# taz.de -- Kommentar Freilassung Puigdemonts: Keine Rücksicht auf Spanien | |
> Das Oberlandesgericht Schleswig entlässt Carles Puigdemont aus der Haft. | |
> Die Auslieferung wegen Rebellion hat es überzeugend abgelehnt. | |
Bild: Vor dem Gefängnis Neumünster steht das Empfangskommittee für Puigdemon… | |
Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig [1][hat am Donnerstagabend | |
entschieden], dass eine Auslieferung des katalanischen Ex-Präsidenten | |
Carles Puigdemont wegen Rebellion „von vornherein unzulässig ist“. In | |
Betracht komme nur eine Auslieferung wegen Veruntreuung öffentlicher | |
Gelder. Statt 30 Jahren Haft bei Rebellion drohen Puigdemont in Spanien nur | |
noch maximal 8 Jahre Haft. Deshalb nahm das OLG auch eine verminderte | |
Fluchtgefahr an. Es ordnete zwar Auslieferungshaft an, ermöglicht aber | |
Haftverschonung, falls Puigdemont 75.000 Euro Kaution hinterlegt. | |
Diese Entscheidung ist ausgewogen, gut begründet und könnte auch in Spanien | |
nachvollzogen werden. Denn auch unter vielen spanischen Juristen stieß der | |
Vorwurf der Rebellion auf Kritik: Schließlich hat Puigdemont immer | |
Gewaltfreiheit postuliert. Das OLG rechnete ihm nun zwar die Gewalt | |
katalonischer Demonstranten durchaus zu und folgte damit der spanischen | |
Argumentation im Ansatz. Allerdings sei das Ausmaß der Gewalt nicht | |
geeignet gewesen, so starken Druck auf die spanische Regierung auszuüben, | |
dass er ihren Willen hätte beugen können. | |
Das OLG nahm dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshof von 1983 | |
Bezug. Damals war der Frankfurter Startbahn West-Gegner Alexander Schubart | |
vom Vorwurf der Nötigung von Verfassungsorganen freigesprochen worden. Er | |
hatte im November 1981 aufgerufen, den Frankfurter Flughafen gewaltfrei | |
„dicht“ zu machen, worauf es erwartbar zu gewalttätigen | |
Auseinandersetzungen kam. Letztlich wurde Schubart nur wegen | |
Landfriedensbruch verurteilt, weil das Maß der Gewalt nicht geeignet war, | |
den Willen eines Verfassungsorgans zu beugen. | |
Überraschend an der aktuellen OLG-Entscheidung ist, dass die Richter das | |
Auslieferungsbegehren als „von vornherein“ unzulässig einstuften und nicht | |
einmal die eigentliche Zulässigkeit prüften. Von diplomatischer | |
Zurückhaltung gegenüber der spanischen Justiz ist an diesem Punkt nichts zu | |
spüren. Das zeigt aber auch, dass das Verfahren in Deutschland tatsächlich | |
nur nach den Regeln der Justiz und ohne politische Einflussnahme ablief. | |
Und nach den Regeln des Rechts ist es nicht zulässig, einen Menschen | |
unnötig lange in Haft zu halten, nur um auf Empflindlichkeiten im Ausland | |
Rücksicht zu nehmen. | |
Spannend wird nun allerdings noch die Prüfung des Untreue-Vorwurfs. Die | |
Schleswiger Richter verlangen von Spanien Belege dafür, dass der | |
Staatskasse überhaupt ein Schaden entstanden ist. Bisher wurde | |
offensichtlich noch nicht einmal dargelegt, dass die Kosten des | |
katalanischen Unabhängigkeitsreferendums wirklich aus der Staatskasse (und | |
nicht von privaten Unterstützern) bezahlt wurden. | |
Gut möglich, dass sich Spanien auf diese Prüfung aber auch gar nicht mehr | |
einlässt und den europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont erneut aussetzt. | |
So war Spanien im Dezember 2017 schon einmal verfahren, als sich in Belgien | |
abzeichnete, dass wohl nur eine Auslieferung wegen Untreue zugelassen wird. | |
Die Schleswiger Entscheidung ist so überzeugend, dass ihr wohl auch | |
Gerichte in anderen EU-Staaten folgen würden, falls Spanien später | |
andernorts erneut versuchen wird, die Auslieferung Puigdemonts zu | |
erzwingen. | |
6 Apr 2018 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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