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# taz.de -- Ivorische Sängerin über ihr Herkunftsland: „Das Wichtigste ist …
> Die ivorische Musikerin Dobet Gnahoré spricht über kostenlosen
> Schulbesuch, die Gleichstellung der Frau und ihr neues Album „Miziki“.
Bild: In vielen Welten zuhause: Dobet Gnahoré
taz: Dobet Gnahoré, wir sitzen in Abidjan mit Blick auf die Lagune. Wenn
Sie sich umsehen: Was ist der größte Unterschied zu ihrer Wahlheimat
Marseille?
Dobet Gnahoré: Hier in Abidjan dauert einfach alles länger, bis man es
organisiert bekommt. Ich sollte auch sagen, dass ich inzwischen aus
Marseille fortgezogen bin, ich lebe jetzt in den Ardennen in
Nordfrankreich. In Abidjan habe ich viel von meinen Künstlerkollegen
gelernt, das sollte ich nicht verschweigen, aber als ich nach Marseille
gegangen bin, hat das meine Musik auf ein neues Level gebracht. Mein
aktuelles Album „Miziki“ ist teilweise in Marseille entstanden.
Ihr Vater Boni spielt mit Ihnen als Drummer in der Band. Wenn ich mit
meinem Vater in einer Band spielen würde, gäbe das Zoff. Und bei Ihnen?
Nur weil Boni mein Vater ist, heißt das nicht, dass ich nichts von ihm
lernen könnte. Und klar, obwohl er mir konstant etwas vermittelt, haben wir
unterschiedliche Ansichten. Ich möchte gerne Haltung bewahren, aber
manchmal kriegen wir uns wegen der Arrangements in die Haare. Aber ich bin
froh, dass er in meiner Band spielt. Genau wie meine Mutter ist er auch ein
Held für mich.
Einen Teil Ihrer Kindheit haben Sie in einer Künstlerkolonie in Kamerun
verbracht – erzählen Sie uns davon?
Das Dorf heißt Ki-Yi M’bock und wurde 1985 von Werewere Liking gegründet,
einer kamerunischen Schriftstellerin und Malerin. Sie ist eine toughe Lady
und hat viel dafür getan, dass sie selbstbestimmt leben kann. Eine ihrer
Ideen war das panafrikanische Dorf Ki-Yi M’bock. Sein Name bedeutet so
viel wie „die Weisheit des Universums“. Es ist ein freigeistiger Ort, wo
junge Talente sich erproben, lernen und als Tänzer, Sänger oder Musiker
ausgebildet werden. Alles funktioniert ohne staatliche Förderung und
Almosen. Die Menschen leben von Konzerten, die sie selbst ausrichten. Mir
kam es vor wie eine Großfamilie.
Ein zentraler Song auf Ihrem Album „Miziki“ heißt „Éducation“. Im
Album-Booklet fordern Sie auf Französisch und Englisch, dass schulische
Bildung kostenlos sein muss. Warum?
Ich sehe mich nicht als politische Künstlerin und ich stelle auch keine
politischen Forderungen. Ich bin eine Musikerin. Trotzdem singe ich über
Probleme, wenn mir was aufstößt. In der Elfenbeinküste ist Armut nicht zu
übersehen. Es fehlt an schulischen Institutionen, an der Gleichstellung der
Frau. Ich sehe Familien, in denen die Mütter arbeiten und für die ganze
Familie das Geld verdienen. Es ist nicht so krass wie in Benin, aber
schlechter als in Kamerun, wo Schulpflicht für Kinder bis 15 gilt und die
Grundschule nichts kostet. In Elfenbeinküste kostet der Schulbesuch Geld.
Viele Betuchte schicken ihre Kinder gleich auf Privatschulen, wo sie
Französisch lernen. Aber ich kenne auch Leute, die ihre Kinder gar nicht in
die Schule schicken. Wir müssen mehr in die Bildung investieren.
Mir gefällt an „Miziki“ die unentschiedene Atmosphäre der Musik: Einersei…
überträgt sich die Relaxtheit, aber Ihre Songs werden von einem
unerbittlichen Beat angeschoben.
Ich mag es, wenn sich durch meine Musik körperliche Energie überträgt und
ich habe auch nichts gegen Emotionen. Es gibt aggressive Tendenzen in
meiner Persönlichkeit, das schlägt sich wohl auch in meinen Songs nieder.
Ich breche softere Melodien gern mit harten Beats.
Auffällig ist Ihre sonore Stimme. Wer hat Ihren Gesang inspiriert?
Allgemein ist das der schwierigste Prozess: herauszufinden, wie meine
Stimme am besten klingt. Manchmal funktioniert mein Gesang nur, wenn er
durch Gefühle gepolstert wird. Was Inspiration angeht: Ich liebe Jazz und
Pop und ich bewundere Ella Fitzgerald und Björk. Sie haben mir dabei
geholfen, meine Stimme zu finden.
Sie sind hier in Abidjan, weil Sie beim Festival Femua gastieren. Sein
Motto ist „immigration clandestine“ – „illegale Auswanderung“. Was sa…
Ihnen das?
Es ist ein elementares Thema, weil es uns alle betrifft, die ganze Jugend
Afrikas. Die Staaten müssen die Jugend davon überzeugen, hierzubleiben. Das
sagt sich so leicht – in der Elfenbeinküste denken viele, anderswo sei das
Leben besser. Es gibt so viel Irrglauben. Deshalb glaube ich, das
wichtigste ist die Bildung. Und der Staat muss viel offener mit dem Problem
der illegalen Auswanderung umgehen. Viele Jugendliche haben einen Job –
gut, sie verdienen wenig, aber manche von ihnen werden auch von ihren
Familien nach Europa geschickt. Das wenige, das die Familien haben, fließt
dann in die Flucht. Ich sage Ihnen was: Zum Teil gibt es in Abidjan bessere
Wohnmöglichkeiten und Unterkünfte als in Europa. Das wird nichts an den
Träumen der Kids ändern. Aber ich sage: Leute, träumt eure Träume hier in
Abidjan!
Was bedeutet Ihnen Abidjan und die Elfenbeinküste?
Ich bin ja ständig hier und reise die ganze Zeit zwischen Frankreich und
der Elfenbeinküste hin und her. Ich habe hier viele Freunde, und sie helfen
mir, weltoffen zu bleiben. Abidjan ist ein Zuhause, weil ich hier viele
Kontakte im Zusammenhang mit der Musik habe.
20 Jun 2018
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
Elfenbeinküste
Abidjan
Bürgerkrieg
Kinder- und Jugendtheater
Trikont
Berghain
Abidjan
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