| # taz.de -- Kommentar Kopftuchdebatte: Mit Kopftuch und High Heels | |
| > Wer Kritik am Kopftuch formuliert, wird schnell der Beförderung | |
| > rassistischer Stereotype bezichtigt. Rational nachvollziehbar ist das | |
| > nicht. | |
| Bild: Es gibt nicht nur Extreme – manchmal wird auch kombiniert | |
| Vor einem Jahr hat Terre des Femmes ein [1][Positionspapier zum | |
| „Kinderkopftuch“] verabschiedet. Darin forderte die | |
| Frauenrechtsorganisation, das Tragen des Kopftuchs solle „im öffentlichen | |
| Raum vor allem in Ausbildungssituationen“ für minderjährige Mädchen | |
| verboten werden. Eine Gruppe von Frauen kritisierte dies prompt. | |
| Eine solche Forderung schüre antimuslimischen Rassismus und die | |
| gesellschaftliche Ausgrenzung der betroffenen Mädchen. Anderswo wurde | |
| geschrieben, „die Bereitschaft, ethnische und religiös definierte Gruppen | |
| mit ihren Symbolen zu markieren“, spiele jenen in die Hände, die | |
| diskriminierenden Umgang mit Muslimen pflegten. | |
| Diese Reaktionen waren absehbar. Der Automat, der den Vorwurf der | |
| Beförderung von Rassismus produziert, springt immer an, wenn Feministinnen | |
| das Kopftuch als Symbol und Instrument der patriarchalischen Unterdrückung | |
| von Frauen kritisieren. Sie werden auch schon mal kurzerhand als | |
| Anhängerinnen eines „toxischen Feminismus“ diffamiert. | |
| Suggeriert wird in diesem Zusammenhang auch gern, nur traditionalistische | |
| Muslime seien authentische Muslime. Wer türkische, arabische, kurdische | |
| oder iranische Vorfahren hat und laizistisch argumentiert, gilt den | |
| Verfechtern der neuen Identitätspolitik komischerweise nicht mehr als | |
| Betroffene. Deren Recht auf Hörbarkeit wird sonst doch so vehement | |
| eingefordert. | |
| Es lohnt sich, diese Denkfiguren logisch nachzuvollziehen. Dann zeigt sich, | |
| wie unhaltbar sie sind: Nicht das Kopftuch als solches markiert demnach | |
| seine Trägerin als gläubig, demütig, im gebärfähigen Alter befindlich oder | |
| „rein“, sondern die Kritik, dass nicht alle Frauen, Mädchen, Kinder | |
| freiwillig das Tuch tragen. Nicht der diskriminierende Umgang mancher | |
| Familien mit ihren Mädchen ist demnach ein Problem. Vielmehr schafft, wer | |
| den familiären Druck auf Frauen und Mädchen benennt, angeblich einen Anlass | |
| für Diskriminierung durch die Mehrheitsgesellschaft. | |
| ## Keine Debatte ohne Widersprüche | |
| Klar, dass diese Behauptungen konservativen Islamverbänden und | |
| Stellvertreterorganisationen von klerikal-autoritären Regimen wie dem Iran | |
| zupasskommen, die per Strafandrohung Frauen dazu zwingen, Kopftuch zu | |
| tragen. Dass aber Feministinnen und sich selbst als progressiv, links oder | |
| liberal verstehende Menschen sie sich zu eigen machen, ist erstaunlich. | |
| Die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen prüft derzeit ein | |
| Kopftuchverbot für Kinder in Grundschulen. Die taz druckte in der | |
| vergangenen Woche ein [2][Interview mit Sonja Fatma Bläser], die sich einer | |
| Zwangsheirat widersetzt hat, zwei Mordanschläge überlebte und sich für ein | |
| Verbot des Kopftuchs für Grundschulkinder einsetzt. In der Unterzeile, die | |
| das Gespräch ankündigt, war zu lesen: „Dass ihr deswegen Rechtspopulisten | |
| applaudieren, nimmt sie in Kauf.“ Sind die Argumente Bläsers deswegen | |
| weniger nachvollziehbar? | |
| Es gibt Feministinnen, die gute Gründe dafür nennen, warum sie gegen das | |
| Tragen von Kopftüchern sind. Und es gibt Feministinnen (mit und ohne | |
| Kopftuch), die zu Recht darauf bestehen, dass es nicht im Sinne einer | |
| liberalen Gesellschaft ist, Frauen vorzuschreiben, wie sie sich (nicht) | |
| anziehen sollen. Und es gibt junge Frauen, die sich selbst darstellen, | |
| indem sie sich aus dem Kleiderfundus eine Identität basteln, die sich den | |
| Ansprüchen von Eltern wie der Mehrheitsgesellschaft gleichermaßen entzieht. | |
| Sie performen auf der Bühne der Öffentlichkeit , indem sie das islamische | |
| Kopftuch mit grellem Lippenstift, engen Jeans und High Heels kombinieren. | |
| Hier zeigen sich die Widersprüche des Kopftuchdiskurses am lebenden | |
| Subjekt. | |
| Wer diesen Diskurs rational führen will, muss solche Widersprüche | |
| aushalten. Wer auf Kritik am Kopftuch aber mit der Rassismuskeule | |
| antwortet, formuliert keine Argumente, sondern bekundet bloß sein | |
| Desinteresse, welche auszutauschen. | |
| 20 Apr 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ulrich Gutmair | |
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