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# taz.de -- Mehr Barrierefreiheit: Freie Bahn für Blinde
> Im Forum am Wall und in der Stadtbibliothek soll die Barrierefreiheit
> verbessert werden. Behindertenverbände, Stadt und Baufirma haben sich
> vorm Güterichter geeinigt.
Bild: Treppen unterlaufen ist voll 2015 – inzwischen dürfte man so wohl nich…
BREMEN taz | Streit ist nicht immer schlecht. Und doch hat auch eine
Einigung meist etwas Gutes: Nach einer Güteverhandlung der Stadt mit dem
Verein Selbstbestimmt Leben und der Baufirma des Forums am Wall muss der
Zugang zur Bibliothek verbessert werden.
Bald soll es dort endlich ein barrierefreies Blinden-Leitsystem mit
umfassender Wegführung, neuen Handläufen und taktilen Warnhinweisen auf
eine freischwebende Treppe geben, an der sich sehbeeinträchtigte Personen
bislang gewaltig den Kopf stoßen konnten.
Ein von der Baubehörde 2015 genehmigter Umbau durch einen privaten Investor
hatte dafür gesorgt, dass sich die Barrierefreiheit im Forum am Wall und
damit auch der Zugang zur Stadtbibliothek deutlich verschlechtert hatten.
Unterschiedlich breite und hohe Rampen, freistehende Metallstangen der
Treppenkonstruktion und asymmetrische Stufen sorgen seitdem dafür, dass es
Streit um dem Umbau gibt.
Der Verein Selbstbestimmt Leben hatte mit weiteren Vereinen nach
zahlreichen Beschwerden eine Verbandsklage gegen die Genehmigung der Stadt
eingereicht, die er nun im Gegenzug zu den Verbesserungen zurückzieht.
Warum nicht gleich so? Genau deswegen hätte der
Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück sich gerne weiter mit der
Stadt gestritten.
Steinbrück, ehemaliger Richter, findet es zwar gut, dass eine konkrete
Einigung erzielt wurde, welche die Situation vor der Stadtbibliothek
verbessert. Auf der anderen Seite sei es schade, dass die Klage damit vom
Tisch ist: „Der Jurist in mir hätte gerne eine Grundsatzentscheidung
gehabt.“ Noch immer ist er der Meinung, dass die Baubehörde 2015 keine
Genehmigung für die Umbauten hätte erteilen dürfen. Er würde die Behörde
gerne darauf festnageln.
Nur wenige Monate nach der Genehmigung hatte sich damals das Baurecht im
Sinne der Barrierefreiheit geändert. Aber auch schon damals hätte die Stadt
aus Sicht von Steinbrück einen Ermessensspielraum gehabt, weil es sich bei
der öffentlichen Bibliothek im privaten Wall-Forum um einen Sonderbau
handele.
So wäre es der Baubehörde gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention sehr
wohl möglich gewesen, strengere Auflagen zu erteilen – für ein
Blindenleitsystem und deutliche Stufenmarkierungen etwa. Die Baubehörde
hatte bis zuletzt bestritten, dass sie dazu rechtlich in der Lage gewesen
wäre.
Für künftige Bauvorhaben ist die Lage glücklicherweise klarer: Das Baurecht
ist mittlerweile mit Blick auf die Barrierefreiheit verbessert worden.
Hinzu komme, so hofft Steinbrück, ein Umdenken in den Ämtern: „Nach
Erhebung der Verbandsklage durch Betroffene wird das Problem nun in der
Baubehörde ernster genommen.“
Im Rahmen des Mediationsverfahrens haben Stadt, Baufirma und Selbstbestimmt
Leben neben den Maßnahmen für die Barrierefreiheit in einer gemeinsamen
Erklärung festgehalten, „dass zukünftig die Kommunikation in baurechtlichen
Genehmigungsverfahren im Hinblick auf die Barrierefreiheit verbessert
werden soll“ und Barrierefreiheit „institutionell besser abzusichern“ sei.
Konkretisieren kann dies die Behörde zwar nicht, beteuert aber, dass
künftige Projekte zeigen sollen, dass „Probleme besser gemeinsam erkannt
und gelöst werden“.
Selbstbestimmt Leben ist zufrieden mit dem Ergebnis, wie Wilhelm
Winkelmeyer sagt: „Wir haben etwas erreicht, ich habe aber auch Verständnis
für Steinbrücks Haltung.“
22 Mar 2018
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Barrierefreiheit
Öffentlicher Raum
Bremen
Leben mit Behinderung
Burkhard Lischka
Barrierefreiheit
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Bremen
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Behindertengleichstellungsgesetz
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