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# taz.de -- Merkel, Große Koalition und CDU: Kanzlerin in der Gefahrenzone
> Noch ist Angela Merkel unbestrittene Chefin der Union. Doch es rumort im
> Hintergrund, die jüngere Generation drängt auf eine Erneuerung der
> Partei.
Bild: Versucht die Quadratur des Kreises: Angela Merkel
Berlin taz | Angela Merkel hat es gut. Zumindest hat sie es besser als
Andrea Nahles. Denn anders als die künftige SPD-Vorsitzende kriegt Merkel
von ihrer CDU nicht einen Haufen zerdeppertes Porzellan vor die Füße
gekippt – verbunden mit dem Auftrag, das Tafelservice zügig wieder
zusammenzukleben. Angela Merkel hat nämlich geschafft, wovon Nahles aktuell
nur träumen dürfte: Sie hat ihre eigenen Truppen besänftigt. Fürs Erste
jedenfalls.
In einem [1][Interview mit dem ZDF hat Merkel angekündigt], die Liste ihrer
Regierungsmannschaft noch vor dem CDU-Parteitag am 26. Februar bekannt
geben zu wollen. Die Liste werde „die ganze Breite unserer Partei
abbilden“, versprach sie, es solle „eine neue Mannschaft“ geben. Bei der
Vergabe der der CDU zustehenden sechs Ministerien samt der
StaatssekretärInnen-Posten werde sie „darauf achten, dass wir nicht nur die
über Sechzigjährigen berücksichtigen, sondern auch jüngere Leute“.
Ebendiese „jüngeren Leute“ gaben ihrer Parteivorsitzenden postwendend
positives Feedback. Paul Ziemiak, Chef der Jungen Union und damit für die
Interessenvertretung des Parteinachwuchses zuständig, erklärte im ZDF
leicht gönnerhaft: „Sie hat verstanden.“ Grundsätzlich sei es nötig, dass
die CDU-Führung sich mit neuen Gesichtern für die Zukunft aufstellt. Der
Noch-Finanzstaatssekretär Jens Spahn sei nur einer der Namen, die für den
Neuanfang stehen sollten, sagte Ziemiak. Aber: „Die Zukunft der Partei
hängt nicht nur von Jens Spahn ab.“
Trotzdem dürfte diese mit dem ZDF-Interview wiederhergestellte Ruhe
innerhalb der Christlich Demokratischen Union Deutschlands nur vorläufiger
Natur sein. Zwar hatte Ziemiak auf die Frage, ob Angela Merkel wegen des
Streits mit der SPD um die Ressortverteilung die Große Koalition hätte
platzen lassen sollen, geantwortet: „Nein, das hätte sie nicht machen
sollen.“ Aber seine Forderung nach einer innerparteilichen Zukunftsdebatte
zeigt, was er tatsächlich meint: Es geht um die Frage, wer auf Angela
Merkel folgen soll.
Die Partei- und Regierungschefin hatte am Sonntagabend gleich mal
unmissverständlich klargestellt, dass es für sie zwar okay ist, jüngeren
PolitikerInnen mehr Verantwortung zu übertragen. Aber dass sie deshalb
nicht daran denkt, in absehbarer Zeit beiseite zu treten.
## Merkel macht weiter
Sie plane, sagte Merkel, die anstehende Legislaturperiode vollzumachen.
„Die vier Jahre sind jetzt das, was ich versprochen habe. Und ich gehöre zu
den Menschen, die Versprochenes auch einhalten.“ Das gelte auch für den
Parteivorsitz. „Für mich gehören diese beiden Ämter in eine Hand, um auch
eine stabile Regierung bilden zu können. Dabei bleibt es.“ Damit erteilte
sie der leise geäußerten Hoffnung, sie könne zur Hälfte der Legislatur den
Parteivorsitz abgeben, eine Absage.
Seit Langem rumort es in der CDU. Eine Gruppe jüngerer Politiker scharrt
hörbar mit den Füßen; sie werden unterstützt von jenen Älteren, die sich
von Angela Merkel verkannt und zurückgesetzt fühlen. Der
Ex-Innenpolitikexperte Wolfgang Bosbach ist einer von ihnen. Aber auch der
ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch und der frühere
Vizefraktionschef Friedrich Merz heizen Merkel via Bild-Zeitung ein.
Sie unterstützen Jüngere wie JU-Chef Paul Ziemiak und natürlich Jens Spahn.
Zudem Carsten Linnemann, der einflussreiche Vorsitzende der
Mittelstandsvereinigung der Union, und Mike Mohring, CDU-Vorsitzender in
Thüringen. Eine Zwitterrolle kommt Julia Klöckner zu. Die
rheinland-pfälzische Landeschefin gehört einerseits zum Team Merkel; seit
dem Ende der Koalitionsverhandlungen wird sie als Agrarministerin
gehandelt. Andererseits tut sie sich immer wieder mal mit schrillen
Bemerkungen zu den Themen Islam und Heimat hervor.
## Zugespitzte Kritik an der „Chefin“
Naheliegend wäre, wenn Merkel den CDU-Nachwuchs über die Personalie Spahn
ruhigstellen würde. Der 37-Jährige gilt als ihr bestvernetzter Kritiker.
Mit einem Ministeramt oder dem Posten des Generalsekretärs wäre Spahn in
die Verantwortung fürs große Ganze eingebunden. Mit ihm würden sich die
innerparteilichen Reihen schließen; Merkel könnte in Ruhe arbeiten.
Tut sie es nicht, wäre ihr Regierungshandeln begleitet von einem internen
Grundrauschen der Unzufriedenheit. Diese könnte sich kommenden Herbst zur
Revolte auswachsen, wenn eine neue Fraktionsführung gewählt wird und
Merkels Getreue hinweggefegt würden. Merkel ist zu klug, das nicht
vorauszusehen. Jedem innerhalb und außerhalb der CDU ist klar, dass den um
die Vierzigjährigen die Zukunft gehört. Die Frage ist lediglich, ob die
Übernahme friedlich oder feindlich erfolgt.
Der Münsterländer Spahn hat ein Sensorium für populistische Volten, seine
Kritik an der „Chefin“ ist häufig zugespitzt – und findet stets ihren Weg
in die Medien. Er war einer der Ersten, die sich beim Flüchtlingsthema
gegen Merkel stellten. Und nach einer harten Verhandlungsnacht mit der SPD
soll das Präsidiumsmitglied Spahn gesagt haben: „Das ist ja wie 2013 – nur
mit mehr Geld und weniger Lust. Ich dachte, wir machen was Neues.“ Merkel
soll schwer genervt gewesen sein.
Nun, da das Finanzministerium an die SPD gehen soll, wäre Spahn seinen
dortigen Staatssekretärsposten los. Naheliegend wäre also, ihm das
Gesundheitsministerium zu geben; auf diesem Gebiet gilt er seit Langem als
Experte. Dann aber bliebe die derzeitige Chefin der Frauen-Union, Annette
Widmann-Mauz, unversorgt; die Tübingerin gilt nach dem Abgang Wolfgang
Schäubles als Gesundheitsministerin gesetzt.
## Was, wenn die Große Koalition scheitert?
Also doch Spahn als CDU-Generalsekretär? Oder als Bildungs- und
Forschungsminister? Das Ressort könnte in den kommenden Jahren mit jeder
Menge Familienkompatibilität und digitaler Moderne aufgeladen werden.
Angela Merkel jedenfalls rennt die Zeit davon. Schon am kommenden Montag,
eine Woche vor dem Parteitag in Berlin, sollte sie ihre Personalliste dem
Präsidium und ihrem Bundesvorstand vorlegen. Schon scheint klar: Ohne
Verletzungen wird die Postenvergabe nicht über die Bühne gehen. Diesmal
aber tragen die Älteren und die Männer in der Partei das Verletzungsrisiko.
Merkel hat im Wahlkampf versprochen, die Hälfte der ihr zur Verfügung
stehenden Posten mit Frauen zu besetzen. Und dass unter den gleich nach der
langen Koalitionsnacht im Adenauer-Haus durchgestochenen Namen niemand aus
dem Osten war, muss sie auch noch wettmachen.
Selbst wenn Angela Merkel also mit ihren Leuten die Quadratur des Kreises
schafft, ist sie noch nicht aus der Gefahrenzone. Viel, wenn nicht alles,
hängt von Andrea Nahles’ Partei ab. Scheitert die Große Koalition, steht
Merkel vor der Frage: Neuwahl oder Minderheitsregierung? Auch diese
Möglichkeit hat sie am Sonntagabend ins Auge gefasst. Im ZDF-Interview hat
sie versichert, sie stünde bei einem Scheitern der Großen Koalition als
Kandidatin bereit, um den Weg zu Neuwahlen über eine Minderheitsregierung
zu ebnen. Und bei Neuwahlen werde sie ebenfalls wieder Spitzenkandidatin
der Union sein.
12 Feb 2018
## LINKS
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## AUTOREN
Anja Maier
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