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# taz.de -- Miese Arbeit im Blumenladen: Überwachung, Mobbing, Überstunden
> Die Angestellten im Hannoveraner Bahnhofsgeschäft Blumen Wolf klagen über
> schlechte Arbeitsbedingungen. Der Chef schweigt zu den Vorwürfen.
Bild: Hübsche Auslage, aber hinter dem Verkaufstresen ist Schluss mit lustig
HANNOVER taz | Als wieder eine neue Mitarbeiterin weinend vor ihr stand,
hatte Flora genug. Sie arbeitet seit mehreren Jahren im „Blumen Wolf“,
einem der Blumenfachgeschäfte im Hannoveraner Hauptbahnhof, und hat schon
viele neue Kolleginnen kommen und gehen sehen – die wenigsten halten es so
lange aus wie Flora.
Flora, die eigentlich anders heißt, arbeitet als eine von zwölf
Angestellten in einem der vier Blumenläden von Karl-Heinz Wolf. Ein knappes
Viertel der Belegschaft hat sich nun an die Gewerkschaft „Freie
Arbeiterinnen und Arbeiter Union“ (FAU) gewandt. Ihr Vorwurf: Unmenschliche
Arbeitsbedingungen in den Läden.
Ständig würden die Arbeitszeiten überschritten – statt den vereinbarten
zehn Stunden stehen die Florist*innen zwölf bis 14 Stunden hinter dem
Verkaufstresen. Auch Pausen und gesetzliche Ruhezeiten zwischen den
Schichten würden nicht eingehalten.
„Wir sind einfach zu wenige“, sagt Flora. Mindestens die doppelte Anzahl an
MitarbeiterInnen würden ihrer Ansicht nach benötigt, damit geregelte
Arbeitszeiten durchzusetzen wären. Im Frühjahr gibt es viele Feiertage.
„Blumemonate“ nennen es die Florist*innen. Ostern, Muttertag – vor den
Festtagen sei es besonders schlimm, sagt Flora.
Neu eingestelltes Personal schrecke nach kurzer Zeit zurück. Mindestens
zehn Mitarbeiter seien im letzten Jahr dazugekommen – und schnell wieder
gegangen. Manche schon nach drei Wochen. Dabei spiele nicht nur die hohe
Arbeitsbelastung, sondern auch das schlechte Betriebsklima eine Rolle.
Mobbing unter den Angestellten gehöre schon seit Jahren zum Arbeitsalltag
der Florist*innen.
Karl Heinz Wolf, Besitzer der Läden, sieht sich laut seiner Angestellten
dabei nicht in der Verantwortung, diese Konflikte zu lösen. Er komme
ohnehin nur unregelmäßig vorbei; meist, um das Geld aus den Kassen
einzusammeln, sagt Flora.
Die FAU sucht gemeinsam mit den Angestellten schon seit einiger Zeit das
Gespräch mit Wolf. Drei Briefe mit klar formulierten Kritikpunkten soll er
bereits erhalten haben. Auch den Protest am Hauptbahnhof vergangenen
Samstag ignorierte der Inhaber. Wolf schweigt – auch der taz gegenüber.
Das gilt auch für den Vorwurf, er überwache seine Angestellten:
Videokameras dienen normalerweise der Sicherung des Ladens, doch die
Florist*Innen fühlen sich von ihnen beobachtet. „Eine Kamera filmt unseren
Pausenraum, eine andere ständig die Kasse“, sagt Flora.
Das ist verboten, sagt auch der Sprecher der Landesdatenschutzbehörde.
Schon vor zwei Jahren schalteten die Angestellten diese ein. Daraufhin
mussten unrechtmäßige Kameras abgehängt werden. Diese seien inzwischen neu
montiert worden, sagt die Floristin.
## Videoüberwachung vom Wohnzimmer aus
Normalerweise landen die Filmaufnahmen aus Geschäften auf anonymen Servern.
Karl Heinz Wolfs Kameras sendeten das Filmmaterial auf Monitore in dessen
Wohnzimmer, sagen seine Angestellten. „Manchmal erhalten wir Anrufe, wenn
wir Pause machen und Kunden im Laden sind“, sagt Flora.
Eine unangekündigte Überprüfung durch die Landesdatenschutzbehörde
vergangene Woche ergab, dass Karl Heinz Wolf seit der letzten Überprüfung
als unrechtmäßig erkannte Kameras wieder aufgehängt zu haben scheint. Die
Landesdatenschutzbehörde hat nun ein Ordnungswidrigkeitsverfahren
eingeleitet. Wolf droht ein Bußgeld.
Auch die Kundschaft scheint die Konflikte im Blumenladen zu bemerken.
Google-Rezensionen geben verheerende Bewertungen ab: Desinteressierte,
kauende Verkäuferinnen werden von Kunden kritisiert. „Aber essen müssen wir
doch“, sagt Flora. Ohne Mittagspause müsse das dann eben zwischendurch
geschehen.
## Zehn Euro pro Stunde
Mehr als einmal hat Flora überlegt zu kündigen. Aber Vollzeit-Stellen mit
einem unbefristeten Vertrag wie ihrem sind in Hannover schwer zu finden.
Die Florist*innen verdienen bei Karl Heinz Wolf zehn Euro die Stunde. Das
ist weniger als der von der IG Bau in Westdeutschland durchgesetzte
Tariflohn von 10,63 Euro, aber mehr als der Mindestlohn, der Florist*innen
im Osten bis heute meist bezahlt wird. Sie sollten sich nicht beschweren,
da er so viel zahle, habe Wolf seinen Angestellten beschieden, sagt Flora.
„Die FAU hat hier nichts zu suchen“, soll Wolf seinem Anwalt erklärt haben.
Die gewerkschaftliche Organisation seiner Angestellten missfalle ihm, sagt
Flora. Sie und die anderen Angestellten fürchten um ihren Job, sollte Wolf
ihnen die Mitgliedschaft nachweisen können. „Er weiß es, aber er hat keine
Beweise“, sagt die Floristin.
Dabei wollen die Angestellten dem Laden keinen Schaden zufügen. Auch vor
Gericht wollen sie zunächst nicht ziehen – sollte der Chef sich doch
gesprächsbereit zeigen. „Natürlich üben wir Druck aus“, sagt Felix
Zimmermann, Sprecher der FAU Hannover. Neben der Landesdatenschutzbehörde
wurde auch das Gewerbe-Aufsichts-Amt informiert. Am Samstag um 14 Uhr soll
es erneut eine Kundgebung am Hauptbahnhof geben.
31 May 2018
## AUTOREN
Muriel Kalisch
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Ausbeutung
Einzelhandel
Arbeitsbedingungen
Mobbing
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Foodora
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