# taz.de -- Energiewende in Europa: Effizienz ist keine deutsche Tugend | |
> Am Montag entscheidet die EU über schärfere Klimaziele. Viele wollen | |
> Fortschritte, aber Wirtschaftsminister Peter Altmaier mauert noch. | |
Bild: Die Energiewende in Europa wartet auf Deutschland | |
BERLIN taz | Früher war Deutschland bei der Energiewende in der EU ein | |
Musterschüler. Heute wartet die Klasse der 27 anderen Länder darauf, dass | |
die Deutschen endlich ihre Hausaufgaben machen. Vor dem | |
EU-Energieministerrat am Montag in Luxemburg steigt der Druck auf die | |
Bundesregierung, schärferen Zielen im EU-Klimaschutz zuzustimmen. Eine | |
breite Front von EU-Staaten, EU-Parlamentariern, Umweltgruppen und Experten | |
fordert, die EU-Ziele für erneuerbare Energien und Effizienz bis 2030 | |
anzuheben. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium dagegen will sich | |
bislang nicht offiziell festlegen. | |
Hintergrund ist der Kampf darum, wie die EU ihre Klimaziele anheben muss, | |
um den Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen von 2015 zu entsprechen. | |
Bisher planen die Europäer, bis 2030 ihre CO2-Emissionen um 40 Prozent zu | |
senken. | |
Das aber verfehlt das Paris-Ziel. Nun will die EU in einem großen | |
Energiepaket den Anteil der Erneuerbaren bis 2030 auf 27 Prozent des | |
gesamten Energieverbrauchs ansteigen lassen (bisher: etwa 17 Prozent). Die | |
Energieeffizienz soll sich um 30 Prozent gegenüber dem Trend verbessern. | |
Das reicht allerdings dem EU-Parlament nicht aus. Es fordert 35 Prozent | |
Erneuerbare und 35 Prozent Effizienz. Dabei bekommt es Unterstützung von | |
deutschen Umweltministerium: Deutschland solle sich „deutlich auf die | |
Position des EU-Parlaments zu bewegen“, heißt es. Auch die EU-Kommission | |
hat erklärt, ein Anteil von 34 Prozent bei Erneuerbaren sei wünschenswert | |
und gut für die Wirtschaft. | |
## Ziele hinter den Versprechen zurückgeblieben | |
Die EU-Energieminister müssen am Montag festlegen, mit welchen Vorgaben sie | |
in die Verhandlungen mit dem EU-Parlament („Trilog“) gehen. Während sich | |
Länder wie Schweden, Frankreich, Portugal und die Niederlande schon für | |
höhere Ziele stark machen, bremst die Bundesregierung bisher. „Wir äußern | |
uns zur deutschen Position, wenn etwas feststeht. Das wird am Montag sein“, | |
sagte eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). | |
Dabei nimmt der Druck zu. Spaniens neue Umweltministerin Teresa Ribera von | |
der sozialistischen Regierung hat als eine ihrer ersten Amtshandlungen | |
erklärt, das Land wolle ehrgeizigere Ziele bei Erneuerbaren. Die | |
„M5S“-Partei, die das italienische Umweltministerium führt, will 35 | |
Prozent. Und in einem Vorschlag der bulgarischen Ratspräsidentschaft, der | |
am Freitag durchsickerte, werden für Erneuerbare und Effizienz Ziele von | |
jeweils 30 bis 33 Prozent als Kompromiss-Optionen gehandelt. | |
Ein Gutachten des Öko-Instituts setzt Wirtschaftsminister Altmaier weiter | |
unter Druck. Die Experten haben berechnet, dass die Umsetzung des | |
offiziellen deutschen „Klimaschutzplans 2050“ bereits deutlich höhere | |
EU-Ziele möglich machen würde. Bei einem deutschen Pfad, der sich auf | |
Effizienz konzentriert, würden „alle Zielvorgaben bis zu 35 Prozent | |
Effizienz und 33 Prozent Erneuerbare auf Ebene der EU (…) klar erreicht“, | |
heißt es. Wähle Deutschland den Weg, seine Klimaziele über einen | |
verstärkten Ausbau der Öko-Energie zu erbringen, seien sogar EU-Ziele von | |
35 Prozent Erneuerbaren und 35 Prozent Effizienz machbar. | |
„Wenn Deutschland seine eigenen Klimaschutzziele ernst nimmt, muss es sich | |
für die schärferen EU-Vorgaben einsetzen“, sagt Elena Hofmann vom Deutschen | |
Naturschutzring DNR. Auch andere Verbände wie der WWF drängen auf mehr | |
Engagement aus Deutschland. Wenn Deutschland in Brüssel blockiere, „muss es | |
national handeln, entlässt aber andere Staaten aus der Verantwortung für | |
die Energiewende“, sagte WWF-Klimaexperte Michael Schäfer. „Will der | |
Bundeswirtschaftsminister wirklich, dass Deutschland allein vorangeht statt | |
mit den europäischen Partnern?“ Und Roland Joebstl vom Dachverband der | |
EU-Umweltorganisation EEB sagt: „Wenn Deutschland an Bord ist, könnte es | |
einen sehr guten Deal geben. Altmaier ist unter Druck, nicht den letzten | |
Rest des guten Images der Klimakanzlerin Merkel zu verderben.“ | |
9 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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