| # taz.de -- In der syrischen Ost-Ghouta: Ein Leben unter der Erde | |
| > Die Lage in Ost-Ghouta bleibt eine Katastrophe. Hinzu kommt die Angst vor | |
| > syrischen Bodentruppen. Drei Menschen berichten. | |
| Bild: Durch Luftangriffe zerstörte Gebäude in Douma, einer Stadt in der belag… | |
| Berlin taz | Eine Waffenruhe, die keine ist: Die angekündigte Feuerpause | |
| für die Ost-Ghouta hat nicht gehalten. Seit vergangenen Dienstag sollten | |
| keine Bomben mehr fallen und die Geschütze ruhen – wenigstens für fünf | |
| Stunden am Tag, von neun bis 14 Uhr, um [1][den Menschen vor Ort] ein wenig | |
| Luft zum Atmen zu geben. Und um Zivilisten zu ermöglichen, durch Korridore | |
| aus dem Kriegsgebiet zu flüchten. | |
| 30 Tage Waffenruhe beschloss der UN-Sicherheitsrat. Die russische Regierung | |
| stimmte zu, erwirkte aber nur fünf Stunden Feuerpause pro Tag bei der | |
| syrischen Regierung. Doch schon wenige Stunden nach dem offiziellen Beginn | |
| der Waffenruhe brachen neue Gefechte aus, wieder gab es Tote und Verletzte. | |
| Was bringt den Zivilisten eine Feuerpause, die keine ist? Verbessern ein | |
| paar Stunden ohne Bomben das Leben im Kriegsgebiet etwas? Funktionieren die | |
| Flucht-Korridore? Informationen aus dem Kriegsgebiet zu bekommen, wird | |
| immer schwieriger. Per WhatsApp und Facebook schaffen es trotzdem drei | |
| Zivilisten, ihre Eindrücke mitzuteilen. | |
| „Die Bombardierungen hören einfach nicht auf“, sagt Aws Mubarak, der für | |
| die syrische Nichtregierungsorganisation Local Development and Small | |
| Projects (LDSPS) in Ost-Ghouta arbeitet. Für ihn hat sich die Situation im | |
| Vergleich zur vergangenen Woche noch verschlimmert. „Manchmal fallen zwar | |
| zwei oder drei Stunden keine Bomben, aber es gibt da keine Regelmäßigkeit | |
| und keine spezifische Uhrzeit ohne Bombardierungen. Wenn wir uns jetzt kurz | |
| raustrauen, können jederzeit wieder Bomben fallen.“ | |
| ## Mangelhafte medizinische Versorgung | |
| Deshalb versteckten sich die Menschen weiterhin in ihren Kellern, sagt | |
| Mohamad Abo Ahed, Chef eines der Gesundheitszentren in Kafar Batna in der | |
| Ost-Ghouta. Aus Angst vor dem Regime will er seinen richtigen Namen und den | |
| seiner Einrichtung nicht nennen. „Auch in den Stunden der eigentlichen | |
| Waffenruhe werden weiter Wohngebiete und Krankenhäuser gezielt bombardiert | |
| – wenn auch mit einer niedrigeren Frequenz als sonst.“ Morgens würden nun | |
| viele versuchen, etwas Brot aufzutreiben, um dann schnell in ihre | |
| Kellerlöcher zurückzukehren. „Wir führen ein Leben unter der Erde“, sagt | |
| der Arzt. | |
| Es gebe weiterhin Verletzte und Tote und die medizinische Versorgung sei | |
| immer noch mangelhaft, so Abo Ahed: „Wir hatten aus Angst vor solchen Tagen | |
| Medikamente in Lagerhäusern aufbewahrt, aber in spätestens einem Monat wird | |
| alles aufgebraucht sein.“ Darüber hinaus seien die Fluchtkorridore genauso | |
| eine Farce wie die Waffenruhe. | |
| Zu viele negative Erfahrungen mit Baschar al-Assad hat der Arzt schon | |
| gemacht. Zu viele Lügen hat er gehört. „Es gab hier immer nur einen Ausgang | |
| und dieser wird vom Regime kontrolliert“, erklärt er. „Jeder, der sich dem | |
| Checkpoint nähert, wird erschossen. Wie können wir jetzt dem Regime | |
| vertrauen, dass wir sicher aus Ost-Ghouta herausgelassen werden?“ Das | |
| Misstrauen sei zu hoch, die Zivilisten harrten lieber weiter in ihren | |
| Kellern aus. | |
| „Wohin sollten wir auch gehen?“, fragt LDSPS-Aktivist Mubarak. „In der | |
| Provinz Idlib beispielsweise wird die Situation bald wie in der Ost-Ghouta | |
| sein und eine Flucht nach Europa ist viel zu teuer und gefährlich.“ Egal wo | |
| in Syrien, bedrohlich sei die Lebenssituation auch dort. Zu oft habe man | |
| gesehen oder gehört, wie das Regime Menschen einsperrte oder zum | |
| Militärdienst zwang, sobald sie in dessen Gebiete kamen. Auch das Ganze Hab | |
| und Gut zurück zulassen sei nicht einfach. Viele empfänden es als | |
| erniedrigend, Zuhause und Heimat den Rücken zu kehren. Die Bewohner der | |
| Ost-Ghouta hätten sich einfach mit ihrem Schicksal abgefunden, so Mubarak: | |
| „Die meisten hier haben sich aufgegeben und warten darauf, in ihrem Zuhause | |
| zu sterben.“ | |
| ## Angst vor dem Einmarsch der Armee | |
| Auch Nivin Hotary, 39 und gelernte Sekretärin, sieht keine Chance für eine | |
| sichere Flucht. Sie lebt mit ihrer 6-jährigen Tochter Maya in der | |
| Ost-Ghouta. „Auch Maya will nicht fliehen, weil sie mit eigenen Augen | |
| gesehen hat, was dann passiert.“ Hotary erzählt, wie eine Nachbarin vor | |
| einiger Zeit versuchte, Besorgungen für ihre Kinder außerhalb der | |
| Ost-Ghouta zu machen und sofort verhaftet wurde. „Maya kennt die Kinder und | |
| sieht, wie allein sie jetzt sind. Sie hat Angst so zu enden, deshalb ist | |
| für sie das Thema nicht verhandelbar.“ | |
| Hotarys Tochter Maya lerne jetzt vor allem, was es heiße, den Entzug der | |
| grundlegendsten Menschenrechte am eigenen Leib zu erfahren. Denn die | |
| Situation in Ost-Ghouta würde stetig prekärer. „Das Essen wird immer | |
| knapper, wir leben weiterhin im Keller, es gibt hier immer noch kein | |
| Leben.“ Wie geht ein Kleinkind mit so etwas um? Maya ertrage das Ganze | |
| erstaunlich tapfer, sagt ihre Mutter: „Sie teilt mir ihre Ängste mit und | |
| spielt danach wieder mit ihren Puppen.“ | |
| Das unvorstellbare Leid in der Ost-Ghouta nimmt kein Ende. Am meisten | |
| fürchtete sich Nivin Hotary vor einem Einmarsch der syrischen Armee, die | |
| inzwischen begonnen hat. An eine echte Waffenruhe oder gar ein Ende der | |
| Bombardierungen glaube sie nicht. Und auch sonst niemand in der Ost-Ghouta. | |
| „Wir wissen, dass Bomben fallen, sobald es Bewegung auf der Straße gibt.“ | |
| 6 Mar 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!5484383/ | |
| ## AUTOREN | |
| Hiba Obaid | |
| David Bedürftig | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| Ghouta | |
| Baschar al-Assad | |
| Ost-Ghouta | |
| Ost-Ghouta | |
| Ghouta | |
| Ost-Ghouta | |
| Ost-Ghouta | |
| Ost-Ghouta | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Offensive der Syrischen Armee: Verletzte verlassen Ost-Ghouta | |
| Erstmals ziehen Kranke und Verletzte aus dem Rebellengebiet ab. Die Keller, | |
| in denen die Menschen Schutz suchen, sind überfüllt. | |
| Kommentar Ost-Ghouta: Etappensieg für Assad | |
| Syrischen Truppen stehen offenbar kurz vor der Eroberung Ost-Ghoutas. Ein | |
| Ende des Krieges ist nicht in Sicht. | |
| Syriens Regierung behindert Hilfe: „Apokalypse“ in der Ost-Ghouta | |
| Die Eingeschlossenen in der Ost-Ghouta warten weiterhin vergeblich auf | |
| Hilfe. Die Regierung setzt auf die Eroberung der Region. | |
| Protokoll aus Ost-Ghouta: „Das ist dann ein guter Tag“ | |
| Im Bunker ist es dunkel, die Kinder wollen raus aus der Enge, die | |
| Erwachsenen dürfen sie nicht rauslassen. Ein Protokoll aus Ost-Ghouta. | |
| Belagerung vom syrischen Ost-Ghouta: Assad-Armee rückt vor | |
| Die syrische Armee hat Beobachtern zufolge mehr als ein Drittel Ost-Ghoutas | |
| unter ihre Kontrolle gebracht. Zivilisten dürfen das umkämpfte Gebiet wohl | |
| verlassen. | |
| Kommentar Krieg in Syrien: Am Ende kommt die Vertreibung | |
| Eine Feuerpause in Ost-Ghouta soll humanitäre Korridore ermöglichen. Alles | |
| läuft nach Plan. Ziel ist die politische Säuberung. |