# taz.de -- Kommentar Proteste am 1. Mai: Solidarität ist mehr als Lohnerhöhu… | |
> Derzeit wird über Hartz IV und Umverteilung diskutiert wie schon lange | |
> nicht mehr. Wer da nur höhere Löhne fordert, verschenkt Protestpotential. | |
Bild: Nicht nur an die eigene Knete denken | |
Es tut sich was. Das muss man ohne Zweifel feststellen. Seit die SPD erneut | |
auf dem Groko-Dampfer eingeschifft wurde, steht sie überraschenderweise | |
wieder im Mittelpunkt: die soziale Frage! Kevin Kühnert, die | |
personifizierte Opposition innerhalb der Sozialdemokratie, [1][darf dieser | |
Tage nicht nur einen Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde fordern]. Das | |
Krasseste daran: Er wird nicht gleich als wahnwitziger Spinner abgetan – | |
obwohl er doch Juso-Vorsitzender ist und die Linkspartei das gleiche | |
Revolutiönchen schon länger im Programm hat. [2][Dann kommt der 1. Mai], | |
heraus tritt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und fordert: Tariflohn! | |
Genauer gesagt: Tarifbindung! Dabei sei besonders die neue Bundesregierung | |
gefordert, schallt es kämpferisch von den Podesten. Zu Recht, auch das ganz | |
ohne Zweifel. | |
Dennoch muss man feststellen: Das, was der linke Rand der SPD und die | |
Funktionäre der Gewerkschaften am Kampftag der Arbeiterschaft an Parolen | |
raushauen, das ist nicht auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt. | |
Das ist knietief im Dispo der sozialen Bewegung. | |
Im Arbeiterland Nordrhein-Westfalen hat der DGB am 1. Mai tatsächlich | |
nochmal die Kohlekumpel in die erste Reihe gestellt. Das mag als schöne | |
Geste an eine aussterbende Zunft gedacht sein, wirkt aber wie die | |
Verweigerung jeglichen Gegenwartsbezugs. So richtig schlimm wird es, wenn | |
man hört, mit welcher Verve die Gewerkschaften nun die Idee eines | |
bedingungslosen Grundeinkommens verteufeln. Das grenzt schon an | |
Denkfaulheit. Rückwärts immer, vorwärts nimmer. | |
Das ist umso schlimmer, als ja tatsächlich gerade eine einmalige Chance in | |
der Luft liegt. Es wird landauf, landab über Hartz IV, Mietenpolitik, | |
Geschlechtergerechtigkeit, Umverteilung diskutiert wie schon lange nicht | |
mehr. Wer sich da nur auf die Lohnhöhe beschränkt, verschenkt nicht nur | |
Protestpotenzial, sondern jede Chance auf konkrete Verbesserungen. Denn was | |
nützt zum Beispiel die schönste Lohnerhöhung, wenn sie durch eine | |
exorbitante Mietenexplosion gleich wieder aufgefressen wird? Dann hat man | |
zwar eine echte Umverteilung erzielt – aber nur von den Arbeitgebern, die | |
mehr zahlen, hin zu den Immobilienbesitzern, die mehr kassieren. Die, die | |
es nötig hätten, gehen wieder leer aus. | |
Die soziale Frage verlangt wesentlich breiter gefächerte, komplexere | |
Antworten, die nicht nur die beglücken, die schon Jobs haben. Und sie | |
braucht sie bald. Denn wenn sie nicht von einer breiten gesellschaftlichen | |
Linken kommen, die sich am Grundgedanken der Solidarität orientiert, dann | |
kommen sie in brutaler Schlichtheit von den Rechtspopulisten. | |
1 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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