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# taz.de -- Kolumne Unter Leuten: Ein Loft auf dem Wasser
> Eine günstige Alternative für die weiter steigenden Mieten ist es nicht
> unbedingt: Ein Hausboot auf dem Berliner Landwehrkanal.
Bild: Hausboote auf dem Landwehrkanal in Berlin
Wer gerade eine Wohnung sucht, ist nicht zu beneiden. Annoncen werden schon
nach Minuten wieder aus dem Internet genommen, weil die E-Mails bei den
Vermietern überlaufen. Und selbst wer es zur Besichtigung schafft, hat kaum
eine Chance. 800 Interessenten drängelten sich vergangenes Jahr durch eine
Altbauwohnung im Berliner Szenekiez Prenzlauer Berg. 80 Quadratmeter für
unter 1.000 Euro – das war für viele wie ein Sechser im Lotto. Die Meldung
ging durch die Presse.
Die Berliner sehen sich längst nach Alternativen um. Die einen besetzen
leerstehende Wohnungen. Die anderen ziehen aufs Wasser. So wie der Rentner
Michael Haberkorn, den ich im Berliner Tiergarten treffe.
Haberkorn gehört eines von zwölf Hausbooten in einer Siedlung auf dem
Landwehrkanal. Hinter mir rauschen die Autos über eine sechsspurige Straße.
Vor mir liegt ein verwachsener Garten. Er gehört zum Liegeplatz. Der
kastenförmige Koloss schaukelt im Wasser vor sich hin. Eigentlich
praktisch, denke ich. Wenn man auf einem Hausboot lebt, spart man Miete und
kann in seiner Wohnung auf Reisen gehen. Einfach Seile losmachen und
abfahren.
Ich klopfe an. Haberkorn öffnet die Tür. Ein 71-jähriger, hagerer Mann mit
grün gestreiftem T-Shirt und vollem weißen Haar. Er bittet mich herein. Ich
fühle mich gleich wie in einer großzügigen Singlewohnung. Ein langer,
durchgehender Raum mit Küchenzeile, Wohn- und Schlafecke. „Loft aufm
Wasser, kann man sagen“, lacht Haberkorn. 65 Quadratmeter hat er für sich
allein.
Seit 30 Jahren lebt er hier. Wenn er aus dem Fenster seines Hausboots
schaut, sieht er manchmal einen Biber vorbeischwimmen. Sonst nichts.
„Wasser beruhigt mich“, sagt Haberkorn. Auch Spaziergänger schauen manchmal
vorbei. „Wenn ich zufällig am Zaun stehe und im Garten arbeite, hat jeder
’ne Frage.“ Ob’s denn da im Winter kalt ist? Wie man an ein Boot kommt? U…
an einen Liegeplatz? Das möchte natürlich auch ich gern wissen. Und werde
gleich enttäuscht.
„Ne preiswerte Alternative ist das Leben auf dem Hausboot nicht mehr“, sagt
Haberkorn. Ein gebrauchtes Hausboot kostet je nach Größe und Ausstattung
20.000 bis 300.000 Euro. Wer selbst baut, musst mit 80.000 bis 100.000 Euro
rechnen. Hinzu kommen rund 500 Euro im Monat an laufenden Kosten für Werft,
Energie und Pacht. Und auch beim Wasserschifffahrtsamt steigen die Pachten
regelmäßig. Wenn er die Ausgaben auf den Monat rechnet, kommt er auf eine
durchschnittliche Miete.
Ob man denn wenigstens mit dem Hausboot verreisen könne, möchte ich zum
Abschied wissen. Haberkorn schüttelt den Kopf. „Hat kein Motor“, sagt er
trocken. „Wenn sich hier was bewegt, ist das höchstens der Wasserpegel.“
9 Jun 2018
## AUTOREN
Philipp Eins
## TAGS
Kanal
Wohnen
Reiseland Kanada
Spandau
Reiseland Jordanien
Wohnungsnot
Hamburg-Wilhelmsburg
Schwerpunkt Klimawandel
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