# taz.de -- Immobilienboom in den Großstädten: Maklers Freud', Käufers Leid | |
> Die Preisexplosion macht den Immobilienerwerb zum Gebührenirrsinn. | |
> Niedrigere Maklerprovisionen könnten zur Entlastung führen. | |
Bild: Das Baugewerbe boomt – und der Staat kassiert bei jeden Kauf kräftig m… | |
BERLIN TAZ Es gibt nur wenige Berufsgruppen, deren Gehälter sich in den | |
letzten Jahren so exzellent entwickelt haben wie die der Immobilienmakler. | |
In Berlin stiegen die Preise für Wohnungen seit 2004 um 139 Prozent, in | |
München um 137 Prozent, Leerstand gibt es in einigen Metropolen quasi | |
nicht, [1][schreibt DB Research,] Forschungsinstitut der Deutschen Bank. | |
Das heißt: Im Moment lässt sich noch der letzte Bretterverschlag als | |
rustikaler Wohntraum verhökern. | |
Weil die Maklerprovision prozentual mit den Immobilienpreisen steigt, | |
verdient sich die Branche krumm und dämlich. Noch sind die Bauzinsen wegen | |
der niedrigen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank auf einem | |
historischen Tiefstand. Die Tendenz dreht sich, weil ab Herbst, so kündigt | |
es die EZB an, die Politik des billigen Geldes allmählich vorbei sein wird. | |
Die Folge: In den Metropolen in Deutschland und im S-Bahn-Speckgürtel | |
herrscht Ausverkauf. | |
Die Arbeit eines Immobilienmaklers sieht so aus: Anzeige ins Netz stellen, | |
Bewerber durch das Objekt führen, verkaufen, sechs Prozent des Kaufpreises | |
kassieren. Das ist in Berlin die maximal zulässige Provision, in anderen | |
Bundesländer variiert der Satz. Macht bei einer 4-Zimmer-Wohnung für | |
stadtübliche 400.000 Euro satte 24.000 Euro Provision, plus Mehrwertsteuer. | |
Für wie viel Arbeit noch mal? | |
Hört man sich in Berlin bei Immobilienfinanzierern um, will sich zwar | |
niemand zitieren lassen, aber die Geschichten ähneln sich: Makler verdienen | |
sich gerade eine goldenen Nase, viele sind Quereinsteiger. Stellt sich die | |
Frage, warum die Politik die Sache nicht regelt? Warum werden die | |
Provisionen nicht gedeckelt? Die Antwort darauf ist relativ simpel: Das | |
Problem ist kein Thema. Im Bundestag gibt es selbst in der Opposition keine | |
Initiative zum Thema Maklerprovisionen. Niemand wagt die politische | |
Debatte. Die Große Koalition will stattdessen noch in diesem Jahr ein | |
Baukindergeld einführen, Familien sollen pro Kind zehn Jahre 1.200 Euro per | |
annum erhalten, wenn sie ein Eigenheim bauen. In Ballungsräumen bringt das | |
nichts, weil die Förderung nur erhält, wer baut, nicht, wer eine bestehende | |
Immobilie kauft. In diesem Fall könnten niedrigere Maklerprovisionen sofort | |
für Entlastung sorgen. | |
In Berlin, sagt die SPD-Abgeordnete Iris Spranger, war das bisher kein | |
Thema: „Wir haben uns hier zuerst um die Mieter gekümmert.“ Die müssen se… | |
2015 keine Maklercourtagen mehr zahlen. Das Thema Provisionen beim | |
Wohnungsverkauf habe man schlicht nicht auf dem Schirm gesagt, gibt | |
Spranger ehrlich zu. | |
Ähnlich sieht es bei einer zweiten Belastung aus: Die Grunderwerbssteuer, | |
die man einmalig zahlt, wenn man eine Wohnung kauft, ist auch Ländersache. | |
Auch sie wird prozentual auf den Kaufpreis einer Immobilie erhoben, in | |
Bayern liegt sie bei 3,5 Prozent, in Berlin bei 6 Prozent. Doch trotz der | |
enorm steigenden Immobilienpreise senken die Länder die Steuern nicht. | |
Ergebnis: Sie nahmen heute mit 13,1 Milliarden Euro mehr als das Doppelte | |
aus dieser Steuer ein als noch 2006. Wer in Berlin eine Wohnung für 400.000 | |
Euro kaufen will, der zahlt 15 Prozent an Makler und Stadt – 60.000 Euro | |
lösen sich in nichts auf. | |
Immerhin könnte das Urteil des Bundesverfassungsgericht jetzt in Sachen | |
Grundsteuer (also die, die man jährlich zahlt, wenn man eine Immobilie | |
besitzt) zumindest Mieter entlasten. In Berlin sind sowohl Finanzsenator | |
Kollatz-Ahnen als auch der Berliner Mieterverein froh, dass die | |
Bemessungsgrundlagen angeglichen und die Grundsteuer angepasst werden | |
sollen. Die „Veränderungen werden die Steuer insgesamt gerechter machen“, | |
so Kollatz-Ahnen. Die Grundsteuer, die bisher als Betriebskosten deklariert | |
wird, soll nicht mehr an die Mieter weitergereicht werden, sondern zur | |
Einkommenssteuer gezählt werden, fordert der Berliner Mieterverein. Das | |
wäre eine echte Entlastung. | |
10 Apr 2018 | |
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## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
Malte Kanefendt | |
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