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# taz.de -- Brassband Banda Internationale auf Tour: Blasmusik als Experiment
> Das andere Dresden: Die Brassband Banda Comunale spielt seit einiger Zeit
> mit geflüchteten Musikern, hat ordentlich Wumms und geht nun auf Tour.
Bild: Drücken mächtig auf die Tube: Banda Internationale
„Es ist ja absurd. Dass wir, als Pegida mit 20.000 Leuten marschiert ist,
die Gegendemo angemeldet haben. Dass weder Ministerpräsident noch
Bürgermeister vorne mit dabei waren, sondern eben eine lausige
Blaskapelle“, sagt Michal Tomaszewski. Tomaszewski ist Klarinettist der
Dresdener Gruppe Banda Internationale, die 2001 als kleines musikalisches
Projekt unter dem Namen Banda Comunale begann und heute fast eine
Institution geworden ist.
Die Mitglieder geben Workshops an Schulen, sie gründeten eine zweite, von
Fördermitteln getragene Gruppe, die Musik mit unbegleiteten minderjährigen
Geflüchteten macht. Heute werden sie gern mal zum Aushängeschild für ein
buntes Sachsen gemacht: „Wenn man es nötig hat, bitteschön“, sagt
Tomaszewski. „Nur wird es jedem auffallen, dass wir nicht die einzige
Antwort sein können auf die Missstände in diesem Bundesland.“
Ursprünglich stand alles in der Tradition italienischer Dorfblaskapellen.
Die Musik: Massiv erweitertes Blechblasrepertoire zwischen Balkan-Brass,
lateinamerikanischen und orientalischen Rhythmen und Jazz. Ihr Dorf:
Dresden. Die Umstände: die rassistische Normalität Deutschlands. Die
meisten Gründungsmitglieder der Gruppe waren damals neu in Dresden,
berichtet Tomaszewski, der von Anfang an dabei war – neu in der Stadt und
schockiert darüber, wie selbstverständlich Nazis in der Stadt Flagge zeigen
konnten. „Uns war klar, dass wir uns beteiligen wollten, aber anders. Also
haben wir Blasmusik gemacht. Die meiste Zeit spielten wir 20 Konzerte im
Jahr. Und dann kam Pegida.“ Als der Zulauf zu den rechten Märschen im
Winter 2014 immer massiver wurde, war es die Banda Comunale, die den
Gegenprotest anführte.
## Initialzündung Freital
„Die Initialzündung war aber Freital. Da bin ich eine Woche lang
hingefahren, nachdem Lutz Bachmann dazu aufgerufen hatte, dass sich ‚das
Volk wehren‘ soll.“ In der Stadt, wenige Kilometer südlich von Dresden,
eskalierte im Sommer 2015 die rechte Stimmungsmache gegen geflüchtete
Menschen. „Wenn du in Sachsen im Bus ankommst und da fliegen Flaschen, ganz
egal, ob du wegen des guten Lebens hier bist, oder weil bei dir zu Hause
Krieg ist – das ist einfach unanständig.
Dass diese Stadtgesellschaft sich nicht benehmen kann, das hat uns
fertiggemacht.“ Diesmal reichte es der Gruppe nicht, Stimmung zu machen,
linke Energie und bürgerlichen Anstand zu aktivieren. Sie tourte durch
Erstaufnahmelager und Schulen in der sächsischen Provinz, lernte Menschen
kennen, für die Musik einen ganz anderen Wert hat als bloße Unterhaltung –
der Schritt, die Band zumindest vorübergehend zu erweitern, lag auf der
Hand. „Wir haben Flyer verteilt, in allen möglichen Sprachen – und
innerhalb von zwei Wochen hatten wir die Bude voll.“
Fast schon erstaunlich, wie jener Sommer 2015, ein Sommer hochgekochter
Emotionen und improvisierter Lösungen, unter der Hand ein so nachhaltiges
Projekt auslösen konnte. Schnell gehörten mehrere geflüchtete Musiker zum
Kern der Band, etwa der Cellist Akram Younus Ramadhan Al-Siraj aus dem
Irak, der syrische Oud-Spieler Thabet Azzawi. Ab dann war alles Experiment.
## Auf die Pauke brettern
„Wir haben die Leute gebeten, uns ihre Musik vorzuspielen, und wir haben
gemerkt, dass auch die meisten neuen zu unserer Musik gern tanzten –
witzigerweise waren unsere Klezmerhits unter den Arabern absolut
durchschlagend. Es hat ein bisschen gedauert, bis wir daraus etwas Eigenes
entwickelt haben. Du hast altbekanntes arabisches Kulturgut, und dann
brettert unser Schlagzeuger auf die Pauke, und es wird etwas zwischen Drum
’n’ Bass und HipHop. Alles ist organisch“, sagt Michal. „Und genauso wa…
mit dem Projekt insgesamt: Am Anfang war es komisch, man hat sich nicht
immer verstanden, nicht genau gewusst, wie – und nach zwei Jahren kann ich
für die meisten meine Hand ins Feuer legen.“
Mittlerweile gibt es ein Album, es wurde im letzten Jahr beim Münchner
Label Trikont veröffentlicht, das eine lange Tradition mit linker Blasmusik
abseits von Bergmannskapelle hat. „Kimlik“ heißt es, ein türkischer
Begriff: „Identität“ bedeutet er und „Ausweis“, zwei zentrale Begriffe…
Diskurs über Geflüchtete, aber auch Begriffe, die ihre Relevanz verlieren,
wenn die Banda Internationale ihr musikalisches Material in die Mangel
nimmt.
Und das ist keine Einbahnstraße: „Unser Sänger Ezé Wendtoin trägt eine ga…
eigene Soundwelt in sich, auch eine eigene Karriere. Er hat deutschen
Schlager entdeckt – Rudi Carrell, Reinhard Mey, geile Nummern.“ Und auch,
wenn eine Mehrheit der Banda sich mit dieser Richtung nicht anfreunden
können mag: Carrells „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ gehört zum
Repertoire.
## Aufbauarbeit an der Basis
Von Protest zu produktiver Aufbauarbeit an der Basis. Deutsche, die mit
Geflüchteten spielen, für Geflüchtete, aber auch für Deutsche, die so zum
ersten Mal mit Geflüchteten in Kontakt treten, und immer wieder gegen
Deutsche, für die solche Begegnungen und eine solche neue Heimatmusik ein
Ärgernis sind. Konfrontation und Integration, Workshops, Demos und
Konzerte.
Es lastet einiges auf diesem Projekt, das von Menschen getragen wird, die
im Museum arbeiten oder im Knast oder die Medizin studieren, und bei aller
Leichtigkeit und allem Feuer des Sounds: Ein wenig ist die Erschöpfung doch
zu hören, wenn Michal berichtet. Aber vermutlich ist die Idee der Banda zu
gut, um sie an den Alltagssorgen dieses Systems scheitern zu lassen: „Mein
Wunsch wäre es – in der Tradition dieser italienischen Blaskapellen –, dass
die Band noch existiert, in 50 Jahren, wenn die Leute, die sie initiiert
haben, längst über den Teich sind.“
15 Jun 2018
## AUTOREN
Steffen Greiner
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Trikont
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