# taz.de -- Privatisierungsprojekte in Griechenland: Thessaloniki wird deutsch | |
> Den Auflagen der Geldgeber folgend, werden Flughafen und Hafen in | |
> Thessaloniki nun von deutschen Firmen geführt – die Gewerkschaften sind | |
> sauer. | |
Bild: Thessaloniki, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der griechischen R… | |
Thessaloniki taz | Aus den Fenstern des Flughafenrestaurants kann man das | |
Flimmern der Luft über dem Vorfeld in der griechischen Mittagshitze | |
beobachten. Es ist stickig und nur wenige Gäste haben sich zum Lunch | |
eingefunden. Dimitris Nanouris zeigt mit dem Finger in Richtung Küste. | |
Dort, nahe Griechenlands zweitgrößter Metropole Thessaloniki, wird gerade | |
eine der Start- und Landebahnen für den Makedonia-Airport ausgebaut. | |
Finanziert vom griechischen Staat und der EU. 246 Millionen Euro kostet das | |
Projekt und soll noch mehr Touristen in die Region locken. „Und diese neue | |
Infrastruktur wird sofort einem privaten Investor überlassen“, ruft | |
Nanouris. | |
Der Investor ist das deutsche Unternehmen Fraport, Betreiber des | |
Großflughafens Frankfurt am Main und beteiligt an neun weiteren Flughäfen | |
weltweit. Die Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank | |
und Internationalem Währungsfonds verpflichtet Athen dazu, staatliche | |
Unternehmen zu privatisieren, um mit den Erlösen Schulden abzubauen. | |
Auf der Liste standen 14 der insgesamt 37 griechischen Regionalflughäfen. | |
[1][Fraport gewann 2014 die Ausschreibung] des griechischen | |
Privatisierungsfonds Hellenic Republic Asset Development Fund (HRADF). | |
Knapp 1,2 Milliarden Euro zahlt das deutsche Unternehmen und darf im | |
Gegenzug die Flughäfen 40 Jahre lang betreiben. | |
Die Konzessionsvergabe gilt als eines der größten Privatisierungsprojekte | |
im überschuldeten Griechenland. Auch Investitionszusagen von 330 Millionen | |
Euro bis 2020 sind Teil des Deals. Das entspricht etwa 5,9 Millionen Euro | |
pro Flughafen und Jahr. Zusätzlich erhält der griechische Staat 22,9 | |
Millionen Euro jährlich sowie 28,5 Prozent des operativen Gewinns der | |
Fraport-Tochter Fraport Greece. | |
## „Das hätten wir selbst finanzieren können“ | |
Dimitris Nanouris findet das zu billig und kämpft gegen die Privatisierung. | |
Er ist Präsident der Gewerkschaft der Flughafenarbeiter und sieht in dem | |
Fraport-Deal einen Ausverkauf der Infrastruktur. Nanouris, 54, | |
Elektroinstallateur, arbeitet seit 27 Jahren am Flughafen. „Die Flughäfen | |
sind nicht 1,2 Milliarden, sondern geschätzte 10 Milliarden Euro wert“, | |
sagt er. Die versprochenen Investitionen könne Fraport allein aus den | |
Umsätzen des Flughafens erwirtschaften. | |
Dass Investitionen in den Flughafen nötig sind, bestreitet Nanouris gar | |
nicht. Der Makedonia-Airport wirkt marode. Die Klimaanlage funktioniert | |
nicht, die Wartehalle ist zu klein. Fraport will nun ein neues Terminal | |
bauen und das alte renovieren. „Die Investitionen hätten wir auch selbst | |
finanzieren können“, ist Nanouris überzeugt. 6,5 Millionen Passagiere habe | |
der Flughafen pro Jahr und sei profitabel – genau wie die meisten der | |
anderen Flughäfen, die Fraport übernehme. „Für die unrentablen Flughäfen | |
muss weiter Griechenland zahlen“, sagt Nanouris. | |
Statt Investitionen habe es allerdings erst einmal Gebührenerhöhungen | |
gegeben, klagt der Gewerkschafter. Um 500 Prozent habe Fraport die | |
Ladenmiete für Geschäfte erhöht. Einzelne Reisebüros und Autovermietungen | |
hätten deshalb bereits geschlossen. Auch die Flughafengebühren pro Ticket | |
habe Fraport erhöht – von 12 auf 13 Euro, und die Gebühr soll | |
[2][mittelfristig auf bis zu 18 Euro erhöht] werden können. | |
Einen Skandal sieht Nanouris in der Erhöhung der Abgaben für den großen | |
Duty-Free-Shop. Der griechische Staat habe einen Vertrag mit einem | |
Anbieter, der bisher 5 Prozent des Warenumsatzes an den Flughafen abgeführt | |
habe. Fraport habe die Gebühr auf 23 Prozent erhöht. „Der Staat zahlt die | |
18 Prozent Differenz. So was gibt es nur in Griechenland“, erzählt | |
Nanouris. Eine Anfrage der taz zu einer Stellungnahme ließ Fraport Greece | |
unbeantwortet. | |
## Ausgerechnet Deutschland | |
[3][Weitere Anschuldigungen] kamen bereits 2016 vom | |
globalisierungskritischen Netzwerk Attac. So sehe der Übernahmevertrag vor, | |
dass der griechische Staat Flughafenmitarbeiter entschädigen muss, die | |
Fraport nicht weiterbeschäftigt. Würden Beschäftigte bei Arbeitsunfällen | |
verletzt oder sterben, müsse der Staat zahlen, ebenso bei | |
Gesetzesänderungen, die Betriebskosten erhöhten, und bei Streiks. | |
Dass der Investor ausgerechnet aus Deutschland kommt, hat für Nanouris | |
einen besonders bitteren Beigeschmack. Deutschland gilt als mächtiger | |
Befürworter der harten Sparpolitik in Griechenland. „Der deutsche Staat | |
kauft den griechischen Staat“ sagt Nanouris und verweist auf die knapp | |
31-prozentige Beteiligung des deutschen Bundeslandes Hessen an Fraport. | |
Deutsche Unternehmen kauften nun auch Hotels in der Umgebung. „Die | |
Touristen kommen dann vom deutschen Flughafen ins deutsche Hotel und | |
Griechenland hat nichts davon.“ | |
Der Weg zum nächsten deutschen Anlageobjekt führt über die Küstenstraße | |
rund um die Bucht von Thessaloniki. An der weitläufigen Strandpromenade | |
spazieren Pärchen, im Hintergrund die riesigen Kräne des Hafens. Bis vor | |
Kurzem stand dieser Hafen auch auf der Privatisierungsliste des HRADF. Ende | |
April bekam ein internationales Konsortium für 232 Millionen Euro den | |
Zuschlag für eine 67-prozentige Pachtbeteiligung bis 2051. Angeführt wird | |
das Konsortium von der Deutschen Invest Equity Partners. | |
Über 1,5 Quadratkilometer erstreckt sich das Areal des Mittelmeer-Ports. | |
Auf einer Brachfläche nahe dem Containerterminal steht Triantafillos | |
Afentoulidis. Der 47-jährige Bauingenieur arbeitet seit 2002 im Hafen. Auch | |
er ist Gewerkschaftler, auch er ist gegen die Privatisierung und auch er | |
sieht Staatseigentum unter Wert verkauft. Er deutet auf das Hafenbecken. | |
„Hier sollte einmal ein neues Dock für große Containerschiffe entstehen, | |
der Grund wurde bereits aufgeschüttet.“ 2013 sei das Projekt gestoppt | |
worden. [4][2014 startete der HRDAF die Ausschreibung] für die | |
Teilprivatisierung. Wartet auf den Privatinvestor“, habe die Hafenleitung | |
gesagt. „Der macht das alles viel besser.“ | |
## Die Kräne an den Piers sind Relikte | |
Dabei habe es eine Zeit gegeben, in der der Hafen das Projekt selbst habe | |
stemmen können. In der Tat machte die Thessaloniki Port Authority im | |
vergangenen Jahr [5][14 Millionen Euro Gewinn nach Steuern]. „Jahrelang hat | |
der Hafen die Gewinne gespart, um Investitionen zu finanzieren. Stattdessen | |
hat der Staat uns das Geld gestohlen, um die Schulden zu bezahlen“, | |
schimpft Afentoulidis. Durch hohe Dividendenzahlungen habe man dem Hafen 80 | |
Millionen Euro geraubt. | |
Was war passiert? Bereits seit 1999 ist der Hafen von Thessaloniki eine | |
Aktiengesellschaft. Dem Staat gehören 75 Prozent, der Rest befindet sich in | |
Streubesitz. Jährlich zahlt die Hafengesellschaft eine Dividende. Die | |
betrug für das Geschäftsjahr 2011 etwa recht niedrige 40 Cent pro Aktie. | |
2011 wurde die Hafengesellschaft in die Privatisierungsliste des HRDAF | |
aufgenommen – und die Dividendenzahlungen gingen hoch. 1,50 Euro betrug sie | |
für das Geschäftsjahr 2012. Für 2013 gab es [6][eine Extradividende von | |
3,40 Euro pro Aktie] und zusätzlich eine ordentliche Dividende von 60 Cent. | |
Bei 10 Millionen Aktien entspricht das knapp 40 Millionen Euro. Im | |
Folgejahr konnten sich die Aktionäre – also hauptsächlich der griechische | |
Staat – über eine Dividende von immerhin noch 1,95 Euro freuen – obwohl der | |
Hafen für 2014 einen Gewinn pro Aktie von 0,00 Euro auswies. | |
Die außergewöhnlich hohe Dividende habe die Regierung für den | |
Schuldendienst genutzt, mutmaßt Afentoulidis. Das Geld für Investitionen | |
war weg. Die Hafenbehörde ließ eine Anfrage der taz unbeantwortet. | |
Auch hier wären Investitionen bitter nötig. Die Kräne an den Piers sind | |
Relikte aus der Nachkriegszeit, im Verwaltungsgebäude bröckelt die Farbe | |
von der Wand. Jetzt soll die Deutsche Invest Equity mit ihren Partnern | |
investieren. | |
## „Zu Arbeitnehmerrechten steht dort nichts“ | |
Afentoulidis ist skeptisch. Für den nötigen Ausbau des Hafens ist laut | |
eines von der Hafenbehörde erstellten Masterplans eine Investitionssumme | |
von 309 Millionen Euro nötig. Das Konsortium muss aber nur 180 Millionen | |
investieren. Statt 600 Meter solle das neue Dock laut Afentoulidis nun nur | |
400 Meter lang sein, und weniger Schiffe aufnehmen als geplant. Auch seien | |
die Investoren nicht verpflichtet, den Hafen weiter zu vergrößern. „Warum | |
brauchen wir dann eine Privatisierung?“, fragt Afentoulidis spöttisch. | |
Der Gewerkschafter fürchtet auch eine Verschlechterung der | |
Arbeitsbedingungen. In der Ausschreibung für die Privatisierung gebe es | |
alle möglichen Regulierungen. „Zu Arbeitnehmerrechten steht dort nichts.“ | |
Das Gehalt der Hafenarbeiter sei bereits um 35 Prozent reduziert worden. | |
Die Begeisterung, dass nun ausgerechnet ein deutsches Unternehmen in den | |
Hafen einsteigt, ist auch hier gering. Afentoulidis sagt: „Die Deutschen | |
müssen beweisen, dass sie uns wie Partner behandeln können. Bisher | |
betrachten sie uns eher als Kolonie.“ Afentoulidis und auch | |
Flughafen-Gewerkschafter Nanouris haben den Kampf gegen die Privatisierung | |
noch nicht aufgegeben. Im Europaparlament soll dazu eine Anhörung | |
stattfinden, an griechischen Gerichten sind noch Verfassungsklagen | |
anhängig. | |
Unterdessen verpflichtet sich Athen mit der [7][Freigabe neuer Gelder], die | |
Privatisierung weiter voranzutreiben. Unter anderem sollen die Wasserwerke | |
von Thessaloniki unter den Hammer. Ein Yachthafen und ein großes | |
Strandgrundstück in der Nähe der Stadt steht ebenfalls auf der Liste des | |
Privatisierungsfonds. Ob es auch hier Interessenten aus Deutschland gibt, | |
ist nicht bekannt. | |
16 May 2017 | |
## LINKS | |
[1] /5313642 | |
[2] http://www.fraport-greece.com/eng/media-center/news/greek-regional-airports… | |
[3] http://www.attac.de/startseite/detailansicht/news/fraport-kassiert-griechis… | |
[4] http://www.hradf.com/en/portfolio/view/125/thessaloniki-port-authority-s-a-… | |
[5] http://www.thpa.gr/index.php/en/news-articles-1 | |
[6] https://www.boersen-zeitung.de/index.php?li=24&l=0&isin=GRS427003009 | |
[7] /!5406756/ | |
## AUTOREN | |
Jörg Wimalasena | |
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