten der Regierungsbildung in Rom | |
wurden kürzlich zeitweise täglich 1 Milliarde Euro aus Italien Richtung | |
vermeintliche sichere Investments im Ausland transferiert. Das hat sich nun | |
stabilisiert. Zum Glück: Kein Rettungsschirm könnte in seiner derzeitigen | |
Form den Kollaps des drittgrößten Eurolandes verkraften. | |
Die Unsicherheiten auch durch einen möglicherweise drohenden Handelskrieg | |
mit den USA sind noch viel zu hoch für eine Normalisierung der Geldpolitik | |
in Europa. Der Leitzins der EZB bleibt deshalb wohl auch noch auf längere | |
Zeit niedrig, es ist noch zu früh, von einer Wende in der Geldpolitik zu | |
sprechen. Die EZB fährt auf Sicht. Die Aussichten sind zwar nicht mehr ganz | |
so trübe – aber auch noch nicht positiv. | |
15 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
## TAGS | |
EZB | |
Geldpolitik | |
Eurogruppe | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
EZB | |
Italien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Krisenländer zu Euroreformen: Alles außer Merkel | |
In Griechenland und Italien stoßen die deutschen EU-Pläne auf Ablehnung. | |
Die Südeuropäer hoffen auf Macron. | |
EZB stellt Anleihekäufe ein: Eurokrise geht langsam zu Ende | |
Die Europäische Zentralbank stellt ihre expansive Geldpolitik ein, hält | |
aber an ihrer rigiden Nullzinspolitik fest. Ökonomen begrüßen das. | |
Debatte Italiens neue Regierung: Ciao, Establishment | |
Viele in Europa fürchten die neue populistische Regierung in Rom. Was die | |
Allianz aus Fünf Sternen und Lega beabsichtigt, ist noch offen. |