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# taz.de -- CDU-Politiker Jens Spahn: Er ist guter Hoffnung
> Jens Spahn gibt sich als CDU-Rebell mit Hang zu Rechtsauslegern. Er
> könnte Minister werden. Dann wäre er Merkels Mann – und ihr Menetekel.
Bild: Jens Spahn ist nach Apolda gekommen. Er gilt als rechtslastiger Posterboy…
Apolda taz | Faszinierend, der Gast hat noch gar nichts gesagt, und
trotzdem ist er schon der Star des Abends. In Apolda, Südthüringen, heißt
der Gast heute Jens Spahn. Für ein Foto mit ihm haben sich die Besucher des
politischen Aschermittwochs vor der Bühne in einer Schlange angestellt.
Viele Junge sind unter ihnen, aber auch Ehepaare und gestandene
Parteimitglieder. Vorn steht der groß gewachsene Spahn und hält Audienz im
Lodenjackett. Er lächelt, breitet die Arme nach links und rechts aus wie
Schwingen, alle sollen aufs Bild passen. Die Blasmusik spielt volle Pulle
„Rosamunde“. Klick! Handschlag. Lächeln. Nächstes Selfie.
Jens Spahn ist nach Apolda gekommen, weil der Thüringer CDU-Chef Mike
Mohring ihn eingeladen hat. Spahn zieht. Er gilt als CDU-interner Rebell.
Als Widerhaken im bröckelnden Panzer von Angela Merkel. Als ein etwas wild
gewordener Jungspund, ausgeflippt auf jene Weise, die die CDU für
ausgeflippt hält: machthungrig, aber manierlich, spitzfindig und
selbstgewiss.
Schon bald könnte aus Spahn ein Minister werden. Dass Merkel dem
Staatssekretär im Finanzministerium einen der knappen Plätze im Kabinett
gibt, gilt vielen als fälliges Zugeständnis an den Parteinachwuchs. Am
kommenden Montag soll sie den Parteigremien ihre Personalliste vorstellen,
eine Woche später dem Parteitag. Spahns Name, so wird erwartet, sollte auf
dieser Liste stehen. Er wäre dann endgültig Merkels Mann. Aber eben auch
ihr Menetekel.
Jens Spahn gilt als rechtslastiger Posterboy der Merkel-Kritiker. Als
einer, der gern hart nach links auskeilt, aber auch intern Stimmungen und
Sachverhalte schon mal auf einen sehr kleinen Nenner bringt. Er hat ein
gutes Gespür für Pointen und öffentlichkeitswirksame Effekte. Beim
Flüchtlingsthema hat er sich als einer der Ersten gegen Merkel gestellt –
erst zaghaft, dann dank des Zuspruchs aus der eigenen Partei immer lauter.
## Man wird ja wohl noch sagen dürfen
Merkel hat versucht, ihn einzuhegen. Er wurde Präsidiumsmitglied, dann
Staatssekretär von Wolfgang Schäuble. Gedankt hat er es seiner
Vorsitzenden, indem er beim Parteitag 2016 für die Junge Union einen
Beschluss gegen den mit dem Koalitionspartner SPD vereinbarten Doppelpass
herbeiargumentierte. Motto: Man wird ja wohl in der CDU noch seine Meinung
sagen dürfen.
Und erst kürzlich, nach einer harten Verhandlungsnacht mit der SPD, soll er
im CDU-Präsidium gescherzt haben: „Das ist ja wie 2013, nur mit mehr Geld
und weniger Lust. Ich dachte, wir machen was Neues.“ Es ist diese
Zuspitzung, die Merkel unglaublich auf den Keks geht.
Hier in Apolda muss Spahn nur in die Halle rufen, man gelte ja heute schon
als rechtsradikal, wenn man pünktlich zu einem Termin erscheine. Oder die
Linken sollten sich mal um die Drogendealer kümmern statt um
Unisex-Toiletten. Da tobt die Halle. Es fehlt auch nicht sein dutzendfach
strapaziertes Bild vom Ticket, das der deutsche Falschparker zu zahlen
habe, während Schwerverbrecher ohne gültigen Pass herumliefen.
Auf derlei stehen sie im südthüringischen Apolda, wo die AfD bei der
Bundestagswahl 25 Prozent geholt hat. Der Spahn, denken sie und johlen
glücklich, der Spahn ist mal eine andere Sorte Politiker.
## Er bleibt immer anschlussfähig
Was für ein grandioses Missverständnis. Jens Spahn gehört zu genau dem
politischen Establishment, das seine Anhänger so misstrauisch beäugen. Er
ist gerade mal 37 Jahre alt und startet bereits in seine fünfte Wahlperiode
als Bundestagsabgeordneter. Er ist wie alle, die was geworden sind, durch
und durch Parteisoldat. In seiner münsterländischen Heimat trat er mit 15
Jahren in die Junge Union ein, mit 25 Jahren wurde er Vorsitzender des
CDU-Kreisverbandes Borken.
Bei der letzten Bundestagswahl holte er sagenhafte 51,2 Prozent der
Erststimmen. Dass also einer, dessen gesamtes Leben aus Politik besteht,
ein bisschen ungeduldig wird, wenn es um sein Fortkommen geht, mag da
einleuchten. Aus dem anfangs spielerischen Genörgel eines aufstrebenden
Jungpolitikers ist mittlerweile aber eine innerparteiliche Bewegung
geworden. Spahn selbst ist daran nur begrenzt schuld. Die
Führungsmannschaft um Angela Merkel und Volker Kauder hat den
Parteinachwuchs so offensichtlich vernachlässigt, dass es nur eine Frage
der Gelegenheit war, wann das Murren nicht mehr zu ignorieren sein würde.
Der alte Hase Spahn kannte die Strukturen so lange und gut, dass er nicht
nur wusste, welche medialen Knöpfe er drücken musste, sondern auch, wie
weit er gehen kann, um anschlussfähig zu bleiben.
In Interviews spricht er von seiner „Burkaphobie“. Er beschwert sich über
„arabische Muskelmachos“, die ihm, dem aufgeklärten Großstadtschwulen, im
Fitnessstudio das Nacktduschen verbieten wollen. Der taz sagte er im
Interview: „Nicht alles, was kulturell anders ist, ist per se eine
Bereicherung.“ Und in Apolda ruft, ja schreit er während seiner Rede in den
Saal: „Wir sind die Partei, die für Leitkultur steht!“ Die Zeiten seien �…
bürgerlich wie lange nicht“, das Bedürfnis nach „Heimat, Geborgenheit,
kultureller Sicherheit“ sei riesig. „Heimat ist da, wo ich mich nicht
erklären muss.“ Sagt’s und leert in einem Zug sein Bierglas.
## Spahn und Mohring
Die 1.300 Besucher reißt es von den Bänken. Sie jubeln und trampeln, die
Luft im Saal steht. Ganz vorn in der ersten Reihe sitzt Mike Mohring und
freut sich. Der Thüringer Landesvorsitzende hat Spahns Auftritt
organisiert. Er ist einer aus der CDU-internen Jungscombo, deren Mitglieder
zuverlässig dort anzutreffen sind, wo auch Spahn anzutreffen ist.
Seit zehn Jahren ist Mohring CDU-Fraktionsvorsitzender in Thüringen; zum
Ministerpräsidenten hat es bisher nicht gereicht. Erst kam ihm die Pastorin
Christine Lieberknecht in die Quere, dann zog der Linke Bodo Ramelow in die
Erfurter Staatskanzlei. Seither geriert sich Mohring als
Kommunistenfresser. Mittlerweile zeigt sich der Thüringer nach den
Gremiensitzungen im Berliner Konrad-Adenauer-Haus gern Seite an Seite mit
Spahn, Paul Ziemiak von der Jungen Union und Carsten Linnemann von der
Mittelstands-Union.
Mohrings innerparteiliches Markenzeichen ist seit Langem das des
Merkel-Kritikers; er ist Mitglied im sogenannten Konservativen Kreis. Als
er nach der verlorenen Landtagswahl 2014 intern erwog, sich mit den Stimmen
der AfD zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen, gab es Ärger. Merkels
Generalsekretär Peter Tauber distanzierte sich öffentlich von Mohring; beim
Bundesparteitag im Dezember flog er aus dem Vorstand.
In Spahn hat Mohring endlich einen prominenten Verbündeten gefunden. Und
nun, da Angela Merkel nicht nur Druck bekommt, die guten Posten an Jüngere
zu vergeben, sondern auch an Ostdeutsche, rückt Mohring unverhofft ins
Zentrum der Aufmerksamkeit. Aber er ist schon ausgebucht. Der Thüringer mit
den dunklen Augen – früher war er mal Pullovermodel für „Strickchic Apold…
– will nächstes Jahr endlich die Landtagswahl gewinnen. „Ich kann hier
nicht weg, die würden mich lynchen“, sagt er lächelnd.
## Die Leute bei ihrem Bauchgefühl abholen
Das unterscheidet ihn von Jens Spahn. Der ist bereit. In seiner
Aschermittwochsrede heizt er den Apoldaern noch mal richtig ein. Europa,
Flüchtlinge, Sicherheit, die doofen Sozis und die mächtige Union – eine
gute halbe Stunde lang schreit er in den Saal. Die großen Hände fahren
durch die biergeschwängerte Luft, Spahns Oberkörper ist nach vorn gebeugt,
die zarten Mikrofonhälse auf dem Pult erzittern unter seiner
herniederfahrenden Pranke.
Es fällt auf, wie viel Raum der Finanzstaatssekretär und ausgewiesene
Gesundheitsexperte plötzlich dem Thema Bildung einräumt. „Was mir echt auf
den Senkel geht, ist diese Abi-Fixierung der Linken“, bollert er. Geradezu
mustergültig werde im Koalitionsvertrag auf Berufsausbildungen eingegangen.
Auch toll: die neue Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Was aber fast
noch wichtiger sei als Wissensvermittlung, sei die „Wertevermittlung“.
Pünktlichkeit, Leistungsbereitschaft. In deutschen Schulen sollte
„Leitkultur unterrichtet werden“.
Faszinierend, dieser Jens Spahn. Seit das Gerücht in Umlauf ist, „die
Chefin“ könnte ihm das Bildungs- und Forschungsministerium geben, läuft
Spahns ideologische Aufladung des Ressorts. Pünktlichkeit? Werte?
Leitkultur? Spahn tut, was er am besten kann: Die Leute bei ihrem
Bauchgefühl abholen.
Doch noch ist er nicht auf der sicheren Seite. Selbst wenn sein Name auf
Merkels Liste steht – vieles hinge dann noch von den Sozialdemokraten ab.
Stimmen deren Mitglieder gegen den Koalitionsvertrag, ist der Groko-Traum
gescheitert. Merkel jedenfalls hat sich für diesen Fall bereits als
Führerin einer Minderheitsregierung ins Spiel gebracht. In ihrer Partei,
der CDU, schlüge dann die Stunde des Nachwuchses. Jens Spahn wäre
vorbereitet.
17 Feb 2018
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Angela Merkel
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