# taz.de -- Senat beendet Arbeitsmarktprogramm: Stadtteilprojekte verlieren Mit… | |
> Stadtteilprojekte wie der Kinderbauernhof in Kirchdorf bangen um ihre | |
> Existenz. Der Grund: Die Sozialbehörde beendet das Programm „Tagwerk“ f�… | |
> Langzeitarbeitslose. | |
Bild: Wenig Perspektiven: Fast ein Viertel der Menschen in Steilshoop bezieht H… | |
HAMBURG taz | Seit Jahren kämpfen Beschäftigungsprojekte in armen | |
Quartieren ums Überleben. Nun stehen Sie mal wieder vor der Existenzfrage. | |
Der Grund: Der Senat will das sogenannte „Tagwerk“-Programm mit 300 Plätzen | |
auslaufen lassen, das schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen die Chance | |
bot, auf freiwilliger Basis etwas dazuzuverdienen. Es ist eines von | |
mehreren Nachfolgeprogramm für die, wegen ihres Zwangs-Charakters auch | |
umstrittenen, 1-Euro-Jobs, von denen es in Hamburg sogar mal über 10.000 | |
gab. | |
Zurzeit betreibt der Träger „Alraune“ in Steilshoop noch mit 47 | |
Tagwerkplätzen und zehn Ausbildungsplätzen für junge Mütter ein | |
Stadtteilcafé, eine Fahrradstation, ein Tierhaus, das Inklusionscafe | |
„Jetzt“ und eine Einrichtung mit handwerklichen Helfern für den örtlichen | |
Verkehrsübungsplatz. | |
All diese Projekte stünden spätestens am 1. April vor dem Aus, berichtet | |
Alraune-Geschäftsführerin Petra Lafferentz. Die Abteilung | |
Arbeitsmarktpolitik der Sozialbehörde habe das mitgeteilt. | |
Tagwerk-Plätze haben auch Stadtteilprojekte in Dulsberg, Wilhelmsburg und | |
Kirchdorf-Süd, insgesamt kosten alle Zuverdienstprojekte Hamburg 1,5 | |
Millionen Euro pro Jahr. Der Träger „Passage“ betreibt zum Beispiel eine | |
Kooperation mit dem örtlichen Kinderbauernhof und den inklusive | |
Stadtteiltreff „Laurenz Janssen Haus“ sowie die Wilhelmsburger Tafel. | |
„Wir als Träger haben schon gekürzt, wo zu kürzen ging“, sagt | |
Passage-Geschäftsführerin Gudrun Stefaniak. Jetzt würde es an die Substanz | |
gehen und wahlweise eines oder auch alle drei Projekte existenziell | |
treffen. „Das kann keiner, der Wilhelmsburg, die sozialen Projekte und | |
Problemlagen kennt, ernsthaft wollen.“ | |
Auch in Steilshoop hatte Passage bis 2012 die Textilprojekte „Samt und | |
Seide“ und „Wäsche auf Rädern“ nach 25 Jahren schließen müssen. | |
Die Großsiedlung Steilshoop wurde von 1969 bis 1975 gebaut und wurde in den | |
1990er-Jahren wegen gravierender sozialer Probleme zum Sanierungs- und | |
Stadtentwicklungsgebiet. | |
In jüngster Zeit haben sich die Sozialdaten wieder verschlechtert, etwa ein | |
Viertel der Bevölkerung bezieht Hartz IV, fast 60 Prozent des Gebietes | |
Steilshoop haben einen niedrigen Sozialstatus. „Die Bevölkerung hier ist | |
arm, deshalb brauchen wir weiter Beschäftigungsprojekte“, sagt Petra | |
Lafferentz. | |
Die Sozialbehörde vertritt den Standpunkt, Arbeitsmarktpolitik sei nicht | |
dafür da, Träger und deren Projekte zu finanzieren. Auch sei das | |
Tagewerk-Programm gar nicht abgeschafft, sondern ersetzt. Es sei von | |
Hamburg „nur übergangsweise eingesetzt worden“, als in 2015/16 die | |
1-Euro-Jobs wegfielen, erklärt Sprecher Marcel Schweitzer. | |
Doch mit dem Start des neuen Bundesprogramms „Soziale Teilhabe“ im ersten | |
Quartal 2017, das von Hamburg mitfinanziert werde und | |
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für 291 Arbeitslose vorsieht, | |
habe Hamburg „ein neues Instrument zur Verfügung, um diese Zielgruppe | |
adäquat zu fördern“. Deshalb habe man schon 2017 die Tagwerk-Plätze auf | |
rund 250 reduziert. „Eine weitere Reduzierung der Tagwerk-Plätze ist nun in | |
2018 vorgesehen.“ | |
## „Ersatzlose Streichung“ | |
Petra Lafferentz hält diese Darstellung für irreführend. Denn das Programm | |
„soziale Teilhabe“ habe andere Zielgruppen und Fördervoraussetzungen. „D… | |
Platzkontingent ist längst ausgeschöpft, alle Plätze sind belegt.“ Außerd… | |
sei auch dieses Programm im Dezember zu Ende. „Wenn nun die Behörde weitere | |
Tagwerk-Plätze abbaut, handelt es sich um eine ersatzlose Streichung, die | |
eine Schließung von Einrichtungen nach sich ziehen muss.“ | |
Immerhin hat man in der SPD-Fraktion ein offenes Ohr. „Wir sind in | |
Gesprächen mit der Behörde und Trägervertretern, um mitzuhelfen und Wege | |
auszuloten, damit verschiedene unverzichtbare Stadtteilprojekte erhalten | |
bleiben können“, sagt der arbeitsmarktpolitische Sprecher Jens Schwieger. | |
Es steht ja immerhin auch im rot-grünen Arbeitsmarktprogramm, dass auch in | |
Zukunft arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie Tagwerk „im Rahmen des | |
Möglichen mit Bedarfen und Potenzialen von Quartieren verknüpft werden“ | |
sollten. | |
26 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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