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# taz.de -- Wahre Liebe von Fußballfans: Fußball muss romantisch sein
> Es macht unglücklich, immer Meister werden zu wollen. Stilvoll verlieren
> zu können, ist besser. So wird man am schönsten mit seinem Verein alt.
Bild: Irre Träume: Gewisse Kölner Anhänger hegen sie in jeder Lebens- und Ta…
Das ist doch nett vom Fußball, dass [1][die beiden Klubs aus den großen
Karnevalsstädten] schon nach drei Spieltagen mitten im Abstiegskampf
stecken und deren Anhängern nun trotz der bald beginnenden, aber weitgehend
ausfallenden Jeckenzeit viel Beschäftigung und Aufregung haben werden und
nicht mal auf Kopfweh nicht verzichten müssen. Na gut, und die diesem
königsblauen Klub Zugeneigten auch – wofür die entschädigt werden, weiß m…
allerdings noch nicht genau.
Der Rest kann sich derweil auf eine der üblichen Spielzeiten einrichten, in
denen eigentlich nichts weiter passiert, als dass [2][Bayern Meister] wird
und alle anderen nicht, außer es handelt sich um eine der Saisons (oder
Saisonnen, was sich eigentlich viel hübscher anhört), in denen mal ganz wer
Unvermutetes Bundesligagewinner wird, aber damit warten wir, bis der MSV
Duisburg wieder ganz oben mitspielen darf. (Höhö, das glaubt die ja wohl
selber nicht, dass die Zebras das mal schaffen – richtig.)
Dafür glaubt sie fest daran, dass im Fußball alles immer so kommt, wie man
es nun grad gar nicht gebrauchen kann. Das ist schlecht, wenn man gern auch
mal freudetrunken durch eine Innenstadt torkeln möchte, und, angetan mit
einem objektiv sehr unkleidsamem Vereinstrikot, laut schlecht gereimte
Lieder singen möchte, deren Refrain aus dem stakkatoartig vorgetragenen
Wort „Meister“ besteht.
Abgesehen davon, dass die Zeiten nicht so sind, dass man seine womöglich
hochinfektiösen Spucketröpfchen wahllos auf Unbeteiligten verteilen sollte,
ist Meisterwerden aber sowieso nicht das, was man vorrangig beim Fußball
lernen kann oder lernen sollte. Stilvoll verlieren schon eher. Zumal
anderen Leuten wegen dreier verlorener Punkte nicht auf die Nerven zu
gehen, nun auch nichts ist, was zu lernen Jahre dauert.
## Nie gewinnen wollen
Jedenfalls ist das ständige Gewinnenwollen aus einem ganz anderen Grund
sehr schade: Weil diese Leute den allerschönsten Moment im Leben eines
Fußballfans nicht kennen und womöglich auch nie kennenlernen werden,
nämlich den, in dem einem klar wird, dass der Verein, den man mag, niemals
Meister werden und gleich doppelt niemals Champions-League-Gewinner oder
(abgesehen von Spielen gegen den örtlichen Lokalmatadoren im
Trainingslager) in irgendeinem Ausland international spielen wird.
Dieser glückliche Moment ist dann erreicht, wenn man die allerneuesten
Pläne und Ideen aus dem Management seines Lieblingsklubs liest, mit denen
diesmal aber wirklich große Ziele erreicht werden sollen, und wenn mann
weder begeistert noch kritisch reagiert, sondern sich denkt: „Schön, dass
es dich gibt, aber du kannst auch ruhig die Klappe halten und wir haben es
bloß einfach so nett miteinander.“
Wenn der Verein in diesem Moment auf einer Bank neben einem säße, würde man
ihn dann anschauen [3][wie einen Menschen, den man schon sehr lange liebt],
aber über dessen Unzulänglichkeiten man sich nach all den Jahren keinerlei
Illusionen mehr macht. Und dann würde man zugleich ein bisschen weinen,
weil es doch so schwer zu ertragen ist, dass er immer noch Dinge
verspricht, von denen man weiß, dass er sie nicht halten kann, und
gleichzeitig würde man ein wenig lächeln, weil es zwar herzzerreißend, aber
auch sehr schön ist, dass er nicht aufgibt und immer noch träumen kann.
Und dann würde man ihm über den Arm oder übers Haar streichen und sagen:
„Ja, das wird bestimmt wunderbar.“ Doch keinesfalls würde man zuhören, we…
man sonst zu traurig werden würde. Nicht über die unerfüllten Träume,
natürlich, sondern darüber, dass man nicht bloß nett zusammen dasitzen und
alt werden kann, weil dieser Blödmannsverein offenkundig glaubt, einfach er
selbst zu sein, genüge nicht.
5 Oct 2020
## LINKS
[1] /Spielerstreik-beim-1-FSV-Mainz-05/!5714333
[2] /Reformbedarf-in-der-Liga/!5691707
[3] /Kolumne-Press-Schlag/!5456822
## AUTOREN
Elke Wittich
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