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# taz.de -- Frauen hinterm Steuer in Saudi-Arabien: Freiheit ja – aber nur ei…
> Sonntag wurde das Fahrverbot aufgehoben. Viele Frauen trauen sich ans
> Steuer und bewerben sich als Taxifahrerin. Etwas trübt jedoch die Freude.
Bild: Getrübte Freude: Mindestens acht der festgenommenen Frauenrechtlerinnen …
Dschidda taz | „Endlich haben wir es geschafft, besser spät als nie“,
jubelt die saudische Innenarchitektin Nada Adlabi und dreht in ihrem
Porsche-Sportwagen mit roten Sitzen ein paar gemächliche Runden durch die
saudische Hafenstadt Dschidda, entlang der Küstenstraße am Roten Meer. Es
ist Sonntagmorgen, erst seit wenigen Stunden ist das Fahrverbot für Frauen
im ganzen Land aufgehoben.
Anders als andere saudische Frauen, die mindestens 30 Fahrstunden auf
Simulatoren nehmen mussten, um eine Fahrerlaubnis zu bekommen, gehört Nada
zu jenen Frauen, die schon lange einen Führerschein besitzen. „Ich habe
mich zwei Wochen vor Ramadan mit meinem amerikanischen Führerschein
angemeldet und ihn online eingescannt. Dann musste ich einen Blut- und
einen Sehtest machen. Zwei Wochen später habe ich einen Termin beim Amt
bekommen. Dort hielt ich innerhalb von zehn bis 15 Minuten meinen
Führerschein in der Hand“, erzählt sie.
Sie selbst besitzt noch keinen Wagen und hat sich für diesen besonderen Tag
das Auto ihres Mannes ausgeliehen. „Er war nicht glücklich, als ich heute
sein Auto genommen habe“, sagt sie. Nicht, weil er ihrer Fahrweise nicht
traue, schließlich habe er sie bei jedem Auslandsaufenthalt fahren lassen.
„Er hat einfach Sorge, wie andere Männer reagieren, wenn sie auf den
Straßen in Saudi-Arabien eine Frau sehen, die Auto fährt. Er hat keine
Angst um mich, sondern um sein Auto.“ Sie lacht laut und biegt von der
Küstenstraße ab.
In den sozialen Medien in Saudi-Arabien kursierten in den letzten Wochen
viele Witze über Frauen und Autofahren. Aber die Mehrheit der Bevölkerung
hat sich inzwischen mit dem Gedanken angefreundet. Selbst Bekannte, die
dagegen waren, das Frauenfahrverbot aufzuheben, schicken ihre Töchter
inzwischen zur Fahrschule, erzählt Nada Adlabi.
## „Toll, dass Frauen Verantwortung übernehmen“
Khaled al-Muhammedi ist bei einem professionellen Fahrdienst in der Stadt
angestellt. Er empfindet es als eine Entlastung, dass Frauen nun Auto
fahren. „Es ist gut, dass die Frauen Verantwortung übernehmen und nicht
alles auf den Männern lastet, dass sie Sachen erledigen, und das ohne einen
Fahrer. So kann die saudische Frau endlich auf eigenen Füßen stehen.“ Das
hätte schon viel früher geschehen sollen, sagt al-Muhammedi. In seinem
Fahrdienst bekommt er demnächst weibliche Kolleginnen, wie Fadya Basmer.
Ihr Bruder habe bei diesem Fahrdienst gearbeitet, erzählt sie. „Als er
Fahrerinnen gesucht hat, habe ich mich sofort beworben. Leuten zu helfen,
sich mit ihnen auszutauschen, das ist ein interessanter Job.“ Fadya Basmer
hat direkt am Sonntag ihren Dienst angetreten, während des Gesprächs
steuert sie eines der Fahrdienst-Autos. Die 23-Jährige ist die jüngste der
neu angestellten Fahrerinnen. Den Job macht sie neben ihrem
Ingenieursstudium.
Ihr Chef, Hashem Larey, ist begeistert von seinen neuen Mitarbeiterinnen:
„Früher saß nur der Mann auf dem Fahrersitz, und die Frau war Passagierin.
Heute tauschen wir einfach die Sitze“, erklärt er.
Abrar al-Amri ist bei dem Fahrdienst für die Chauffeurinnen zuständig.
2.000 hätten sich auf die Jobs beworben, erzählt sie. „Wir haben
alleinerziehende Mütter, wir haben arbeitslose Frauen, wir haben
Studentinnen und sogar Rentnerinnen, die diese Arbeit machen wollen.“
## Viele Frauen betrachten Taxifahren als Mission
Tatsächlich drängen immer mehr Frauen auf den saudischen Arbeitsmarkt. Dass
sie nun selbst Auto fahren können und nicht von einem Fahrer zur
Arbeitsstelle gebracht werden müssen, befördert das. Es sei interessant
gewesen, dass viele der Bewerberinnen nicht nur Geld verdienen wollen,
sondern die Arbeit beim Fahrdienst auch als eine Art Mission sehen, erzählt
die Personalverantwortliche Abrar Amri. „Viele Frauen wollen ein Teil der
Veränderung sein. Das ist historisch. Dazu kommt, dass 70 Prozent unserer
Kunden weiblich sind. Die Fahrerinnen, die sich bewerben, machen das auch,
weil sie andere Frauen unterstützen wollen“, sagt sie.
Mehr als drei Jahrzehnte hatten Frauenrechtlerinnen unter anderem mit der
[1][„women2drive“-Kampagne] darum gekämpft, das Fahrverbot aufzuheben. Üb…
ein Dutzend von ihnen waren in den letzten Wochen [2][festgenommen worden],
mindestens acht befinden sich immer noch im Gefängnis. In den saudischen
Medien lief eine Schmierkampagne gegen sie, und sie wurden als
Verräterinnen gebrandmarkt. Was ihnen offiziell genau vorgeworfen wird, ist
allerdings unklar. Gesellschaftliche Veränderungen, so scheint es, dürfen
in Saudi- Arabien nur kontrolliert von oben verschrieben werden.
27 Jun 2018
## LINKS
[1] https://twitter.com/hashtag/Women2Drive?src=hash&lang=de
[2] /Frauenrechtlerinnen-in-Saudi-Arabien/!5510831
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Saudi-Arabien
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