# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Ein bisschen Liebe, ein bisschen Ego | |
> Voll neurotisch: Wäre der Verein ein Mensch, man würde ihn nicht lieben | |
> wollen. Aber alle Beteiligten machen ja freiwillig mit. | |
Bild: Innige, heiße Liebe | |
Köln und Werder steigen ab, in die Relegation muss, natürlich, der HSV und | |
Bayern wird Meister – eigentlich könnte die Samstagabendtabelle des zehnten | |
Spieltags durchaus der Stand der Fußballdinge am 12. Mai 2018 sein. Und | |
deswegen kommen wir nun zu einem ganz anderen Thema, nämlich zur Liebe. | |
Beziehungsweise zu dem, was Fußballfans unter Liebe verstehen. | |
Während nicht wirklich klar ist, was genau sie an ihrem Klub lieben – vom | |
Vereinsvornamen über das Personal bis hin zur Spielstätte ist schließlich | |
alles austauschbar –, steht eines immerhin fest: Die ewige Treue, die | |
Menschen einander so gern schwören, gibt es im Fußball tatsächlich, und sie | |
dauert in aller Regel wirklich ewig, also so lange, bis entweder der Fan | |
oder sein Verein gestorben sind. Das ist natürlich ziemlich praktisch, denn | |
es muss sich keiner Sorgen machen, dass etwa der BVB eines Tages wegen | |
Schalke verlassen werden könnte. | |
Andererseits ist die Liebe des Fans zum Verein nichts, was man im | |
wirklichen Leben durchmachen möchte. Denn das, was Intimität und Zuneigung | |
zwischen Menschen ausmacht, kommt in der Beziehung zum Fußballclub | |
definitiv nicht vor, nämlich das Verhalten in schlechten Zeiten: Kein | |
großzügiges Lächeln über kleine Fehler und lästige Angewohnheiten, weil man | |
weiß, wie sehr man gerade sie vermissen würde, wenn der andere plötzlich | |
nicht mehr da wäre. Kein Verständnis für überraschendes oder vorhersehbares | |
Versagen, kein Trost in Phasen des Einfach-nicht-mehr-Könnens. Und schon | |
gar kein Damit-leben-Können, dass der andere eben so ist, wie er ist, und | |
man ihn ganz sicher nicht nach den eigenen Vorstellungen umformen kann. | |
Im Gegenteil: Tut der Verein nicht das, was von ihm erwartet wird, wird er | |
beziehungsweise werden seine Angestellten angemeckert und ausgebuht und | |
öffentlich verhöhnt und manchmal sogar bedroht oder sogar verhauen. Und das | |
von Leuten, die sich dabei auch noch im Recht fühlen, denn schließlich | |
lieben sie ihn ja, wie sie gern mit vor Empörung zitternder Stimme sagen. | |
Und ihre Schuld sei es ja nun wirklich nicht, wenn der Angeschmachtete sich | |
nicht so verhält, wie sie sich das vorgestellt haben, also zum Beispiel im | |
Fall von RB Leipzig nicht bei den Bayern gewonnen hat und deswegen auch | |
kein Fast-Tabellenführer wurde. | |
## Singen, klatschen, kaufen | |
Insgesamt hört sich das eher nach verrücktem Stalker als nach wirklich | |
Liebendem an. Aber wir sind noch nicht ganz fertig, denn umgekehrt ist der | |
Verein in puncto Liebe ebenfalls nichts weniger als ein mieser, | |
egozentrischer Tyrann. Denn er lässt sich nur von solchen Leuten | |
bereitwillig verehren, die genau das tun, was er will, also sich im Stadion | |
und drumherum gut verhalten und dazu, ohne zu meckern, andauernd den ganzen | |
Klumpatsch mit Logo drauf, den er beständig und in immer neuen Versionen | |
billig produzieren lässt, kaufen. Und natürlich genießt der Klub es, | |
besungen und beklatscht und bejubelt zu werden, aber das gemeinsame Leben | |
mitbestimmen darf der Fan auf gar keinen Fall. | |
Um es kurz zu machen: Wäre der Verein ein Mensch, man würde ihn nicht | |
lieben wollen. Aber immerhin, alle Beteiligten haben sich diese Beziehung | |
freiwillig ausgesucht. Gut, manche, also im vorliegenden Fall die | |
Bayern-Anhänger, sind in ihrer glücklicher als die anderen, zumal sie im | |
Prinzip jetzt mit Jupp Heynckes doch schon wieder die große | |
Meisterschaftsfeier planen können. Und andere sind, nennen wir es | |
zurückhaltend: not amused, allerdings ist man zum Beispiel beim 1. FC Köln | |
und beim HSV durchaus viel Elend gewohnt und eine gewisse Verlässlichkeit | |
ist ja auch was Schönes. | |
Hinzu kommt, dass das alles ja auch wirklich ewig dauert. Viel Zeit also, | |
an der Liebe zu arbeiten. Und Devotionalien zu kaufen. Oder vielleicht doch | |
mal zu gucken, ob es nicht noch etwas anderes gibt, das man lieben könnte. | |
29 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Elke Wittich | |
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