# taz.de -- Kataloniens Ex-Regionalpräsident: Bundesregierung ohne Ermessen | |
> Carles Puigdemont muss auf die deutsche Justiz hoffen. Die | |
> Bundesregierung hat keinen politischen Spielraum, seine Auslieferung zu | |
> stoppen. | |
Bild: Hier im Gefängnis Neumünster sitzt er ein, Kataloniens Ex-Regionalpräs… | |
Könnte die Bundesregierung letztlich eine Auslieferung von Carles | |
Puigdemont an Spanien verhindern? Immer wieder wird die Forderung laut, die | |
Bundesregierung möge die Bewilligung verweigern oder ein Veto einlegen. | |
Neben den Anwälten des ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten äußerte | |
sich etwa Gregor Gysi (Die Linke) in diesem Sinne. Die Regeln des | |
europäischen Haftbefehls sehen einen derartigen politischen Zugriff der | |
Bundesregierung jedoch gerade nicht vor. | |
Im klassischen Auslieferungsverfahren gab es eine klare Zweiteilung. | |
Zunächst prüfte das jeweilige Oberlandesgericht (OLG), ob die Auslieferung | |
rechtlich zulässig ist. Anschließend hatte die Bundesregierung ein weites | |
politisches Ermessen, ob sie die Auslieferung bewilligen will oder nicht. | |
Dieses Verfahren gilt nach wie vor, wenn ein Nicht-EU-Staat die | |
Auslieferung begehrt, etwa die USA, die Türkei oder Ghana. | |
Für Auslieferungen zwischen EU-Staaten gilt seit Einführung des | |
Europäischen Haftbefehls 2004 jedoch ein anderes Verfahren. Es sollte | |
beschleunigt und entpolitisiert werden. Zentral ist jetzt die Prüfung der | |
rechtlichen Zulässigkeit durch das OLG. Im Fall Puigdemont geht es dabei | |
vor allem um die Frage, ob das ihm vorgeworfene Verhalten (Rebellion und | |
Veruntreuung öffentlicher Gelder) auch in Deutschland strafbar wäre. | |
Daneben gibt es zwar noch eine Bewilligungsentscheidung, doch diese ist | |
nach dem „Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen“ (IRG) | |
sehr eingeschränkt. Zulässige Auslieferungsersuchen können nur abgelehnt | |
werden, wenn eines von im Gesetz aufgeführten vier Bewilligungshindernissen | |
vorliegt. | |
Dies könnte zum Beispiel ein deutsches Strafverfahren wegen derselben Tat | |
sein oder dass ein anderer Staat ein paralleles Auslieferungsersuchen | |
gestellt hat. Im Fall von Puigdemont ist keines der möglichen | |
Bewilligungshindernisse gegeben. Falls das OLG die Auslieferung für | |
zulässig erklärt, kann diese daher bei der Bewilligung nicht mehr | |
verhindert werden. | |
Puidgemonts Anwalt Wolfgang Schomburg, ein ehemaliger BGH-Richter und | |
Spezialist für Auslieferungsrecht, argumentiert nun, dass der Gesetzgeber | |
der Regierung bei der Bewilligung durchaus ein „außenpolitisches | |
Grundsatzermessen“ belassen habe. Das ist trickreich, aber nur halb | |
richtig. Denn das Ermessen bei der Bewilligung beschränkt sich darauf, ob | |
trotz eines bestehenden Hindernisses ausgeliefert wird oder nicht. Wenn zum | |
Beispiel zwei Staaten die Auslieferung Puigdemonts fordern, dann könnte die | |
Regierung nach außenpolitischem Ermessen entscheiden, welchem Staat sie die | |
Auslieferung bewilligt und welchem nicht. Da im Fall Puigdemonts aber gar | |
kein Bewilligungshindernis besteht, hat die Regierung auch kein Ermessen. | |
Hinzu kommt, dass die Bundesregierung bei EU-Auslieferungen auch gar nicht | |
mehr für die Bewilligung zuständig ist. Denn in einer Vereinbarung mit | |
allen Bundesländern wurde diese Kompetenz 2004 an die Bundesländer | |
übertragen. In diesem Fall ist Schleswig-Holstein zuständig und dort | |
konkret die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig. Zwar könnte die | |
Bundesregierung diese Vereinbarung wohl kündigen, aber dadurch wäre für | |
Puigdemont nichts gewonnen. Denn wenn kein Ermessen bei der Bewilligung | |
besteht, dann ist es auch egal, wer die Auslieferung letztlich abwickelt. | |
Dass sich die Bundesregierung unter Berufung auf Schomburgs Argumentation | |
ein Ermessen anmaßt, das sie rechtlich nicht hat, ist nicht zu erwarten. | |
Das Justizministerium erklärte erst am Mittwoch: „Es bleibt dabei, dass die | |
Entscheidung über eine denkbare Auslieferung eine gerichtliche Entscheidung | |
ist. Genau das sieht das europäische Recht auch zwingend vor. | |
Puigdemont muss seine Hoffnung also eher auf die deutsche Justiz richten. | |
Die Entscheidung am OLG Schleswig über die Zulässigkeit der Auslieferung | |
gilt als offen. Die Argumente, mit denen der spanische Ermittlungsrichter | |
begründete, warum Puigdemont Gewalt ausgeübt haben solle, halten viele | |
deutsche Juristen für nicht tragfähig. Und falls das OLG Schleswig die | |
Auslieferung für zulässig erachtet, will Anwalt Schomburg noch das | |
Bundesverfassungsgericht anrufen, das in den letzten Jahren schon einige | |
Auslieferungen gestoppt hat. | |
Bei alldem muss die Bundesregierung nicht untätig sein. Sie könnte | |
diplomatisch darauf einwirken, dass Spanien weniger brachial auf die | |
katalanische Unabhängigkeitsbewegung reagiert. Doch offiziell erklärte die | |
Regierung stets, dass es sich um eine innerspanische Angelegenheit handele. | |
5 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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