Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rechtsextreme im Reservistenverband: Ex-Soldaten unter Beobachtung
> Es gibt rechtsextreme Verdachtsfälle im Verband der Reservisten –
> angeblich ohne Austausch mit dem VS. Stimmt das?​
Bild: Razzia gegen die „Nordkreuz-Gruppe“ in Mecklenburg-Vorpommern im Augu…
Berlin taz | Drei Jahre lang keine Meldung: Der Verband der Reservisten der
Deutschen Bundeswehr (VdRBW) hat seit dem Jahr 2015 keine einzige
offizielle Meldung über rechtsextreme Verdachtsfälle in seinen Reihen an
das Bundesamt für Verfassungsschutz gemacht. Das jedenfalls geht aus einer
noch nicht veröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage der
Linksfraktion im Deutschen Bundestag hervor, die der taz vorliegt. Die
Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linksfraktion) wollte wissen,
inwiefern der Bundesregierung bekannt ist, ob der Reservistenverband
gezielt als Anlaufstelle von mutmaßlichen Rechtsextremen genutzt wird, um
etwa unter seinem Dach Schießübungen durchzuführen. Hintergrund ist
offenbar [1][die Berichterstattung der taz].
Im Februar hatte die taz über [2][die sogenannte „Festplattenaffäre“
berichtet], die den Reservistenverband seit Jahren beschäftigt. Dabei geht
es um eine dienstliche Festplatte, auf der Verbandsmitarbeiter hunderte
rechtsextremer Dateinamen gefunden hatten – darunter solche wie „Arisches
Blut – Hitlers 100. Geburtstag.mp3“, „Zillertaler Türkenjäger –
SS-SA-Germania.mp3“ und „Adolf Hitler – DEUTSCHE JUDEN.mp3“.
Bereits zuvor hatte die taz berichtet, dass ein Großteil der Betroffenen,
die im Rahmen einer Razzia rund um die sogenannte Nordkreuz-Gruppe im
Herbst 2017 in Mecklenburg-Vorpommern [3][durchsucht worden waren],
Mitglieder des Reservistenverbandes waren. Einer der Durchsuchten hatte
zuvor versucht, über den Verband an einen Waffenschein zu gelangen. Die
Bundesanwaltschaft ermittelt derzeit wegen des Verdachts eines
möglicherweise rechtsterroristischen Hintergrundes.
Die Bundesregierung sieht offenbar keine besondere Gefährdung des Verbands.
Laut der Antwort sind dem Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Jahr
2015 im Bereich Rechtsextremismus demnach lediglich „Verdachtsfälle im
einstelligen Bereich bekanntgeworden“, die einen Bezug zum
Reservistenverband gehabt hätten. Diese seien jedoch nicht auf Hinweise aus
dem Reservistenverband zurückzuführen, heißt es in der Antwort. Auch hätten
sich die Verdachtsfälle allesamt nicht bestätigt. Weiter heißt es: „Dem BfV
liegen keine Angaben darüber vor, ob die Betroffenen Zugang zu Waffen haben
oder hatten.“
## Verband zieht Rechtsextreme an
Dass der Reservistenverband mit seinen rund 115.000 Mitgliedern auch
anziehend für Rechtsextreme ist, ist seit langem ein Thema im Verband, der
unter anderem militärische Ausbildungstrainings veranstaltet und
Schießstände unterhält.
Seit 2010 schloss der Verband nach eigenen Angaben insgesamt 40 Mitglieder
wegen rechtsextremer Aktivitäten aus, zuletzt in Folge der Nordkreuz-Razzia
auch fünf Männer in Mecklenburg-Vorpommern, die von den Durchsuchungen
betroffen waren. Zwei davon gehen derzeit gegen diese Kündigungen vor.
Kritiker, teils aus den eigenen Reihen, bemängelten wiederholt, dass der
Verband nicht entschlossen genug gegen mutmaßliche Rechtsextreme vorgehe.
Aus der Antwort der Bundesregierung geht hervor, dass im Prinzip kaum ein
Austausch zwischen Reservistenverband und dem Bundesamt für
Verfassungsschutz stattfinde, wenn es um Rechtsextremisten geht. Dort heißt
es etwa, dass aufgrund der „restriktiven Anforderungen zur Übermittlung von
Daten an andere Stellen“ eine Übermittlung von unbestätigten
Verdachtsfällen an den Reservistenverband nicht zulässig sei. An anderer
Stelle heißt es: „Dem Bundesamt für Verfassungsschutz liegen keine
Erkenntnisse zu Maßnahmen des Verbands der Reservisten der Bundeswehr vor.“
Auch der Reservistenverband lässt auf Anfrage mitteilen: „Über einen
offiziellen Austausch zwischen dem VdRBW und Organisationen wie dem
Bundesverfassungsschutz oder anderen Diensten ist uns nichts bekannt.“
## Angaben sind „sensibel“
Ob und inwiefern der Verfassungsschutz mit eigenen Quellen im
Reservistenverband tätig ist, dazu will die Bundesregierung nichts sagen.
Angaben dazu seien „so sensibel“, „dass auch eine Beantwortung unter
VS-Einstufung, die in der Geheimschutzstelle des Bundestages einsehbar
wäre, ausscheidet.“
In der Praxis gab es dagegen in der Vergangenheit durchaus einen Austausch,
von dem in der Antwort jedoch nicht die Rede ist. Der Reservistenverband
und das Bundesinnenministerium hatten nach Informationen der taz unter
Führung des damaligen Präsidenten und Bundestagsabgeordneten Roderich
Kiesewetter (CDU) einen informellen Kanal etabliert, über den
Verdachtsfälle und anderes – stets nur inoffiziell – besprochen werden
konnten.
Kontaktmann war der damalige Hauptgeschäftsführer des Reservistenverbandes,
Dierk-Joachim Fell, dem im Verband beste Kontakte zu den
Nachrichtendiensten nachgesagt werden. Geht es nach Stimmen aus dem
Verband, so soll diese Praxis noch heute bewährt sein. Zuständig für den
informellen Kontakt zu Nachrichtendiensten und Sicherheitsbehörden sei der
jeweilige Hauptgeschäftsführer, heißt es aus dem Präsidium. Offiziell
äußert sich der Verband auf Anfrage allerdings anders: Dass es einen
informellen Draht zu den Verfassungsschützern gebe, könne der Verband nicht
bestätigen.
## Behörden sollten „genauer hinschauen“
Heißt das, dass es trotz wiederkehrender Verdachtsmomente also gar keinen
Austausch zwischen Reservistenverband und dem Bundesamt gibt?
Für die Linke-Politikerin Renner ist das ein Unding. „In einer Zeit, in der
wir immer mehr rechtsterroristische und rechtsmotivierte Verdachtsfälle
innerhalb von Polizei, Behörden und Bundeswehr beobachten können, erwarte
ich, dass die deutschen Behörden hier auch genauer hinschauen“, sagte
Renner.
Dass das Präsidium des Reservistenverbands über große Nähen zu den
Nachrichtendiensten verfügt, ist allerdings ein offenes Geheimnis. Im März
hatte der frühere Reservistenpräsident Kiesewetter, der inzwischen mit dem
Verband über Kreuz liegt, im Rahmen einer Zeugenanhörung vor einem Berliner
Gericht ausgesagt, das Präsidium des Reservistenverbands sei zu seiner Zeit
„durchsetzt“ gewesen mit Leuten, die für den BND arbeiteten. Der BND,
Bundesnachrichtendienst, ist der deutsche Auslandsgeheimdienst.
## Verband mit 17 Millionen Euro unterstützt
In ihrer Antwort an die Linksfraktion schreibt die Bundesregierung übrigens
auch, dass sie keine Erkenntnisse über etwaige Kontakte zwischen
Mitgliedern des Reservistenverbandes und dem wegen rechtsextremistischer
Terrorpläne angeklagten Bundeswehrsoldaten Franco A. habe. Im Zuge der
Ermittlungen gegen Franco A. waren die Ermittler auch auf die sogenannte
Prepper-Gruppe in Norddeutschland gestoßen.
Die Antwort der Bundesregierung umfasst noch einen weiteren Aspekt. Die
Abgeordnete Renner hatte sich in ihrer Kleinen Anfrage auch auf die
taz-Berichterstattung über die sogenannte „Festplattenaffäre“ im
Reservistenverband bezogen. Im Februar hatte die taz über Vorwürfe aus
Reihen des Verbands berichtet. Demnach waren Festplatten eines Mitarbeiters
mit mutmaßlich rechtsextremistischen Inhalten bereits 2014 sowohl an die
Bundesgeschäftsführung des Reservistenverbandes als auch an das Bundesamt
für Verfassungsschutz gegangen – allerdings ohne Konsequenzen.
Auch in dem Fall hatte die Bundesregierung offenbar nicht im Visier, was im
Verband vor sich ging. Erstmals, so steht es in der Antwort der
Bundesregierung, habe das Bundesverteidigungsministerium von dem Fall durch
eine taz-Anfrage im November 2017 erfahren, also über drei Jahre später.
Das Ministerium unterstützt den Reservistenverband laut Haushaltsplan
jährlich mit über 17 Millionen Euro.
Der Mitarbeiter, der die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestreitet, arbeitet
unterdessen weiterhin für den Verband. Das Verbandspräsidium hatte in Folge
der Veröffentlichung beschlossen, den beschuldigten Mitarbeiter im Rahmen
einer Änderungskündigung nach Nordrhein-Westfalen zu versetzen. Derzeit
leistet er seinen Dienst jedoch weiterhin in Mecklenburg-Vorpommern.
Die aus Thüringen stammende Bundestagsabgeordnete Martina Renner
(Linksfraktion), die nun die Anfrage gestellt hatte, hatte sich bereits in
der Vergangenheit intensiv mit dem Reservistenverband und dessen
Attraktivität für die rechtsextreme Szene beschäftigt. Bereits im Jahr 2009
hatte die taz über den Steuerberater und damaligen Schatzmeister des
Reservistenverbandes in Thüringen, Wolfgang Lütkemeyer, berichtet, der auch
Mitglied in der völkischen ‚Artgemeinschaft‘ um den NPD-Politiker Jürgen
Rieger war. Lütkemeyer hatte, ehe er sich 2008 das Leben nahm, in Thüringen
die Kassen des Landesverbandes der Reservisten geführt und war unter
anderem Mitglied im Erfurter Rotary-Club – wie auch der damalige Chef des
Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Sippel.
13 May 2018
## LINKS
[1] /!t5020553/
[2] /!5475898/
[3] /Rechtsextreme-Szene-in-MeckPomm/!5498856/
## AUTOREN
Martin Kaul
Daniel Schulz
Christina Schmidt
## TAGS
Reservistenverband
Verfassungsschutz
Rechtstextreme
Emsland
Reservistenverband
Prepper
Lesestück Recherche und Reportage
Franco A.
Bundeswehr
Reservistenverband
Reservisten
Schwerpunkt AfD
## ARTIKEL ZUM THEMA
Reservisten außer Rand und Band: Sommer-Camp mit Schießübungen
In der einen Hand ein Bier, in der anderen eine MP: So posierten
Reservisten bei einem Camp mit PfadfinderInnen im emsländischen Lingen.
Reservistenverband der Bundeswehr: Auszeichnung trotz rechter Dateien
Eine Festplatte mit rechtsextremer Musik beschäftigt den
Reservistenverband. Der, bei dem sie gefunden wurde, bekommt nun die
Ehrennadel.
Rechtes Netzwerk in der Bundeswehr: Wer Hannibal informierte
Achtung, Prepper! Ein MAD-Mitarbeiter der Bundeswehr soll KSK-Soldaten vor
Hausdurchsuchungen gewarnt haben. Jetzt ist er angeklagt.
Rechtsextremismus bei der Bundeswehr: Ein Prepper auf Reserve
Machtkampf bei den Reservisten: Der Verband will rechte Mitglieder
loswerden. Doch die drängen stattdessen in den Vorstand.
OLG Frankfurt zum Fall Franco A.: Kein konkreter Terrorverdacht
Der Prozess wird wegen weiterer Anklagepunkte vor dem Landgericht Darmstadt
fortgesetzt. Franco A. plante wohl Anschläge und gab sich als Flüchtling
aus.
Bundesrechnungshof zur Bundeswehr: Was heißt schon „einsatzbereit“…
Der Bundesrechnungshof berichtet, dass Waffensysteme als einsatzbereit
bewertet werden, obwohl Teile fehlen. Die Grünen sprechen von „fragwürdigen
Zahlen“.
Reservistenverband und Rechtsextreme: Nicht immer nur „rechts um“
Der Reservistenverband schließt weitere mutmaßliche Rechtsextremisten aus.
Das kann als Reaktion auf Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gewertet
werden.
Festplattenaffäre im Reservistenverband: Er sagt, es sei Mobbing
Thomas K. soll tausende rechtsextreme Dateien besessen haben. Eine Klage
gegen den Reservistenverband zog er jetzt zurück.
Terrorermittlungen gegen AfD-Politiker: Prepper macht jetzt Politik
Gegen den Polizisten Haik J. laufen Terrorermittlungen. Nun macht er für
die AfD in Mecklenburg-Vorpommern Innenpolitik.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.