# taz.de -- Gewerkschaftsprotest in Athen: Aktivisten stürmen Büro | |
> Griechische Kommunisten verschaffen sich Zutritt zum Arbeitsministerium. | |
> Damit protestieren sie gegen eine Verschärfung des Streikrechts. | |
Bild: Die Gewerkschafter protestieren, die Arbeitsministerin bleibt unbeeindruc… | |
Athen taz | Es war eine Nacht-und-Nebel-Aktion, die seltsamerweise zu den | |
üblichen Bürozeiten erfolgte: Kurz vor Dienstschluss am Dienstagabend | |
stürmten Hunderte Mitglieder der kommunistischen Gewerkschaft PAME das | |
Athener Arbeitsministerium, liefen ungestört die Treppe in den achten Stock | |
hoch und stellten dort Arbeitsministerin Efi Achtsioglou in ihrem eigenen | |
Büro und vor laufenden Kameras zur Rede. Sie werfen ihr vor, mit den | |
Arbeitgebern gemeinsame Sache zu machen und alle Wahlversprechen über Bord | |
zu werfen. | |
Der Grund: Linkspremier Alexis Tsipras hat ein neues Reformpaket ins | |
Parlament eingebracht, das voraussichtlich am Montag verabschiedet wird und | |
unter anderem eine deutliche Verschärfung des Streikrechts vorsieht. | |
Künftig setzt ein Streik in einem Betrieb voraus, dass mindestens 50 | |
Prozent der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer bei einer | |
ordentlich einberufenen Versammlung anwesend sind, sich dafür aussprechen | |
und ihre Gewerkschaftsbeiträge pünktlich eingezahlt haben. Bisher reicht | |
es, wenn 20 Prozent der Betroffenen für den Ausstand stimmen. | |
Für die Kommunisten kommt die neue Regelung einer Kriegserklärung gleich. | |
Denn sie sind es vor allem, die Protestaktionen in öffentlichen Unternehmen | |
befürworten, nachdem die einst streikfreundliche Syriza-Partei | |
Regierungsverantwortung übernommen hat. „Sie machen gemeinsame Sache mit | |
den Industriellen und den Konservativen, Hände weg vom Streikrecht“ schrien | |
die aufgebrachten Gewerkschafter Achtsioglou ins Gesicht. Schweigsam und | |
betont gelassen hörte sie lange Zeit zu. Doch als die Ministerin wiederholt | |
gefragt wurde, ob sie das umstrittene Gesetz doch noch zurücknehme, kam | |
ihre Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Nein, ich nehme es nicht | |
zurück.“ | |
Regierungssprecher Dimitris Giannakopoulos flüchtet sich in Ironie und | |
wirft der kommunistischen Gewerkschaft vor, eine Theatervorstellung | |
inszeniert zu haben, um Präsenz zu demonstrieren. | |
## Das linke Gewissen des Landes | |
Ganz andere Töne schlägt der Generalsekretär im Arbeitsministerium, Andreas | |
Nefeloudis, an: Er droht mit juristischen Konsequenzen. Das Ministerium | |
werde den durch die Protestaktion entstandenen Schaden schätzen lassen und | |
der PAME-Gewerkschaft demnächst die Rechnung zusenden, mahnte er am | |
Mittwoch. | |
Diese gedenken die Kommunisten wohl nicht zu begleichen. „Gut, da wurde | |
vielleicht auch eine Glasscheibe zerbrochen, aber das ist wirklich nicht | |
das Problem“ erklärte ein PAME-Sprecher am Mittwoch. | |
Die PAME-Gewerkschaft ist straff organisiert und bekannt dafür, dass sie | |
auf Gewalt verzichtet und zudem ihre Aktionen gut nach außen abschirmt. | |
Nicht einmal die immer wieder aktiven Anarchisten-Gruppen haben es jemals | |
gewagt, eine Versammlung der Kommunisten zu stören. Dass die PAME nun | |
handgreiflich wurde, war wohl überlegt und zeugt von dem Ehrgeiz der | |
orthodoxen Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), sich als das | |
zuverlässige linke Gewissen im Land zu etablieren. | |
Schließlich gibt es genug Konkurrenz links von der regierenden | |
Syriza-Partei: Sowohl die ehemalige Parlamentspräsidentin Zoi | |
Konstantopoulou, als auch Exindustrieminister Panajiotis Lafazanis haben | |
eigene Parteien gegründet und wollen bei der nächsten Wahl, die spätestens | |
im Herbst 2019 stattfindet, ins Parlament einziehen. Jedenfalls wird an | |
diesem Freitag in Griechenland wieder gestreikt. Sagen zumindest die | |
PAME-Kommunisten. | |
10 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Jannis Papadimitriou | |
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