Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- HSV vor Fußball-Bundesliga-Abstieg: Kühnes kaputtes Konstrukt
> Der HSV steht vor dem Abstieg aus der Bundesliga, wieder einmal. Wie kam
> es dazu, dass der Klub zur Lachnummer geworden ist?
Bild: Die ominöse Papierkugel, die 2009 die Hamburger Krise einläutete
Hamburg taz | Mai 2009. Es läuft die 83. Minute des Uefa-Cup-Halbfinales
zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen. Der HSV liegt vor heimischer
Kulisse mit 1:2 zurück, braucht unbedingt noch ein Tor, um das Finale zu
erreichen. Verteidiger Michael Gravgaard will zu Torhüter Frank Rost
zurückspielen. Doch der Ball rutscht über eine von Zuschauern aufs
Spielfeld geworfene Papierkugel, springt Gravgaard ans Schienbein und von
da ins Tor-Aus – Ecke für Bremen. Bis dahin gilt der HSV beim Verteidigen
von Standardsituationen als besonders stark. Diesmal nicht. 1:3 – der HSV
scheidet aus. Der Niedergang beginnt – ausgelöst von einer Papierkugel. Man
kann das tragisch nennen.
Es ist nicht die einzige schmerzhafte Niederlage gegen den Rivalen von der
Weser. Innerhalb von drei Wochen treffen die Rivalen gleich viermal
aufeinander. Viermal müssen sich die Hamburger geschlagen geben. Bis dahin
träumte man in Hamburg von der Champions League, sogar die Meisterschaft
schien möglich. Vorbei: Der Abstand zum Meister VfL Wolfsburg beträgt am
Ende der Spielzeit acht Punkte. Acht Punkte!
Wenn man nach Gründen sucht, warum der Hamburger SV, Gründungsmitglied der
Bundesliga und noch niemals abgestiegen, in diesen Tagen schon wieder gegen
den Niedergang kämpfen muss, dann sind die Wochen der Niederlagen vor neun
Jahren der Schlüsselmoment. Was mit einer Papierkugel begann, könnte in den
ersten Abstieg der Hamburger münden. Nach der Niederlage am Samstag in
Frankfurt kann der Klub die Liga aus eigener Kraft nicht mehr halten. Wenn
der VfL Wolfsburg, bislang Drittletzter, nicht gar so grauenhaft spielen
würde in den letzten Wochen, niemand mehr in Hamburg würde sich für das
Bundesligafinale interessieren. So gibt es noch Hoffnung. Ein bisschen.
Vielleicht ist es doch noch nicht vorbei mit dem HSV. Vielleicht geht es
weiter in der Relegation gegen den Dritten der zweiten Liga. Vielleicht
müssen die HSV-Fans doch nicht trauern und sich fragen, wie alles anfing
mit dem Absturz ihres einst so stolzen Klubs.
Was nach dem Wurf des Papierkügelchens vor neun Jahren geschieht: Der
enttäuschende Verlauf der Saison und die verlorenen Derbys hinterlassen
tiefe Spuren. In der Folge kommt es zum Bruch des Erfolgsduos an der
Spitze: Bernd Hoffmann und Dietmar Beiersdorfer hatten den Verein innerhalb
weniger Jahre vom grauen Mittelfeld der Bundesliga in die Riege der 20
besten Klubs Europas geführt.
## Die Geschichte vom ungleichen Spitzenduo
Hoffmann hatte 2003 den Posten des Vorstandsvorsitzenden beim HSV
übernommen. Fortan feiert der Klub Jahr für Jahr Umsatzrekorde in
dreistelliger Millionenhöhe. Hoffmann, der zuvor für Sportfive
Übertragungsrechte für Sportereignisse vertickt hatte, ist nicht besonders
groß, das Haar ist inzwischen leicht ergraut und nicht mehr so voll wie bei
seinem Amtsantritt vor 15 Jahren. Dafür weiß er sich im Zusammenspiel mit
der Öffentlichkeit rhetorisch klar und professionell zu positionieren,
fängt aber auch schon mal an, unruhig zu zucken, wenn der Druck zu groß und
die Fragen zu kritisch werden.
Seine Art, den HSV nach den Prinzipien des modernen Marketings zu führen,
stößt bei den mächtigen Ultras und Fan-Organisationen von Beginn an auf
Widerstand. Die Fans, die in den Kurven die Stimmung machen, die
wirkmächtigen Choreograpfen organisieren, betrachten den Verein als ihren
Besitz. Die meisten von ihnen verstehen sich als Fußballromantiker, reden
von Treue und Freundschaft, wenn es um ihren Klub geht. Sie lehnen die
Kommerzialisierung des Fußballs ab und fürchten den Einfluss fremder
Geldgeber. Sie protestieren lautstark, als Hoffmann 2008 das
Investorenmodell „Anstoß hoch drei“ präsentiert, das bei der Finanzierung
neuer Spieler helfen soll.
Diese Anhänger, die man getrost als HSV-Extremisten bezeichnen kann, wollen
die sukzessive Aufgabe der Selbstbestimmung ihres Vereins verhindern. Im
Verein sollen die Mitglieder das Sagen haben, ihre Stimme soll mehr wert
sein als die Meinung eines Investors, auch wenn der noch so viel Geld
anschleppt. Die Fans, allesamt Mitglieder des Vereins, organisieren sich,
werden sportpolitisch aktiv. Auf den jährlich stattfindenden
Mitgliederversammlungen geben sie plötzlich Wahlempfehlungen ab und
entsenden Vertreter in den Aufsichtsrat, der Hoffmann im Zaum halten soll.
Auf diesen mitunter bis in die Morgenstunden dauernden Veranstaltungen ist
viel Langmut gefordert. Die Redner sind meist Männer in Anzügen mit Runzeln
im Gesicht, Falten und Altersflecken, die ihre Ausführungen nicht selten
mit der Dauer ihrer Mitgliedschaft einleiten, als wäre sie ein Merkmal für
Kompetenz und Weisheit. Doch nun gibt es auch Ultras in Kapuzenpullis, die
leicht alkoholisiert ins Mikrofon grölen und Hoffmann als einen Feind
betrachten, das ihren schönen Fußball kaputt machen will.
## Der Mann, der geliebt werden will
Dietmar Beiersdorfer, der andere Teil des Führungsduos, wiederum genießt
innerhalb der Fangemeinde Legendenstatus. Er ist als Sportdirektor für die
Kaderzusammenstellung verantwortlich und alles andere als ein eiskalt
kalkulierender Geschäftsmann. Dem ehemaligen Fußballer wird geglaubt, dass
er am HSV hängt. Der heute 54-Jährige ist ruhiger als der manchmal
hyperaktiv wirkende Hoffmann. Er spricht leise und langsam, manchmal wirkt
das ein wenig hypnotisch. Beiersdorfer ist kein Alpha-Tier und ein
Machtmensch schon gar nicht, sondern einer, der Gemeinschaft und Harmonie
sucht und in dessen Nähe man sich wohl fühlen kann. Seine anfänglichen
Erfolge bei der Verpflichtung neuer Spieler, darunter Rafael van der Vaart
und Jérôme Boateng, sowie die regelmäßige Qualifikation für den Europapokal
stimmen zunächst optimistisch. Als sich Beiersdorfer aber häufiger teure
Fehlgriffe erlaubt, die Nachwuchsarbeit kritisch hinterfragt wird und bei
der Auswahl von Trainern immer größere Differenzen entstehen, kommt es zum
Bruch mit Vorstandschef Hoffmann. Das Führungsteam zerbricht.
„Der Hauptgrund für die Eskalation war, dass bei allen Beteiligten nach den
Werder-Wochen die Nerven blank lagen: bei Trainer Martin Jol, bei Didi und
bei mir“, sagte Hoffmann damals. Dass die erfolgreichste Saison seit 1983
hinter dem HSV lag, nahm keiner der beiden mehr wahr. Stattdessen
diskutieren sie über Versäumnisse – und trennen sich im Streit. Sportchef
Beiersdorfer hatte seinem Vorstandskollegen systematische
Kompetenzüberschreitung vorgeworfen. Er stellt dem Aufsichtsrat die
Vertrauensfrage und verliert den Machtkampf. Sein Vertrag wird aufgelöst,
er muss gehen, Hoffmann aber darf bleiben.
Der Hamburger SV muss fortan ohne starken Sportchef auskommen.
Wunschkandidaten sagen kurzfristig ab. Die Lösung für das Vakuum löst der
Aufsichtsrat im Mai 2010, von Aktionismus gedrängt, mit einer
eigentümlichen Entscheidung: Er bestellt den bisherigen Praktikanten der
Presseabteilung Bastian Reinhardt, damals 35, einen mäßig begnadeten
Verteidiger, zum neuen Sportvorstand. Die Fans lechzen nach einer
Identifikationsfigur, Reinhardt wird nach sieben Jahren im HSV-Dress bei
seinem letzten Kurzeinsatz von der Kurve gefeiert und eignet sich nach
Auffassung der Kontrolleure als eine Art Übergangslösung. Eine, die es
öfter gibt in Hamburg. Ehemalige sollen es richten. Männer mit
HSV-Vergangenheit werden mit schwer nachvollziehbarer Regelmäßigkeit in für
sie nicht geeignete Positionen gedrängt. Schon viele Cheftrainer sind
dieser wackligen Konstellation zum Opfer gefallen. Sie alle wussten, dass
der HSV wie eine Windmühle funktioniert, in der zuallererst sie zermahlen
werden, wenn es stürmisch wird. Jedoch sind die Konditionen in Hamburg zu
lukrativ, als dass man einen Einsatz einfach ablehnen könnte.
Diplom-Kaufmann Hoffmann bleibt der starke Mann beim im Klub. Er wirkt mit
den vielen Baustellen und dem vereinspolitischen Druck zunehmend
überfordert. Er bemüht sich darum, das Image eines Top-Klubs
aufrechtzuerhalten. Dabei greift zu einem Mittel, das sich schon mehrfach
bewährt hat, um die stets aufgeregte Öffentlichkeit zu beruhigen. Hoffmann
verpflichtet mit Ruud van Nistelrooy einen Weltstar von Real Madrid. Der
sorgt kurzfristig für Euphorie, entpuppt sich aber mittelfristig als
Problemfall. Der HSV und sein Umfeld haben sich schleichend einer
Systematik unterworfen, bei der es nicht primär darum geht, ob eine
Maßnahme inhaltlich richtig ist, sondern wie sie sich mithilfe der Methoden
von Public Relations verkaufen lässt.
## Hoffmann muss gehen, aber es hilft nichts
Hoffmann gelingt es in den beiden Spielzeiten nach Beiersdorfers
Ausscheiden aber nicht, die Unruhe im Verein einzudämmen. Mitte März 2011
wird er durch den FDP-Politiker Carl-Edgar Jarchow und den
Marketing-Fachmann Joachim Hilke ersetzt, während der neue Sportvorstand
für die kommende Saison bereits verpflichtet ist und von einem
Transfervolumen von 20 Millionen Euro ausgeht. Doch Jarchow muss den
Nachwuchsdirektor des FC Chelsea, Frank Arnesen, schnell enttäuschen. Die
Finanzen des HSV sind zerrüttet, weil viele Einnahmen aus der Zukunft in
die Gegenwart und etliche Ausgaben nach hinten verschoben worden sind.
Der Däne muss Transfererlöse erzielen, statt in eine auseinanderfallende
Mannschaft investieren zu können. Aus Kostengründen lässt der HSV
gestandene Spieler wie Ze Roberto, Frank Rost oder Ruud van Nistelrooy
gehen und ersetzt sie dank des Netzwerkes von Arnesen überwiegend mit
jungen Talenten aus London. Ohne Geld eine konkurrenzfähige Mannschaft zu
formen ist eine Aufgabe, an der man durchaus scheitern kann. Und die
zwangsläufig in den ersten Abstiegskampf seit vielen Jahren führt. Arnesen
wird für die Transferpolitik kritisiert, verliert schnell an Reputation. Im
Sommer 2012 wird er regelrecht lächerlich gemacht. Klaus-Michael Kühne, der
Speditionsmilliardär, der einen Teil seines Geldes in den HSV investiert
hat, setzt öffentlichkeitswirksam die Verpflichtung von Rafael van der
Vaart durch – obwohl sich Arnesen explizit gegen den Holländer
ausgesprochen hat.
Um den inzwischen 29-jährigen van der Vaart in die Hansestadt zurückholen
zu können, übernimmt sich der HSV finanziell und treibt seine Verschuldung
weit in die Höhe. Der Aufsichtsrat steht der Einmischung Kühnes kritisch
gegenüber, entscheidet sich aber nicht dagegen, um der Stimmung in der
Stadt keinen Abbruch zu tun. Denn mit dem Niederländer ist Glamour in die
Stadt gekommen. Fans und Medien reiten auf der Welle der Begeisterung, die
Präsenz von Kamerateams und Fotografen ist bei öffentlichen Veranstaltungen
und Trainingseinheiten so groß wie noch nie. Sie haben wieder eine
schillernde Figur bekommen, einen Helden, der eine Verheißung auf bessere
Zeiten darstellt und zumindest in der ersten Saison funktioniert.
Der HSV schließt die Saison 2012/2013 auf dem siebten Tabellenplatz ab und
verpasst den Einzug ins europäische Geschäft nur knapp. Doch geblendet vom
Blitzlichtgewitter übersehen fast alle Vereinsverantwortlichen, dass dieser
van der Vaart seit seinem letzten Auftritt im Dress des HSV sieben Jahre
älter geworden ist und häufig auch sieben Kilogramm schwerer wirkt. Es ist
nicht der Sportler van der Vaart, der künftig die Schlagzeilen beherrscht –
es ist der Ehemann van der Vaart, dessen Scheidung von der Moderatorin
Sylvie vom Boulevard ausgeschlachtet wird und für mehr Aufregung sorgt als
seine stetig nachlassende Leistung auf dem Spielfeld.
## Noch ein Umbruch
Die Verantwortlichen des Klubs entscheiden sich nach der erfolgreichsten
Saison seit Jahren für einen erneuten Umbruch. Der ohnehin stark
angeschossene Sportchef Arnesen muss den Klub nach nur zwei Jahren
verlassen. Die inoffizielle Begründung: Mit einem Gehalt von 1,8 Millionen
Euro jährlich sei er zu teuer. Das befand übrigens derselbe Aufsichtsrat,
der ihm diesen Vertrag 2011 angeboten hatte. Auf einer
Mitgliederversammlung hagelt es an dieser Entscheidung Kritik. Es formiert
sich daraufhin eine Initiative, die sich „HSVPlus“ nennt und die
Profiabteilung in eine Aktiengesellschaft ausgliedern und vom Einfluss
irrationaler Entscheidungen eines als „Rat der Ahnungslosen“ gebrandmarkten
Gremiums befreien will. Einfache Fans, die sich bei Wahlen in einer
fünfminütigen Rede das Sakko ausziehen und im Retro-Trikot um Stimmen für
den Einzug ins oberste Kontrollgremium werben können, sollen den HSV nicht
mehr mitregieren dürfen.
Während die Reformer mit der Unterstützung einiger Vereinslegenden wie
Horst Hrubesch oder Thomas von Heesen außerhalb des Rasens große
Aufmerksamkeit auf sich ziehen, muss sich auf dem Feld eine Mannschaft
gegen den Abstieg wehren, die nicht nur von ständig wechselnden Trainern
und Managern zusammengestellt wird, sondern darüber hinaus nie genau weiß,
für welchen Weg ihr Arbeitgeber eigentlich stehen will. Sieht man sich als
europäischen Spitzenklub im Wartestand oder als kriselnden Verein, den es
erst einmal zu konsolidieren gilt? Der HSV schlittert Jahr für Jahr von
einem Umbruch in den nächsten. Es ist vermessen, von jungen Fußballern
volle Konzentration, Identifikation und Loyalität einzufordern, wenn der
Verein diese Werte in keiner Weise vorlebt. Und deshalb ist es kein Wunder,
dass Spieler ihr Potenzial nicht abrufen können und in Hamburg tendenziell
schlechter als besser werden.
Nur: Wer soll all diese Dinge in Anbetracht einer Art
außerparlamentarischen Regierung, die sich der finanziellen Hilfe des
Geldgebers Kühne hingegeben hat, managen? Der überschuldete Klub hat sich
dem reichen Gönner regelrecht ausgeliefert. Wichtige Entscheidungen werden
nicht mehr in der Geschäftsstelle getroffen, sondern von Kühne. Der HSV
führt fahrlässig und ohne Rücksicht auf den sportlichen Absturz eine
erbitterte Debatte über die passende Rechtsform und geeignete Strukturen.
Am Ende der Saison 2013/14 geht es irgendwie noch einmal gut. Die Hamburger
bleiben in der Liga. Im Relegationsduell gegen Karlsruhe setzen sie sich
dank der Auswärtstorregel durch. Knapper kann man die Klasse nicht halten.
Danach kündigt der HSV wieder einmal einen Neuanfang an. Dieses Mal soll ab
dem Sommer 2014 alles anders werden.
Der neue Heilsbringer ist ein alter Bekannter: Dietmar Beiersdorfer wird
Vorstandsvorsitzender, obwohl er sich diese Rolle lange Zeit nicht
zugetraut hat und eine Zusammenarbeit mit dem Marketingchef Joachim Hilke
ablehnt, der intern wiederum als Intrigant gilt, aber über beste
Beziehungen zu Investor Kühne verfügt.
Wer in dem Konstrukt HSV überleben will, muss sich fortan gut stellen mit
dem Milliardär. Kühne soll Unterstützer sein und Aktien an der HSV Fußball
AG erwerben, handelt aber mitten in der Transferphase den Unternehmenswert
von 400 auf 250 Millionen herunter und gewährt der neuen Führung erst spät
die versprochene Starthilfe. Die Liebe des heute 80-Jährigen zu seinem
Herzensklub erfährt beim Thema Geld ihre natürliche Grenze und macht eine
konstruktive Zusammenarbeit kompliziert.
## Beiersdorfer versucht's noch einmal
Beiersdorfer versucht entgegen den Leitsätzen der Revoluzzer, die ein
solides Wirtschaften und eine smarte Transferpolitik einfordern, die
Mannschaft mit viel Geld, für HSV-Verhältnisse zu viel Geld,
konkurrenzfähig zu machen und die Talfahrt zu stoppen. Ein Vorhaben, das
aufgrund eklatanter Fehleinschätzungen in die nächste Relegation mündet und
jegliche Versprechen ad absurdum führt. Beiersdorfer gilt als zu
durchsetzungsschwach und nicht konsequent genug für die Position des
Sportchefs, darf diese aber trotzdem zweieinhalb Jahre lang bekleiden, weil
er vom Image des lieben, empathischen und authentischen Klubbosses lebt.
Als nicht mehr zu übersehen ist, dass er überfordert ist, muss er dann doch
gehen.
Als der erfahrene Heribert Bruchhagen schließlich im Winter 2017 das Erbe
Beiersdorfers antritt, ist es für Korrekturversuche zu spät. Investor Kühne
hat sich mit dem Spielerberater Volker Struth und dem ihm nahestehenden
Trainer Markus Gisdol eine Allianz aufgebaut, mit der er die große
Abhängigkeit des HSV zur Einflussnahme ausnutzen kann. Er kann Bedingungen
diktieren und Bruchhagen erpressen, weil er weiß, dass seine Hilfe bei der
Erteilung einer Lizenz durch die Deutsche Fußball-Liga gebraucht wird. Der
HSV ist überschuldet und ist nur noch durch das Geld von Kühne am Leben
gehalten. Stellt der die Zahlungen ein, ist der Klub pleite und die Liga
könnte die Lizenz nicht mehr erteilen. Bruchhagen muss machtlos zusehen,
wie Kühne, Struth und Gisdol einen Spielerkader zusammenstellen, der in der
ablaufenden Saison beinahe ungebremst in Richtung Zweitklassigkeit
abstürzt. Wieder einmal ist Rettung gefordert.
Für die muss ein alter Bekannter herhalten. Mit der Wahl Bernd Hoffmanns
zum Präsidenten der Amateur- und Breitensportler im Februar 2018 und seinem
Aufstieg zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats haben sich die Mitglieder zum
zigsten Mal für eine Revolution und einen Neuanfang entschieden, nachdem
der Verlauf der Saison wenig Hoffnung auf den Klassenerhalt macht. Bis
Christian Titz als Trainer die Mannschaft übernimmt, ein Mann, der als
Fußballtrainer kaum Erfahrung hat auf diesem Niveau. Immerhin ist er so
mutig, den HSV so spielen zu lassen, dass man es als Fußball bezeichnen
kann. Mit ihm hat der Klub zehn Punkte aus den letzten sechs Spielen geholt
und den Abstand auf den Relegationsplatz verkürzt. Wenn es dem HSV gelingt,
sich am letzten Spieltag mit einem Sieg gegen Mönchengladbach in die
Relegation zu retten, dann ist das Titz zu verdanken. Gerettet ist der HSV
dann allerdings noch lange nicht.
11 May 2018
## AUTOREN
Daniel Jovanov
## TAGS
Lesestück Recherche und Reportage
Fußball
Fußball-Bundesliga
Fußball-Bundesliga
1. Bundesliga
HSV
Werder Bremen
Fußball
Klaus-Michael Kühne
Klaus-Michael Kühne
Fußball
Fußball-Bundesliga
FC Bayern München
50+1-Regel
Fußball-Bundesliga
Fußball
HSV
Familie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Petition auf Change.org: „The real DFB-Pokalfinale“
Dusel-Bayern-München gegen Brause-RB-Leipzig? Nö. Eine Petition fordert,
das Nordderby zwischen Werder Bremen und dem HSV aufzuwerten.
Pro & Contra Auswärtstorregel: Der Treffer auf dem fremden Platz
Die Uefa diskutiert, ob bei Gleichstand in Wettbewerben weiterhin das Team
mit den meisten Auswärtstoren gewinnen soll. Eine Debatte.
Machtkampf beim Hamburger SV: Vorstandschef vs. Geldgeber
Der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne will vom Hamburger Sportverein
Geld zurück, weil Vorstandschef Bernd Hoffmann ihm eine Sperrminorität
vorenthält.
Projekt Wiederaufstieg in die erste Liga: Hamburger SV in der Zwickmühle
Der HSV kann finanziell nur ein Jahr in der zweiten Liga verkraften. Aber
woher soll das Geld kommen, um den sofortigen Wiederaufstieg in die 1. Liga
zu schaffen?
Die sportliche Zukunft Hamburgs: Der Abstieg
So oft sah es danach aus, immer geschah am Ende ein Wunder. Diese Saison
nicht mehr: Der HSV steigt ab und spielt nicht mehr in der
Fußball-Bundesliga mit. Na und?
Kolumne Pressschlag: Mein erster Abstieg
Einst war er ein großer Verein, nun geht es in die 2. Liga. Aufstieg und
Fall des Hamburger SV – und was das alles mit unserem Autor zu tun hat.
Saisonende der Fußball-Bundesliga: Stadionuhr steigt ab
Für den HSV geht es in die zweite Liga. Wolfsburg muss in die Relegation.
Hoffenheim und Dortmund erreichen die Champions League. Und es fielen viele
Tore.
Ende der Fußball-Bundesliga-Saison: Das war's. War's das?
Die Saison ist vorbei, alles ist wie immer: Bayern oben, HSV unten. Doch es
gibt Neues: Drei Thesen zum Ende der Spielzeit.
Ex-Kapitän Hönig über den Hamburger SV: „Mir geht das sehr nah“
Falls der HSV die Relegation der Fußball-Bundesliga erreichen sollte,
treffen die Hamburger dort auf Holstein Kiel. Bubi Hönig hat in den
60er-Jahren beide Klubs geprägt.
HSV im Bundesliga-Abstiegskampf: Ein Aussortierter lässt hoffen
Selbst viele HSV-Fans vertreten die Auffassung, dass nur ein Abstieg die
Negativspirale der vergangenen Jahre durchbrechen könnte. Doch plötzlich
gewinnt der HSV.
Kolumne Press-Schlag: „Im Camp der letzten Hoffnung“
Ostern ist das Fest der Hoffnung, der Hamburger SV der Verein der Hoffnung.
Aus aktuellem Anlass also ein Rückblick auf die bisherige Saison.
Die Wahrheit: Alte Liebe Schwarz-Weiß-Blau
Hineingeboren in eine HSV-Familie, geht es nicht anders: Nach 100 Jahren
wird jetzt im Abstieg nicht ohne uns gelitten und gestorben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.