# taz.de -- Die Wahrheit: Die Rache der Griechen | |
> Wer in jungen Jahren Richtung Retsina nach Griechenland reiste, der wird | |
> auch 35 Jahre später zumindest vor Ort nicht enttäuscht. | |
Rigas Fereos war ein griechischer Freiheitsheld. Ich war 17 und liebte ihn. | |
Zu Hause gab es Schweinebraten und Pfannkuchen. Im „Rigas Fereos“ servierte | |
man Moussaka und Retsina, für mich von nun an die griechischen | |
Zwillingsmädchen des Vertrauens. Es war ein Kellerlokal am Rande von St. | |
Pauli, und ich lebte in einem Hamburger Viertel, das weder über | |
Kellerlokale noch überhaupt über irgendwas verfügte, was nicht Bügelfalten | |
hatte und überaus ordentlich gefegt und geputzt war. Meine erste Begegnung | |
mit Auberginen und Knoblauch – ein echter Kulturschock. Wir | |
Wirtschaftswunderkinder hatten ja nichts. | |
Mir war klar, ich musste nach Griechenland, denn dort residierten Freiheit | |
und Leben. Mit wenig Geld und einem Interrailticket erlangte ich rasch die | |
Freiheit, auf jugoslawischen Bahnhöfen und an griechischen Stränden zu | |
nächtigen. Der jugoslawische Sozialismus gefiel mir gut, denn er besaß ein | |
Mittelmeer, laue Nächte und Ćevapčići, und das alles war in meiner | |
norddeutschen Gymnasiastinnen-Existenz bisher nicht vorgekommen. | |
Später kampierten wir zwei Tage lang zwischen salonikischen Erdbebenopfern | |
auf einem Parkplatz unter freiem Himmel und fanden nichts dabei. Das | |
Erdbeben lag schon einen Monat zurück, aber die Einwohner hatten immer noch | |
Angst vor erneuten Beben. Lustig! Und so praktisch, denn sonst hätten wir | |
bestimmt nicht mitten in der Stadt unsern Schlafsack ausrollen können. | |
Wir spürten keine Angst, denn wir waren jung und hatten kein Hirn. Das wird | |
in der EU ja erst später ausgegeben; macht aber nichts, zum Amüsieren | |
braucht man es nicht unbedingt. Übrigens wurde auch die EU erst später | |
erfunden, und Griechenland gehörte sowieso noch nicht dazu. | |
Es war das fremdeste Land, das ich mir denken konnte, der reine Balkan, und | |
ich war irgendwie doch froh, als ein D-Zug mich nach vier Wochen unversehrt | |
und nur leicht angeschmutzt wieder zu meinen Hanseaten brachte. | |
Die nächsten 35 Jahre reiste ich nicht mehr nach Griechenland; | |
wahrscheinlich habe ich mich meiner Naivität geschämt. Erst als Angela | |
Merkel das Land so richtig knebelte, kehrte ich zurück in der versponnenen | |
Idee, dass die Griechen nun an mir Rache nehmen dürften für den deutschen | |
Wahn, sie stets entweder für geniale Lebenskünstler oder für faule | |
Totalversager zu halten. Der Grieche als solcher aber servierte mir dann | |
lieber frittierte Zucchiniblüten und Mythos-Bier an einem 1a-Mittelmeer | |
und beschämte mich Kartoffel weiterhin durch unbeirrbare Freundlichkeit. | |
Rache nahm er schließlich in einem Lokal in Deutschland. Beschwingt | |
bestellte ich, Wahlgriechin unter Exil-Griechen, das authentische | |
Kennenlern-Menü, alles schmeckte bestens. Erst nachts brach ich unter der | |
Last der fremden Kultur zusammen. Das Klo der Griechen mit der Seele | |
suchend schwor ich allen weiteren Völkerstereotypen für immer ab. | |
11 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Susanne Fischer | |
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