# taz.de -- Gruselfilm-Klassiker im Brotfabrik Kino: Dunkel funkelndes Filmjuwel | |
> Edgar G. Ulmers „The Black Cat“ von 1934 mit Bela Lugosi und Boris | |
> Karloff ist eine hochgradig stilisierte Reflexion über den Tod. | |
Bild: Boris Karloff stand für „Ther Black Cat“ erstmalig gemeinsam mit Bel… | |
Eigentlich müsste man Edgar G. Ulmers „The Black Cat“ im Kino Babylon am | |
Rosa-Luxemburg-Platz zeigen, das 1929 nach Plänen des Architekten Hans | |
Poelzig im Stil der Neuen Sachlichkeit entstanden ist. Denn wenn in diesem | |
1934 im Zuge des Gothic-Horror-Booms für die Universal entstandenen | |
Gruselfilm Bela Lugosi und Boris Karloff erstmals gemeinsam vor die Kamera | |
treten, trägt Zweiterer den Rollennamen Hjalmar Poelzig – und erweist sich | |
ebenfalls als Architekt der Neuen Sachlichkeit, der insgeheim jedoch | |
satanische Vorlieben hegt. | |
Dieser Hjalmar Poelzig hat sich in der ungarischen Provinz eben dort, wo er | |
im Ersten Weltkrieg als General den Tod Tausender Soldaten zu verantworten | |
hatte, ein Schloss gebaut. Hier dräut er so düster wie Dracula in | |
Siebenbürgen – mit dem Unterschied, dass hier nicht modrig-feuchtes Gemäuer | |
visuell dominiert, sondern exakt gezogene Linien und ein komfortabler | |
Funktionalismus. Bauhaus-Gothic sozusagen – von Regisseur Ulmer vielleicht | |
wirklich als Kommentar zur zeitgenössischen Architektur konzipiert: Deren | |
lichter, eleganter Stil verdrängt die Gräuel des Ersten Weltkriegs ins | |
Unzugängliche. | |
Dass der Name des Berliner Architekten und Filmszenaristen Poelzig im | |
US-Horrorfilm auftaucht, verweist auf eine der ungewöhnlichsten | |
Exilgeschichten, die das deutsche und amerikanische Kino zwischen den | |
beiden Weltkriegen verbindet: Als Szenenbilder hatte der 1904 im heute | |
tschechischen Olmütz geborene Regisseur Edgar G. Ulmer in der Weimarer | |
Republik seine ersten Gehversuche beim Film gemacht und im Zuge auch die | |
Bekanntschaft mit Hans Poelzig gemacht. | |
## Meterware in Billigstudios | |
In Berlin arbeitete er mit Lang und Murnau, bevor er in die USA | |
auswanderte: Dort stellte er Murnaus „Tabu“ fertig, drehte sogenannte | |
Minderheitenfilme für osteuropäische Einwanderer und landete schließlich in | |
der „Poverty Row“, bei den Billig-Studios also, für die er am laufenden | |
Meter B-Movies zwischen Western, Horror, Crime und Science Fiction drehte. | |
Anders als vielen seiner Berliner Kollegen war es Ulmer nicht vergönnt, | |
sich in den USA als Künstler oder wenigstens Prestige-Handwerker zu | |
etablieren. Als unfreiwilliger Billigfilmer, in dessen Filmen allerdings | |
die morbide Ästhetik des Weimarer Kinos überwintert, entpuppt er sich | |
später jedoch als Glücksfall für die Filmpublizistik, die den Filmemacher | |
mit ungarisch-jüdischen Wurzeln seit geraumer Zeit als einen Poète Maudit | |
und ökonomischen Stilisten wiederentdeckt. In „The Black Cat“, neben dem | |
Film Noir „Detour“ Ulmers bekanntester US-Film, kommt dies besonders zu | |
tragen. | |
Der von Poes gleichnamiger Geschichte nur lose inspirierte Film erzählt | |
eine Geschichte aus dem verkanteten Unterholz tragischen Begehrens: Nach | |
einem Autounfall strandet ein frisch verheiratetes Pärchen gemeinsam mit | |
Dr. Vitus Werdegast in Poelzigs entlegenem Anwesen. | |
Es stellt sich heraus, dass Werdegast und Poelzig eine gemeinsame | |
Geschichte haben, die in den Ersten Weltkrieg zurückreicht – und dass | |
Poelzig in den Kellergemäuern seines Schlosses diverse konservierte | |
Frauenleichen als Schmuckstücke aufbewahrt. Bald entspinnt sich ein | |
tödliches Psycho-Spiel zwischen den beiden, in das auch das frisch | |
vermählte Paar hineingezogen wird. | |
## Faszinierendes Unikum | |
Was nach Groschenheft-Standardware klingt, entpuppt sich als dunkel | |
funkelndes Filmjuwel: Im betont modernen Ambiente geht Ulmer auf Abstand | |
zum Spinnweb-Grusel aus dem Theaterfundus. Sein von allerlei Morbiditäten | |
und düsteren Meditationen durchzogener Film stellt vielmehr eine hochgradig | |
stilisierte Reflexion über den Tod dar, in der sich filmischer | |
Sensationalismus und Avantgarde-Fotografie der 20er widerstandsfrei | |
miteinander vermählen, während der fast durchgängige Soundtrack die | |
Klassik-Hochkultur als Chor in den Film holt. Im Zyklus der klassischen | |
Universal-Horrorfilme stellt „The Black Cat“ damit ein bis heute | |
faszinierendes Unikum dar. | |
Jetzt kann man es in Berlin wiederentdecken – zwar nicht im Babylon, dafür | |
aber am Freitag im engagierten Brotfabrik Kino, in der monatlichen | |
Filmreihe der Kinoenthusiasten „Vogelbaum“. Die widmet sich mit Vorliebe | |
den schimmernden Randbezirken der Filmgeschichte. Ulmer, diesem | |
melancholischen Filmpoet der Kino-Fantastik, hätte dieses Umfeld gut | |
gefallen. | |
28 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Thomas Groh | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
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