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# taz.de -- Fotoausstellung Klimawandel in Europa: Malerisch, aber gefährlich
> Fotograf Claudius Schulze hat sich angesehen, wie der Hochwasserschutz –
> und damit der Klimawandel – Teil unserer Idee von Natur wurde.
Bild: Menschgemacht: Staumauer in der Schweiz
Hamburg taz | Am Anfang war er einfach so unterwegs. Wie ein Wanderer, der
durch die Berge wandert, der schaut und der bald das Schauen kennt und der
oft das Glück hat, so zu stehen, dass er von einer gewissen Höhe herab auf
die bergige Welt schaut. Getragen von Tiefe und Volumen sind erste Bilder
entstanden, verwandt romanischer Landschaftsmalerei, in die man sich
verlieren kann. „Aber dann stand ich in St. Peter-Ording“, erzählt Claudius
Schulze, „und alles war flach und nichts passierte.“
Er kaufte sich einen Wagen mit hydraulischer Hebebühne, wie man ihn kennt,
wenn irgendwo an den Bogenlampen entlang unserer Straßen die
Leuchtstoffkörper ausgetauscht werden müssen. Elf Meter hoch kommt er damit
– das ist drittes, viertes Stockwerk –, um mit seiner Großformatkamera die
Welt abzulichten.
Damit fuhr Schulze durch Europa, hielt in Städten, an Seen und Flüssen,
übernachtete am Meer. Nun zeigt er eine [1][Auswahl in der Hamburger
Freelens-Galerie]. Parallel entstand ein sehr schönes Buch, zu dessen
Realisierung Schulze, Jahrgang 1984, auf Crowdfunding setzte.
„Die Bilder sind schon sehr schön“, sagt Schulze, „sehr malerisch, sehr
detailreich.“ So sehen wir ein Fußballfeld samt herumwuselnder Spieler am
Rande von Dömitz an der Elbe im weichen Abendnebel, während fast am
Horizont der schützende Deich sich wie ein sanfter Hügel davonzuschleichen
scheint.
Wir sehen einem zufrieden wirkenden Mann zu, der ein kleines Stück Garten
umgegraben hat, während hinter ihm in großer Höhe eine massive Staumauer
verhindert, dass der örtliche Fluss sich eigensinnig seinen Weg bahnen
könnte. Wir schauen Badenden zu, in einer geschützten Bucht, von einem
aufgeschütteten Wall umgeben.
Und damit sind wir beim Thema: „Es geht mir nicht darum zu zeigen, wie die
Natur immer mehr verschwindet“, sagt Schulze. „Sondern wie die
Hochwasserschutzmaßnahmen, die wir ergreifen, selbst Teil der Natur und
unseres Naturverständnisses geworden sind, weil wir die Natur nicht als
gefährlich und wild wahrnehmen, sondern als zahm; als etwas Schönes und
Angenehmes.“
Er weist auf ein Foto: Eine Frau liegt zum Sonnenbaden ganz
selbstverständlich auf einer Staumauer. Schulze tippt auf ein anderes Bild,
ein grandioses Bergpanorama, stiller See inklusive: „Dass viele dieser Seen
aufgestaut sind, zur Stromerzeugung oder zur Regulierung der Wasserständen
in den Flüssen, das hat man nicht auf dem Schirm.“
Er sagt: „Der Klassiker ist das Fahrradfahren auf dem Deich.“ Und er zeigt
auf ein Bild, dass er in Duisburg aufgenommen hat, Altbauten am Rande der
Ruhr: „Der Deich und das Deichvorland sind hier der einzige grüne
Naherholungsbereich.“
Aber man muss gar nicht so weit gehen: Wer die Freelens-Galerie nahe des
Hamburger Baumwalls verlässt, ist im Nu am gerade erst neu gestalten
Hafenrand: „Das alte Johannisbollwerk war eine dicke, fette Mauer“, erzählt
Schulze, der selbst seit einiger Zeit ein eigenes Hausboot im Hafen liegen
hat. „Man hat schon verstanden, wozu die da war.
Wenn man jetzt zehn Leute auf der neuen, sehr durchlässig wirkenden
Befestigungsanlage von Zaha Hadit mit ihren amphietheaterartigen Treppen
befragen würde, egal ob Hamburger oder Touristen, alle würden sagen: Das
ist hier gebaut worden, damit man hier Eis essen oder spazieren gehen kann
und damit man einen schönen Ausblick auf die Elbe hat.“
Damit man noch einmal anders die Dimension seiner Arbeit begreift, hat er
gleich im Eingangsbereich der Galerie ein unübersehbares Satellitenbild auf
die Wand ziehen lassen. Schaut man genau hin, sieht man Wasser, überall
Wasser. Und im Wasser: Häuser an Häuser und hin und wieder so etwas wie
Straßen und Verbindungen, mehr zu erahnen als zu erkennen: „So sieht ein
niederschlagsreicher November im indischen Teil von Kaschmir aus, wenn es
keine Schutzmaßnahmen gibt“, entschlüsselt er das Bild.
Schutzmaßnahmen gebe es nun mal nur im globalen Norden Europas,
gelegentlich in den USA und dann noch in Japan: „Sie sind sehr teuer, man
braucht Know-how, und man bräuchte vor allem den politischen Willen,
diejenigen zu schützen, die dem Klimawandel ausgesetzt sind, dank unserer
Zalando-Bestellungen und unserer Kurzurlaube.“
Ist er nun ein Ökofotograf – natürlich nicht, denn seine Fotoarbeit ist im
Detail wie im Gesamten angenehm undidaktisch und so gar nicht moralisch
aufgeladen. Aber die Frage lässt ihn kurz innehalten. „Ich möchte da
unterscheiden“, sagt er schließlich, „zwischen mir als Privatperson und mir
als Fotografen.“
Privat seien ihm die Ursachen für den Klimawandel völlig klar. Aber es gebe
da noch einen ganz anderen, sehr interessanten Blickwinkel: „Über meine
Schwester, die in Norwegen als Natur- und Sozialgeografin in der
Stadtplanung arbeitet, habe ich die professionelle, wissenschaftliche Sicht
auf den Klimawandel kennengelernt, die so ganz anders ist als bei uns
normalen Menschen.“
Während wir uns immer wieder daran aufrieben, ob und wie der Mensch dafür
verantwortlich sei, sei es für den Katastrophenschutz völlig unerheblich,
ob es einen menschgemachten Klimawandel gebe oder nicht. „Der
Katastrophenschützer beobachtet, was passiert, stellt fest, dass es eine
Veränderung des Klimas gibt und reagiert darauf“, sagt Schulze noch. Und
schließt: „Selbst wenn man zu dem Ergebnis kommt, der Klimawandel ist nicht
von uns Menschen gemacht, muss man trotzdem so handeln wie ein
Naturschützer.“
Dass genau das längst passiert, in unseren Breiten, unbeeindruckt von
ideologischen Debatten: Genau davon erzählen seine Fotoarbeiten –
unaufgeregt, präzise und angenehm hintersinnig.
30 Jun 2017
## LINKS
[1] https://www.freelens.com/galerie/
## AUTOREN
Frank Keil
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Fotografie
Ausstellung
Hamburg
Kanal
Hochwasser
Kunst Berlin
Fotografie
Modefotografie
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