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# taz.de -- Fußball-Bundesliga: Immer der gleiche Trott
> Warum Bundesligaclubs aus dem ewigen Mittelfeld der Meisterentscheidung
> keinen Bock mehr haben – und wie sie sich neu aufstellen könnten.
Bild: Ästhetik der Mittelmäßigkeit: MSV-Duisburg-Spieler im Gespräch
Vielleicht noch einmal ganz von vorn anfangen. Sich völlig neu erfinden.
Einen Schritt ins Ungewisse wagen, statt im immer gleichen Trott zu
verharren und jetzt schon zu wissen, was man im nächsten Jahr, am Samstag,
dem 14. Mai 2022, tun wird, nämlich: Man wird wieder einmal nicht die
eigene Bundesligameisterschaft feiern.
Sondern, natürlich, wieder zugucken müssen, wie das Personal von diesem
Verein aus München die, wenn man es recht bedenkt, doch ziemlich langweilig
aussehende Schale, der optisch ein bisschen mehr Bling-Bling nur gut tun
würde, in die Höhe hält. Und erneut ein Gratulationsschreiben verfassen
müssen! Was allein das immer für eine Zumutung ist, ahnt ja auch kaum
jemand. Aufrichtig beglückwünschen, ohne dabei neidisch zu klingen, das ist
natürlich kein Problem, wenn den Titel ein netter kleiner Verein, der nur
selten auf der Sonnenseite des Fußballlebens stand, holen würde, also zum
Beispiel der [1][MSV Duisburg].
Aber was schreibt man, wenn man beim letzten und beim vorletzten Mal schon
alles gesagt hat? Auszuschließen ist es ja nicht, dass man sich in der
Münchner Vorstandsetage gegenseitig besonders ungelungene Gratulationen
laut vorliest. Also, besser vorsichtig sein, sonst bekommt man deren
überzähligen Stürmer womöglich nicht, was schade wäre, allein schon, weil
neue Gesichter für Abwechslung sorgen. Und wer weiß, ob beim FC Bayern
nicht sogar jemand eigens dafür angestellt wurde, die archivierten
Schreiben akribisch auf Plagiate zu untersuchen. Geld genug haben sie ja.
Oh, da steht natürlich prompt auch schon wieder der Dingens vom Fernsehen
und will, dass wir was zum Titelgewinn von diesen Leuten sagen, wie oft
denn noch?
## Vielleicht einfach absteigen und wieder aufsteigen?
Also ganz ehrlich, Resilienz hin oder her, das kann doch nun nicht ewig so
weitergehen. Klar, kann es natürlich schon, und es gibt selbstverständlich
Schlimmeres als ein Leben im Mittelfeld, gut, und hin und wieder vielleicht
mal abzusteigen oder mal an Europa zu kratzen, aber erfüllend ist das
nicht. Das kann doch nicht alles sein, einmal im Jahr nach München fahren,
sich eine Klatsche abholen, und dann wieder zurück, ohne Punkte, was das
allein für die Umwelt bedeutet. Und für die Psyche, ist ja auch ganz
wichtig.
Aber vielleicht ist es auch noch nicht zu spät für ein Leben voller
Glücksstrahlen und Freudentaumeleien. Oder wenigstens eines ohne diese
unendliche Langeweile. Allein schon mal nie samstags frei zu haben, oder
jedenfalls meistens nicht. Nix ist es damit, dann schön im Biergarten zu
sitzen und sich mal was anderes anzuhören als immer nur Punkte, Geld,
Wehwehchen und „Ich konnte nicht zum Training kommen, weil der Hund meine
Fußballschuhe gefressen hat“ – macht sich ja niemand einen Begriff davon,
was Profis einem den ganzen Tag über so erzählen.
Ausbrechen. [2][Den Traum leben]. Sich selbst überraschen, andererseits,
was hat ein mittelmäßiger Fußballverein noch groß für Chancen? Allein schon
diese hässlichen Vereinsfarben, und dann sind die auch noch überall, und
wehe, man hat mal beim Einkaufen im Winter vergessen, den Fanschal
anzuziehen und lieber was Wärmendes in einem hübschen Anthrazit umgelegt.
Die halbe Stehtribüne ist dann wieder wochenlang beleidigt, und statt
montags gemütlich bisschen am Computer spielen, muss man raus in irgendein
Clubheim und sagen, dass man ja, doch, ganz bestimmt diesmal echt Meister
wird.
Neu durchstarten. Handballverein sein wäre sicher schön, vor allem, wenn
mal jemand einen Weg findet, das enervierende Sohlengequietsche auf dem
Spielfeld abzustellen. Oder was mit E-Sports, hätte auch den Vorteil, dass
man hübsch zu Hause sitzen kann. Oder Schwimmclub, müsste man halt das
Stadion umbauen, aber ginge sicher auch.
Vielleicht noch einmal ganz von vorn anfangen. Vielleicht.
9 May 2021
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## AUTOREN
Elke Wittich
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