# taz.de -- Die Wahrheit: Alte Liebe Schwarz-Weiß-Blau | |
> Hineingeboren in eine HSV-Familie, geht es nicht anders: Nach 100 Jahren | |
> wird jetzt im Abstieg nicht ohne uns gelitten und gestorben. | |
Bild: Irre Träume: Gewisse Kölner Anhänger hegen sie in jeder Lebens- und Ta… | |
Mit zunehmendem Alter muss man häufiger auf Beerdigungen, als es der guten | |
Laune zuträglich ist, auch wenn man sich einen gewissen Stoizismus | |
antrainieren kann. Na, gestorben muss halt werden, sonst ist bald kein | |
Platz mehr in der Welt. So in dem Stil. | |
Kein Platz ist auch demnächst mehr in der ersten Bundesliga für den HSV, | |
dessen Mannschaft bemerkenswert emotionslos am eigenen Sarg herumhobelt. Da | |
konnte ich nicht länger wegbleiben. Lassen Sie mich durch, ich bin Arzt! | |
Meine Familie feiert den HSV seit fast 100 Jahren ab! Ich sage nur Tull | |
Harder! | |
Ich mache mir an sich gar nicht viel aus Fußball, aber ohne uns wird hier | |
nicht gestorben. Also auf ins Stadion, Heimspiel gegen Mainz, jene Stadt, | |
die wahrscheinlich noch nicht mal erfunden war, als wir schon kickten wie | |
die Weltmeister. Wo liegt überhaupt Mainz? Das müsste doch zu schaffen | |
sein. | |
Mein Opa hat den HSV noch auf dem alten Platz am Turmweg spielen sehen. Da | |
wurden inzwischen hässliche Wohnblocks draufgesetzt, vielleicht klappt das | |
nach dem Niedergang im Volksparkstadion auch – man ist ja schon dankbar | |
dafür, dass es wieder so heißt, und nicht mehr Inkontinenz-Arena oder so. | |
Mein Vater hätte mal beinahe Prügel bezogen, weil er nach einem Spiel | |
enttäuscht sagte: „Immer wenn ich hier bin, verlieren sie.“ Sein | |
Sitznachbar brüllte ihn an: „Dann bleiben Sie gefälligst zu Hause!“ | |
Das können wir aber nicht. Der Fan will leiden. Ich sage nur 0:6 gegen | |
Bayern, und das war noch nicht das schlimmste Ergebnis der Geschichte. Ein | |
Familienmitglied mit Dauerkarte brauchte nach jedem zweiten Spiel eine | |
Traumatherapie. Neffe und Nichte wurden nicht geschont und schon im | |
Grundschulalter von mir persönlich in T-Shirts des Loser-Vereins gesteckt. | |
Mein Sohn besaß Zahnbürsten, Trinkbecher, Federmappen und Lichterketten mit | |
dem Rautenlogo, von diversen Trikots ganz zu schweigen. Ich glaube, er | |
bekam das alles vom Weihnachtsmann. Wer sonst würde einen unschuldigen | |
Jungen mit so einem Schwachsinn traktieren? | |
Ich selbst wurde als Kind in die Leichtathletik-Abteilung des Verein | |
gesteckt und war stolz auf mein rotes Turnhöschen und darauf, mit den | |
Töchtern Uwe Seelers zu trainieren. Der Rest, dachte ich, würde sich schon | |
irgendwie von selbst ergeben. Das tat er auch: Meine Leistungen waren | |
denen der derzeitigen Liga-Mannschaft durchaus ebenbürtig. Als mir dann | |
noch eine Läuferin mit Spikes auf den Fuß trat – es war die Zeit der | |
Stoffturnschuhe –, fand meine Karriere ein jähes Ende. | |
Womit wir zurück ins Stadion schalten: Die Nordkurve benimmt sich | |
vorbildlich, ich nippe am alkoholfreien Bier, brülle enthusiastisch | |
„Hamburg, meine Perle!“, schwenke den Schal und werde Zeuge einer | |
Beerdigung in Schwarz-Weiß-Blau. Wird mich das nun endlich erlösen? Nein. | |
Glaube und Hoffnung sind schon vor dem Abpfiff gegangen, aber die Liebe, | |
die Liebe, sie hält auch über den Tod hinaus. | |
14 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Susanne Fischer | |
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