# taz.de -- Farewell „Mr. Trikont“ Achim Bergmann: Ode an den obersten Outl… | |
> Unser Autor, ein Künstler, bewunderte an Achim Bergmann dessen furchtlose | |
> Haltung und Leidenschaft für widerspenstige Musiktraditionen. | |
Bild: Hüter eines mythischen Ortes: Achim Bergmann | |
Man sollte diese beiden Begriffe nicht zu inflationär verwenden, aber bei | |
ihm passen sie ganz und gar: Achim Bergmann war ein Vorbild und eine | |
Inspiration. Für mich und für viele andere. Gerade jetzt, wo rechte | |
Provokationen offenbar wieder als salonfähig erachtet werden, wird er mit | |
seiner No-Nonsense-Haltung fehlen. | |
Achim Bergmann konnte wie ein großes Kind sein, wenn er rotwangig von | |
seinen Leidenschaften erzählte. Aber er konnte auch poltern: Als er auf der | |
Frankfurter Buchmesse im letzten Herbst am Stand der rechten Zeitung Jungen | |
Freiheit dummes Gewäsch über die Generation der 68er hörte, sagte er das | |
Nötige. Er sagte es auf seine Art: aus dem Bauch heraus, laut, krawallig, | |
undiplomatisch. Und bekam dafür einen Faustschlag ins Gesicht. | |
Auch wenn einen Achim Bergmann so leicht nichts umhauen konnte, muss ihn | |
das doch tief geschockt haben: Dass an einem Ort, der doch auch dazu | |
diente, mit Sprache Freiheit zu verteidigen, offenbar das Faustrecht derer, | |
mit denen nicht mehr zu reden ist, zur Option geworden war. | |
## Die Küche als Begegnungsstätte | |
Achim Bergmann war ein Mitreißer. Wer je einer seiner ausladenden | |
Erzählungen beigewohnt hat, wird das nur zu gut wissen. Wenn ich an Achim | |
denke, sehe ich ihn mit verschränkten Armen breit grinsend im Trikont-Hof | |
im Münchner Viertel Giesing sitzen und erzählen. Oder oben in der | |
Trikont-Küche, der Begegnungsstätte aller, die in irgendeiner Form mit der | |
Plattenfirma und dem Verlag zu tun hatten. | |
Für mich ist Trikont ein nahezu mythischer Ort. Wenn Achim erzählte, ging | |
es um alles: Um seine Kinobesuche in Frankreich Ende der sechziger Jahre. | |
Um seinen Fußballverein, den TSV 1860 München, „die Sechzger“. Um verrüc… | |
US-Songwriter und noch verrücktere bayerische Anarchos. Um „dieses blonde | |
Mädchen“, Bergmanns langjährige Partnerin Eva Mair-Holmes, die er erst im | |
letzten Herbst geheiratet hatte. Und natürlich immer wieder um Musik. | |
Es ist Achim Bergmann zu verdanken, dass man auch in Köln, Hamburg, Leipzig | |
und Berlin inzwischen eine vage Ahnung von aufsässigen bayerischen | |
Musiktraditionen haben kann. Achim war einer, der unzählige Schätze gehoben | |
hat. Und zu jedem dieser Schätze Geschichten erzählen konnte, dass man am | |
liebsten ein Lagerfeuer dazu angezündet hätte. Und der in diesen | |
Geschichten immer wieder den Bogen vom Damals ins Heute schlagen konnte. | |
Manchmal musste Eva ihn stoppen, wenn sie merkte, dass man bei seinen | |
Verknüpfungen von Amerika und Bayern, von Gestern und Heute nicht mehr | |
mitkam. Dann grinste er kurz wissend sein Rotbäckchen-Grinsen und hob nach | |
einer kurzen Pause zur nächsten Geschichte an. | |
## Ein guter Zuhörer | |
Achim war aber auch ein guter Zuhörer. Ganz gleich, ob man sprach oder | |
sang: Achim hörte sich das, solange man keinen Blödsinn verzapfte, immer | |
sehr aufmerksam an. Ich erinnere mich, wie er im letzten Sommer bei einem | |
meiner Konzerte vor der Bühne stand und in sich hinein grinste. Mir war | |
klar: Er hatte da irgendetwas gehört. Später spielte er mir enthusiastisch | |
auf seinem Handy eine Live-Aufnahme von Country Joe & The Fish vor, an die | |
er sich erinnert gefühlt hatte. | |
Da war es wieder: Er hatte das Damals im Heute gehört und eine Tradition | |
ausgemacht. Ich habe Achim Bergmann für so vieles zu danken. Ganz besonders | |
aber dafür, dass er in meiner Musik etwas gehört hat, das für ihn in diese | |
faszinierende Trikont-Welt hineingepasst hat. Eine Welt, die bevölkert ist | |
von amerikanischen und bayerischen Outlaws, seltsamen Songwritern und | |
windschiefen Folk-Anarchos, vietnamesischen Straßenmusikern und queeren | |
Punks. Die Achim-Bergmann-Welt. Diese Welt wird auch über seinen Tod hinaus | |
existieren. | |
Gute Reise, lieber Achim. Viva Trikont! | |
9 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Eric Pfeil | |
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