Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nach OLG-Entscheidung zu Puigdemont: Baldige Entlassung ist möglich
> Nach der teilweisen Aussetzung des Auslieferungshaftbefehls könnte
> Puigdemont bald freikommen. Die spanische Regierung ist unzufrieden.
Bild: Carles Puigdemont im Januar 2018 in Brüssel
Schleswig/Neumünster dpa | Der katalanische Separatistenführer Carles
Puigdemont könnte an diesem Freitag aus dem Festhaltegewahrsam in
Schleswig-Holstein entlassen werden. Das Oberlandesgericht Schleswig hatte
am Donnerstag zwar einen Auslieferungshaftbefehl erlassen, ihn aber
[1][unter Auflagen ausgesetzt].
Zu den Auflagen der Haftverschonung gehört es unter anderem, eine Kaution
von 75.000 Euro zu hinterlegen. Puigdemonts deutscher Anwalt Till Dunckel
hatte der Deutschen Presse-Agentur gesagt, man wolle so schnell wie möglich
die Auflagen erfüllen, damit der 55-Jährige so schnell wie möglich aus der
Justizvollzugsanstalt Neumünster freigelassen werden könne.
Das Oberlandesgericht hatte den Auslieferungshaftbefehl nur wegen des
Vorwurfs der Untreue erlassen – den von der spanischen Justiz vorgebrachten
Hauptvorwurf der Rebellion verwarfen die Schleswiger Richter. Zudem hält
das Gericht zum Untreue-Vorwurf weitere Klärungen und mehr Informationen
für nötig.
Die spanische Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy reagierte mit
Bedauern. „Einige Justizentscheidungen gefallen uns besser, andere
weniger“, sagte Justizminister Rafael Catalá in einer ersten Reaktion in
Madrid. Justizentscheidungen seien aber zu akzeptieren. Über die
Möglichkeit eines Einspruchs müsse die deutsche Staatsanwaltschaft
entscheiden.
## Begeisterung bei vielen Katalanen
Von vielen Katalanen wurde die Nachricht aus Deutschland mit Begeisterung
aufgenommen, von größeren Kundgebungen wurde am Abend jedoch nichts
bekannt.
Für die Haftverschonung muss Puigdemont neben der Kautionszahlung vier
weitere Auflagen erfüllen: Er darf Deutschland nicht verlassen, muss jeden
Wechsel des Aufenthaltsorts mitteilen, sich einmal wöchentlich bei der
Polizei in Neumünster melden und hat Ladungen des Generalstaatsanwalts und
des Oberlandesgerichts zu folgen.
Das Gericht in Schleswig hatte in einer schriftlichen Mitteilung erklärt,
der 1. Senat des OLG sei der Auffassung, „dass sich hinsichtlich des
Vorwurfs der „Rebellion“ die Auslieferung als von vornherein unzulässig
erweist“. Der nach deutschem Recht in Betracht kommende Straftatbestand des
Hochverrats sei nicht erfüllt, weil Puigdemont zuzurechnende Gewalttaten in
Katalonien kein Ausmaß erreicht hätten, das den Willen der spanischen
Verfassungsorgane hätte beugen können.
Etwas anderes gelte für den Vorwurf der „Korruption“ in Form der Untreue.
Insoweit erweise sich die Auslieferung „nicht als von vornherein
unzulässig“, erklärte das OLG. Für diesen Punkt seien aber weitere
Klärungen und mehr Informationen nötig. Die spanischen Behörden werfen
Puigdemont als damaligem Regionalpräsidenten Kataloniens vor, das verbotene
Unabhängigkeitsreferendum habe 1,6 Millionen Euro öffentliche Gelder
gekostet.
Anhaltspunkte dafür, dass Puigdemont in Spanien politischer Verfolgung
ausgesetzt sein könnte, waren für den Senat nicht ersichtlich.
Puigdemonts Anwälte erklärten mit Bezug auf den Untreue-Vorwurf: „Wir
respektieren, dass das Gericht in dieser für das europäische
Demokratieverständnis richtungsweisenden Sache nicht über die Auslieferung
entscheiden möchte, ohne der spanischen Justiz noch ein weiteres Mal
Gelegenheit zu geben, den einzig noch in Betracht kommenden Vorwurf zu
belegen.“
## Rückfahrt von Skandinavienreise
Der ehemalige Regionalpräsident von Katalonien war [2][am 25. März] im
Gefängnis von Neumünster in Gewahrsam gekommen, nachdem er auf der
Rückfahrt von einer Skandinavienreise in Schleswig-Holstein festgenommen
worden war. Grundlage war ein Europäischer Haftbefehl. Die
Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein hatte das spanische
Auslieferungsersuchen für zulässig erachtet und beim Oberlandesgericht
einen Auslieferungshaftbefehl beantragt.
Hintergrund ist das von der Zentralregierung in Madrid untersagte und vom
spanischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig eingestufte Referendum
vom 1. Oktober 2017 über die Unabhängigkeit Kataloniens sowie ein
anschließender Abspaltungsbeschluss der Separatisten. Der Politiker war
angesichts des anschließenden massiven Vorgehens der spanischen Behörden
nach Belgien geflüchtet.
Die OLG-Entscheidung bedeutet für den Katalanen nach den Worten seines
spanischen Anwalts Jaume Alonso-Cuevillas einen „großen Erfolg“. Denn mit
dem Vorwurf der Rebellion drohten ihm in Spanien bis zu 30 Jahre Haft.
Sollte er am Ende des juristischen Verfahrens von Deutschland tatsächlich
nach Spanien ausgeliefert werden, dürfte er dort allenfalls noch wegen
Untreue angeklagt werden – weil Rebellion als Auslieferungsgrund abgelehnt
wurde.
6 Apr 2018
## LINKS
[1] /Entscheidung-des-Oberlandesgerichts/!5496617
[2] /Ex-Regionalpraesident-von-Katalonien/!5493715
## TAGS
Carles Puigdemont
Katalonien
Auslieferung
Haftbefehl
Spanien
Carles Puigdemont
Carles Puigdemont
Katalonien
Carles Puigdemont
Carles Puigdemont
## ARTIKEL ZUM THEMA
Tauziehen um Carles Puigdemont: Politikfrust und Langeweile
In Spaniens Hauptstadt Madrid stoßen die Entwicklungen im Fall des
ehemaligen katalanischen Regierungschefs auf geringes Interesse.
Kommentar Freilassung Puigdemonts: Keine Rücksicht auf Spanien
Das Oberlandesgericht Schleswig entlässt Carles Puigdemont aus der Haft.
Die Auslieferung wegen Rebellion hat es überzeugend abgelehnt.
Entscheidung des Oberlandesgerichts: Puigdemont unter Auflagen frei
Das Gericht erlässt zwar einen Auslieferungshaftbefehl, setzt den Vollzug
aber unter Auflagen aus. Dazu gehört unter anderem die Zahlung einer
Kaution.
Kataloniens Ex-Regionalpräsident: Bundesregierung ohne Ermessen
Carles Puigdemont muss auf die deutsche Justiz hoffen. Die Bundesregierung
hat keinen politischen Spielraum, seine Auslieferung zu stoppen.
Kommentar Auslieferung Puigdemonts: Konstruierter Haftbefehl
Puigdemonts Anwälte bezeichnen den europäischen Haftbefehl gegen ihn als
„Pfusch“. Die deutschen Richter werden sich auch darüber wundern.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.