Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Krieg in Syrien: Am Ende kommt die Vertreibung
> Eine Feuerpause in Ost-Ghouta soll humanitäre Korridore ermöglichen.
> Alles läuft nach Plan. Ziel ist die politische Säuberung.
Bild: Vom Krieg zerstört: die Stadt Douma in Ost-Ghouta
Wieder wurde für Syrien [1][ein Waffenstillstand vereinbart]. Und wieder
[2][gehen die Kämpfe weiter]. Der russische Präsident Putin hat in einer
eigenwilligen Interpretation der Waffenstillstandsresolution des
UN-Sicherheitsrates [3][am Montag angeordnet], dass die Waffen ab Dienstag
von 9 bis 14 Uhr schweigen sollen, um humanitäre Lieferungen zu ermöglichen
und humanitäre Korridore zu eröffnen – so als habe der Krieg nun eine
Sprechstunde ab 14 Uhr.
Für die gepeinigten Einwohner Ost-Ghoutas ist das eine Erleichterung, die
gleichzeitig rechtfertigt, dass sie den Rest des Tages bombardiert werden.
Das war schon vor Putins Ankündigung und nur wenige Stunden nach der
Waffenstillstandsresolution vom Samstag der Fall. Wieder wurden vereinzelte
Luftangriffe, Artilleriefeuer und Fassbomben vermeldet. Wieder wurden
medizinische Einrichtungen bombardiert. Wieder gab es unbestätigte
[4][Berichte über einen weiteren Chlorgasangriff]. Zusätzlich geht eine
Bodenoffensive weiter, mit der die Regimetruppen versuchen, das
Rebellen-Gebiet zu erobern.
Und das alles wenige Stunden nachdem sich der UN-Sicherheitsrat in New York
nach zähem Hin und Her auf eine Waffenruhe geeinigt hat. Es war der sechste
Versuch, für Teile des Syriens einen Waffenstillstand auszuhandeln. Alle
blieben bislang weitgehend folgenlos.
Der Mechanismus war stets der gleiche: Im UN-Sicherheitsrat oder während
der sogenannten Friedensgespräche wird eine Waffenruhe vereinbart. Russland
und das Regime in Damaskus fordern dann Ausnahmeregelungen, die den IS oder
die Al-Kaida-nahe Nusra-Front sowie alle, die mit ihnen zusammenarbeiten,
aus dem Waffenstillstand ausnehmen. Die Gruppierungen bleiben ein legitimes
militärisches Ziel. Das klingt verständlich, auch die von den USA
angeführte Anti-IS-Koalition hat es nicht anders gemacht.
Für Russland und das Assad-Regime werden diese Ausnahmen dann als
Rechtfertigung genutzt, um weiterhin alles in den Rebellengebieten zu
bombardieren – militärische Stellungen, Krankenhäuser oder zivile
Wohngebiete. Die Realität ist, dass sich die einzelnen Stellungen der
Rebellen kaum auseinanderhalten lassen. Noch weniger lässt sich genau
bestimmen, wer mit wem zusammenarbeitet. Legitime und illegitime Ziele
gehen fließend ineinander über.
Und schon ist ein Waffenstillstand aufgeweicht und kurz darauf nicht mehr
das Papier wert, auf dem das Abkommen geschrieben steht. Auf diese Weise
wurde bisher jedes Waffenstillstandsabkommen in Syrien ausgehebelt. Das
gleiche galt für die sogenannten [5][Deeskalationszonen, die vor Monaten
mit den gleichen Ausnahmeregelungen geschaffen wurden], und die in
Wirklichkeit tödliche Eskalationszonen sind.
## Modell Ost-Aleppo
Wie es weitergehen wird, ist ebenfalls absehbar. [6][Ost-Aleppo im Winter
2016 ist die Blaupause]. Es wird solange bombardiert, bis die
Zivilbevölkerung so zermürbt ist, dass die Rebellen egal welcher Couleur
aufgeben. Dann kommt [7][die sogenannte Evakuierung] mit Hilfe der UNO und
des Internationalen Roten Kreuzes. Das klingt erst einmal alternativlos und
richtig, werden hier doch Menschen in Schutz gebracht.
Es ist aber nichts anderes als eine politische Säuberung, wenn alle
Oppositionellen und ihre Familien um ihr Leben rennen. Gleiches wird sich
dann in anderen von den Rebellen kontrollierten Gebieten wiederholen.
Zuletzt konnte man das im Norden in der Provinz Idlib beobachten, die schon
jetzt die meisten internen oppositionellen Flüchtlinge aufgenommen hat. Von
dort geht es nur noch in die Türkei und dann für einige Flüchtlinge weiter
nach Europa.
Am Ende wird das Regime einen militärischen Sieg feiern und vor einem
politisch gesäuberten Trümmerhaufen stehen. Statt wie zuvor zu versuchen,
Territorium zu halten, wird die Opposition in den Untergrund gehen. Es wird
gelten, hunderttausende offene Rechnungen zu begleichen.
Frieden und Stabilität sehen anders aus, auch wenn das Assad-Regime sich
gerne als der Verteidiger der syrischen Souveränität vermarktet. Das
Gegenteil ist der Fall. Denn das Land und seine Regierung hängen am
russischen und iranischen Tropf. Die nächsten regionalen und
internationalen Konflikte sind damit vorgezeichnet: im Süden zwischen der
Hisbollah und Israel, im Norden zwischen der Türkei und der kurdischen PKK
und ihren Ablegern.
Auch die räumliche Nähe von russischen und amerikanischen Truppen in
Ostsyrien hat Eskalationspotential. Ebenso würde eine Verschärfung der
amerikanisch-iranischen Spannungen als erstes in Syrien ausgetragen.
Vielleicht ist es gerade diese Berechenbarkeit der fortwährenden
Katastrophe, die den Syrien-Konflikt so besonders deprimierend macht.
27 Feb 2018
## LINKS
[1] /UN-Sicherheitsrat-zu-Syrien/!5487110
[2] /Krieg-in-Syrien/!5487353
[3] /Waffenruhe-und-Chemiewaffen-in-Syrien/!5487293
[4] /Waffenruhe-und-Chemiewaffen-in-Syrien/!5487293
[5] /Krieg-in-Syrien/!5403851
[6] /Kampf-um-Aleppo-in-Syrien/!5361618
[7] /Evakuierung-aus-Ost-Aleppo-beginnt/!5363995
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Ost-Ghouta
USA
Russland
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Iran
Verhältnis Iran - Israel
Ghouta
Schwerpunkt Syrien
Ost-Ghouta
Schwerpunkt Syrien
Türkei
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Syriens Regierung behindert Hilfe: „Apokalypse“ in der Ost-Ghouta
Die Eingeschlossenen in der Ost-Ghouta warten weiterhin vergeblich auf
Hilfe. Die Regierung setzt auf die Eroberung der Region.
In der syrischen Ost-Ghouta: Ein Leben unter der Erde
Die Lage in Ost-Ghouta bleibt eine Katastrophe. Hinzu kommt die Angst vor
syrischen Bodentruppen. Drei Menschen berichten.
Belagerung vom syrischen Ost-Ghouta: Assad-Armee rückt vor
Die syrische Armee hat Beobachtern zufolge mehr als ein Drittel Ost-Ghoutas
unter ihre Kontrolle gebracht. Zivilisten dürfen das umkämpfte Gebiet wohl
verlassen.
Krieg in Syrien: Ost-Ghouta weiter unter Beschuss
In der Rebellen-Enklave ist die Versorgungslage für Zivilisten weiter
schwierig. Tägliche Feuerpausen werden ignoriert. Die Türkei setzt ihre
Offensive auf Afrin fort.
Feuerpause in Syrien: Syrische Truppen rücken vor
Die Feuerpause in Ost-Ghouta wird nicht eingehalten. Syrische Truppen
machen Geländegewinne. Hilfslieferungen kommen nicht durch.
Krieg in Syrien: Waffenruhe in Ghouta hat begonnen
Putin hat für Ost-Ghouta eine fünfstündige Feuerpause angeordnet. Sie soll
Hilfe und humanitäre Korridore ermöglichen. Die Kämpfe gehen vereinzelt
weiter.
Waffenruhe und Chemiewaffen in Syrien: Russland kündigt Feuerpause an
Trotz eines UN-Beschlusses tobt in Syrien die Gewalt weiter.
Assad-Einheiten sollen wieder Chemiewaffen eingesetzt haben.
UN-Sicherheitsrat zu Syrien: Waffenruhe einstimmig beschlossen
Hoffnung für Syrien: 30 Tage lang sollen die Waffen schweigen, damit die
notleidende Zivilbevölkerung versorgt werden kann. Auch Russland stimmt zu.
Geplante Waffenruhe in Syrien: UN vertagen Abstimmung
Das Votum über eine neue Syrien-Resolution soll nun am Samstagabend
stattfinden. Eine Einigung scheitert bisher an der Zustimmung Russlands.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.