# taz.de -- Geplante Ankerzentren für Flüchtlinge: Bundespolizei gegen Seehof… | |
> Die Gewerkschaft der Polizei übt scharfe Kritik an den Plänen des | |
> Innenministeriums. Den Bundesländern fehlen weiter konkrete | |
> Informationen. | |
Bild: Vorbild für Ankerzentren: die „Ankunfts- und Rückführungseinrichtung… | |
Berlin taz | Die Kritik an den von Innenminister Horst Seehofer (CSU) | |
geplanten sogenannten Ankerzentren wächst – und kommt nicht nur von den | |
üblichen Verdächtigen. „Eine jahrelange Kasernierung und Isolation von | |
Schutzsuchenden ist mit uns nicht zu machen“, sagte Jörg Radek, | |
Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bezirk Bundespolizei, am | |
Mittwoch in Berlin. | |
Seine Gewerkschaft steht dabei hinter ihm: Eine Resolution, in der sich aus | |
„grundsätzlichen, verfassungsrechtlichen und sachlichen Erwägungen“ klar | |
gegen die Einrichtung von Ankerzentren ausgesprochen wird, wurde am | |
Mittwoch auf einem Treffen der Bundespolizei in der GdP von einer | |
„überwältigenden Mehrheit“ der Delegierten verabschiedet. | |
Nach den Plänen des Innenministeriums sollen Flüchtlinge künftig von der | |
Ankunft bis zur Abschiebung in sogenannten Ankerzentren isoliert | |
untergebracht sein. Auch Abschiebeknäste sollen dort angesiedelt werden. | |
Vorbilder sind die bayerischen „Transitzentren“. | |
Im Detail ist zu den Ankerzentren bislang wenig bekannt. Stephan Mayer, | |
CSU-Staatssekretär für Inneres, hatte allerdings vor rund vier Wochen | |
gesagt, die ersten dieser Einrichtungen, die nach Willen des Ministeriums | |
noch im Herbst eröffnen sollen, würden in Verantwortung der Bundespolizei | |
betrieben. | |
## „Unglaubliche Menschenmenge und Enge“ | |
Dass die GdP das ablehnt, liegt auch an einer damit einhergehenden | |
Aufgabenerweiterung für die Bundespolizei: „Unsere Kernaufgabe ist der | |
Grenzschutz, den wir momentan kaum wahrnehmen können. Stattdessen sollen | |
wir jetzt in den Ländern diese Lager einrichten – nicht mit uns“, sagte | |
Radek am Mittwoch. Die Bundespolizei müsse für ihre bestehenden Aufgaben | |
gestärkt werden, statt neue hinzu zu bekommen. Radek betonte, er spreche | |
bewusst von „Lagern“, nachdem er sich vor Ort in den Transitzentren ein | |
Bild gemacht habe: „Alles andere wäre verbale Kosmetik.“ | |
Denn es sind nicht nur Fragen der Aufgabenteilung zwischen Landes- und | |
Bundespolizei, die die Ablehnung der GdP begründen. „Es geht bei diesen | |
Lagern einzig und allein um Abschreckung, und wir denken nicht, dass | |
Abschreckung im Bereich des Asylrechts ein Instrument sein sollte“, so | |
Radek. | |
Auch aus kriminalpräventiver Sicht gebe es bei den Ankerzentren Bedenken. | |
Nicht nur seien bei der „unglaublichen Menschenmenge und Enge“ in den | |
Lagern Aggressionen vorprogrammiert, auch könne die geplante Beschränkung | |
von Taschengeld und Sachmittel auf ein absolutes Minimum zu einem Anstieg | |
von Vergehen wie Diebstahl führen: „Wer Mittel für den Eigenbedarf so | |
drastisch kürzt, verstößt gegen Grundsätze der Kriminalprävention.“ | |
Innenminister Horst Seehofer hat die Ankerzentren zu einer seiner | |
Top-Prioritäten erklärt. Bis zu fünf sollen noch im September und Oktober | |
eröffnen, verteilt über verschiedene Bundesländer. Ein angekündigtes | |
Eckpunktepapier liegt bislang allerdings noch nicht offiziell vor, viele | |
Umsetzungsfragen sind unklar. | |
## Den Bundesländern fehlen Informationen | |
Die taz hat bei den zuständigen Ministerien aller Bundesländer außer Bayern | |
– dessen wohlwollende Haltung bekannt ist – die Position bezüglich der | |
Ankerzentren abgefragt. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und | |
Mecklenburg-Vorpommern – in all diesen Ländern sitzt die CDU mit in der | |
Regierung – äußerten sich ebenfalls wohlwollend: „Alle Maßnahmen, die | |
schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen mit sich bringen, | |
begrüßt der Freistaat Sachsen ausdrücklich“, heißt es etwa aus dem dortig… | |
Innenministerium. | |
Auch diese Länder geben allerdings an, bislang nicht über konkrete | |
Planungen des Bundesinnenministeriums in Kenntnis gesetzt worden zu sein. | |
Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und das Saarland wollen | |
sich mit Verweis auf mangelnde Informationen aus dem Ministerium nicht zu | |
den Ankerzentren äußern. | |
Das Land Berlin, in dem die Linken-Senatorin Elke Breitenbach zuständig | |
wäre, bezieht eine klar ablehnende Haltung: „Dass Menschen in solchen | |
Zentren festsitzen, weil sie keine Bleibeperspektive haben, aber auch nicht | |
abgeschoben werden können, (…) wäre eine erhebliche Verschlechterung der | |
bisherigen Situation“, so eine Sprecherin. Berlin werde versuchen, in | |
dieser Frage alle Spielräume zu nutzen. Mit den Ankerzentren werde „die | |
Desintegration und die Dequalifizierung von Menschen, die hierher kommen“ | |
organisiert. „Das ist inhuman. Und es wird uns teuer zu stehen kommen.“ | |
25 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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