# taz.de -- Kommentar GroKo-Sondierung: Doppeltes Spiel | |
> Wenn es eine neue Große Koalition gibt, wird sie farb- und ideenlos sein: | |
> Die Spielräume sind eng. Union und SPD sind angeschlagen. | |
Bild: Keine Interviews, keine Balkonfotos: TeilnehmerInnen der Sondierungsgespr… | |
SPD und Union wirken am [1][Beginn der Sondierungen] fast auffällig | |
optimistisch. Man gibt sich diszipliniert, gar geläutert nach dem Jamaika- | |
Spektakel, und will sogar vier endlose Tage lang keine Interviews geben. | |
Das soll souverän und professionell wirken. Aber es überblendet, dass diese | |
Koalition, wenn sie gelingt, eine der Halbherzigkeit sein wird. Die | |
Kompromisse werden aus Not, nicht aus Überzeugung gezimmert. | |
2013 war das anders: Die SPD strebte ideenreich wieder in die Regierung, | |
Merkel, auf dem Gipfel ihrer Macht, konnte den Genossen mühelos | |
entgegenkommen. Das Programm der letzten GroKo war sozialdemokratisch – das | |
der neuen wird wohl blass, farblos, ausgewaschen. | |
Denn die politischen Spielräume sind eng, trotz des Haushaltsüberschusses. | |
Die Kompromisslinien, die sich in den Schlüsselfragen Europa, Steuern und | |
Rente vage abzeichnen, sind dünn. Die nach rechts Signale aussendende Union | |
kann es sich nicht leisten, der SPD eine weitblickende, notwendige Reform | |
wie die Bürgerversicherung zuzugestehen. Auch das überfällige Ende des | |
Bund-Länder-Kooperationsverbots wird es mit dieser Regierung nicht geben. | |
Der SPD fehlt es für große Würfe an Kraft, der inhaltlich leer drehenden, | |
verunsicherten Union an Mut und Ideen. | |
Was ist von dieser Koalition also realistisch zu erwarten? Ein bisschen | |
bessere Pflege, ein paar Steuersenkungen für Normalverdiener, eine | |
EU-Politik, die vor allem den Schäuble-Kurs fortsetzt, eine etwas fairere | |
Finanzierung des Gesundheitssystems. Mehr nicht. Denn hier verbinden sich | |
drei Angeschlagene. Das Szenario von 2013, als die Union der SPD | |
großenteils das Feld überließ, wird sich nicht wiederholen. | |
Die Beteuerungen, dass man ernsthaft und seriös verhandelt, sind schon | |
genau so gemeint – seriös. Aber auch da gibt es doppelte Rechnungen. Union | |
und SPD erkunden nicht nur die schütteren Grundlagen für weitere vier Jahre | |
Regierung – sie wappnen sich auch schon für das blame game, das beginnt, | |
wenn es mit der Regierung doch nichts wird. Vor allem die von der Union | |
geäußerte freudige Erwartung, dass man mit der SPD nun schnell eine | |
Regierung der Sachpolitik bilden wird, hat den hässlichen Oberton eines | |
vergifteten Kompliments: falls nicht, dann war die SPD Schuld. | |
Auch Merkel und die Union werden im Falle des Scheiterns in die Bredouille | |
kommen. Die SPD aber wird vor einem Trümmerhaufen stehen. Martin Schulz, | |
der die Partei erst auf ein unbedingtes Nein fixierte, das über Nacht zum | |
verdrucksten Ja wurde, wird noch eine Rolle rückwärts wohl nicht | |
überstehen. | |
Wenn es diese Regierung gibt, dann nicht, weil Überzeugungen zu etwas | |
sinnvollem Neuen zusammengefügt werden. Es wird eine Regierung des | |
Krisenmanagements, geboren aus einer Zwangslage. Es wird sie geben, weil | |
nichts anderes übrig blieb. | |
8 Jan 2018 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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