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# taz.de -- Die Wahrheit: Mehr heimische Erreger
> Der designierte Gesundheitsminister Jens Spahn ist ein besonderer
> Patient. Bereits seine Kinderkrankheiten ließ er mit erzkonservativen
> Therapien kurieren.
Bild: Gerade bei Verhandlungen gilt der neue Gesundheitsminister Spahn als beso…
Die Nachricht durchzuckte Deutschland wie eine nahezu letale Schock- oder
Grippewelle: Der neue Gesundheitsminister der Union heißt Jens Spahn.
Entsetzlich genug! Doch ist diese Personalie wenigstens für irgendwen
gesund? Auf den ersten Blick gewiss nicht. Entgegen einem landläufigen
Vorurteil scheren sich Gesundheitsminister überhaupt nicht um Gesundheit.
Im Gegenteil: Sie kümmern sich nach Leibeskräften um Krankheit, Siechtum,
Tod, um Hospitäler, Seuchen und Fallpauschalen – nichts kann ihnen krank
und morbide genug sein. Insofern stellt die Berufung Jens Spahns ins
künftige Bundeskabinett eine Idealbesetzung allerersten Kalibers dar.
Keiner ist den gruseligen Anforderungen des Amts so gewachsen wie der
riesige, leblose Mann mit der Bestatterbrille und der Mimik einer frisch
exhumierten Moorleiche.
Damit ist der 37-Jährige, der sich zuletzt als Finanzstaatssekretär um
notleidende Banken und faule Kredite verdient machte, endlich an seinem
Bestimmungsort angelangt. Schon immer redete Spahn gern und detailverliebt
über Krankheiten, am liebsten über die anderer Leute. In seiner Partei
wurde er dadurch zum Ansprechpartner für alle Belange rund um die
Zipperlein und Wehwehchen, die ihre greisen Mitglieder quälen. Mit
unstillbarer Neugier erstritt er sich seinen Ruf als Krankheitsfachmann und
erwarb sich mit seinem offenen Ohr in puncto offenes Bein auch die Gunst
Angela Merkels. Aus Dank beförderte ihn die Kanzlerin auf den Posten, an
dem er seine Leidenschaft für Unwohlsein und Gebrechen nun ausleben kann,
vielleicht bis zum Erbrechen.
Bereits seine Herkunft prädestinierte Spahn zum Krankheitsexperten, ja zum
Krankheitsguru unter den nationalen Klinik- und Komakoryphäen. Geboren und
aufgewachsen im nördlichen Westmünsterland, einer der kränksten und
katholischsten Gegenden des Landes, in der es oft wochenlang ohne Unterlass
regnet und die Kinder reihenweise von Schnupfen hingerafft werden, setzte
sich der junge Spahn dank seines hervorragenden Immunsystems gegen alle
Erreger und die meisten seiner Mitschüler durch. Ob er dabei von seinen
zähen Genen profitierte, von seinem allzeit festen Glauben oder von der
Eröffnung des nahegelegenen Atommüllzwischenlagers Ahaus – die schier
übermenschlich erscheinende Überlebensfähigkeit und Durchsetzungskraft des
Jens Spahn hat in dieser ländlichen Heimat ihre unschönen Wurzeln.
## Ansteckendes Gelächter
Kein Wunder, dass der mit krankhaftem Ehrgeiz infizierte Jungkonservative
der Heimat die Stange hält; ebenfalls kein Wunder, dass die Pharmabranche
früh auf das Krankheitstalent aufmerksam wird. Nach Banklehre und erstem
Job im Immobiliengewerbe rutscht Spahn als Abgeordneter in den Bundestag
und beginnt sofort seine Nebentätigkeit für einen Pharmakonzern – als
Versuchsperson bei Arzneimitteltests, die er als originärer Streber
allesamt besteht. Ehemalige Kollegen erinnern sich ungern an sein
ansteckendes Gelächter; über die Gerüchte, dass sich Spahn in den Labors
der Pathologie mit Mittagessen versorgt, möchte niemand mehr Auskunft
geben. Tatsache ist, dass der krankheitspolitische Sprecher der Union der
Pharmabranche als Lobbyist verbunden bleibt. Spahn gründet eine
Beratungsfirma, versteckt seine Beteiligungen unter einem dicken
Mullverband und werkelt lukrativ am Geschäft mit der Krankheit mit.
Was ist von Spahn als kommendem Minister zu erwarten? Kenner des
politischen Berlins sehen vor allem drei Tätigkeitsfelder, denen der
bekennende „Sicko“ seinen Stempel aufdrücken will. Als sicher gilt, dass
der fanatische Krankheitsfetischist zuerst einmal Schluss mit der
medizinischen Parallelwelt machen will, die sich mit einer eigenen,
merkwürdig latinisierten Sprache von den Normalbürgern abschottet. Die
elitären Hipster des Krankheitssystems sollen endlich wieder deutsch
sprechen, sollen statt „Angina pectoris“ einfach Herzkranzgefäßverengung
sagen, statt „Syphilis“ nur mehr harter Schanker und statt „homosexuell“
schlicht schwul.
Auch das zweite Vorhaben Spahns ist vorgezeichnet. Seit Ewigkeiten wirbt
der studierte Politikwissenschaftler für eine gemeinsame deutsche
Leidkultur. Seiner Überzeugung zufolge verleihen kollektives Jammern,
Heulen und Zähneklappern ein Heimatgefühl, das sonst nur durch
Ausländerhass oder Krieg herzustellen ist. Dieses Gefühl von Geborgenheit
will Spahn durch rigide Kürzungen im Krankheitssystem und neue Zuzahlungen
zu allen möglichen Leistungen erschaffen. Überdies möchte er statt
eingeschleppter Tropenkrankheiten wie Beulenpest oder übergroße Libido
hierzulande lieber heimische Erreger verbreitet wissen, autochthone Keime
und alteingesessene Viren.
Das dritte große Ziel schließlich wird von Spahn und seinen konservativen
Mitstreitern noch geheim gehalten – verständlicherweise. Andernfalls wäre
mit gewaltigen Tumulten zu rechnen. Nur ein Hinweis: Möglicherweise soll
Spahn in der nächsten Bundesregierung die Funktion einer bakteriellen
Entzündung einnehmen, die auf lange Sicht Angela Merkel aus dem
Kanzlersessel herauseitert.
12 Mar 2018
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
## TAGS
Bundesministerium für Gesundheit
Kabinett
Jens Spahn
Aufstehen
Gentrifizierung
Messer
Lobbyismus
Linke Sammlungsbewegung
Polizei
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