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# taz.de -- Linke-Abgeordneter zu Protesten in Iran: „Nicht zu massiv jubeln�…
> Der Linke-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat rät dem Westen zur
> Zurückhaltung. Er muss filigran agieren, damit die Proteste Erfolg haben
> können.
Bild: Achtung, Linke: Protest ist auch dann ok, wenn die beabsichtigte Aufhebun…
taz: Herr Movassat, Außenminister Sigmar Gabriel hat sich erst am Montag zu
[1][den Protesten im Iran] geäußert. Zu spät?
Niema Movassat: Ich hätte mir gewünscht, dass er sich schneller äußert. Die
Proteste liefen ja schon einige Tage, sie fanden in 70 Städten statt, es
gab erste Tote. Das ist keine Kleinigkeit.
Und was sagen Sie zum Inhalt seiner Äußerung? Gabriel forderte Teheran nur
vage auf, die Versammlungsfreiheit zu achten.
Ich finde zwar, das Auswärtige Amt sollte als diplomatisches Signal den
iranischen Botschafter einbestellen. Gleichzeitig fände ich es aber falsch,
wenn Deutschland oder andere Staaten jetzt zu massiv über die Proteste
jubeln würden. Der Westen muss filigran agieren.
Sie halten also nichts vom Kurs Donald Trumps, der sich auf Twitter
deutlich hinter die Demonstranten gestellt hat?
Die Menschen im Iran freuen sich sicherlich über Solidarität. Man darf aber
nicht überziehen. Sonst gibt man dem Regime den Anlass zu sagen, hinter den
Protesten würde das Ausland stecken. Diese Behauptung braucht das Regime
ja, um die eigenen Leute auf Linie halten – die Milizen, die Polizei, die
Armee. Sonst erkennen die, dass ihre Freunde, Nachbarn und Verwandten auf
die Straßen gehen, dass man sich kennt und in konkreten Fragen vielleicht
gar nicht so weit auseinander liegt.
Wagen wir mal einen Blick in die Glaskugel: Wohin könnten die Proteste
führen?
Wo das am Ende hingeht, ist unklar. Die Proteste haben die Chance auf
Erfolg: Sie sind sehr breit – anders als 2009 sind nicht nur
AkademikerInnen und Studierende auf der Straße, sondern auch ArbeiterInnen.
Und das Regime scheint sich nicht einig zu sein, wie es reagieren soll.
Gleichzeitig sind die Forderungen aber sehr diffus, dadurch können die
Proteste vielleicht leichter erstickt werden. Im Zweifel wird das Regime
auch die Revolutionsgarden loslassen und alles niederschlagen.
Dann würde der Westen wahrscheinlich über neue Sanktionen diskutieren. Zu
Recht?
Sanktionen im Bereich Militär, Sicherheit und Überwachungstechnik sind
sinnvoll. Ich glaube aber, Wirtschaftssanktionen in breiter Form sind
kontraproduktiv. Die Strategie, die Bevölkerung von außen auszuhungern,
damit es einen Aufstand gibt, gab es schon im Irak gegen Saddam Hussein.
Sie hat dort nicht funktioniert und wird auch im Iran nicht funktionieren.
Wer seine nackte Existenz sichern muss, hat keine Zeit, Revolution zu
machen.
Auslöser der iranischen Proteste war die wirtschaftliche Not. Diese geht
auf mittlerweile aufgehobene Sanktionen zurück.
Na ja, es ist ein bisschen komplizierter. Nach dem Ende der Sanktionen
erholt sich die iranische Wirtschaft jetzt langsam. Die Leute merken aber,
dass zu wenig davon bei ihnen ankommt. Die Taschen einiger weniger füllen
sich, die der Mehrheit aber nicht. Und das Regime kann nicht mehr sagen,
die westlichen Sanktionen seien schuld. Jetzt ist das Regime selber schuld,
weil es nicht für eine gerechte Verteilung des Wohlstandes sorgen kann.
Reagiert das Regime auf die Proteste mit Repressionen, könnte die Situation
auch eskalieren – so wie nach dem Arabischen Frühling in Syrien. Sehen Sie
diese Gefahr?
Das kann man nie ausschließen. Aber das Negativbeispiel Syrien kann nicht
der Grund sein, dass Menschen anderswo ihre Knechtschaft erdulden müssen.
Arabischer Frühling kann ja auch wie in Tunesien ausgehen. Am Ende hängt es
auch davon ab, dass der Westen nicht anfängt, irgendwelche Rebellengruppen
zu bewaffnen wie in in Syrien.
Vielleicht eskalierte die Situation in Syrien aber auch nur, weil das
Ausland die Aufständischen nicht energisch genug beschützt hat. Sollte der
Westen nicht eher daraus seine Lehren ziehen?
Im Iran gibt es eine große Ablehnung internationaler Einmischung. Das Land
ist da ein gezeichnetes Kind, angefangen mit dem CIA-Putsch gegen Premier
Mossadegh im Jahr 1953. Würden die USA und andere die Syrien-Agenda im Iran
umzusetzen, würde das wieder dem Regime helfen, die eigenen Leute
ideologisch zu mobilisieren. Unter diesen Umständen könnten die
Revolutionsgarden bis zu eine Million Kämpfer aufstellen. Dann gibt es
keine Chance mehr für einen demokratischen Umbruch, sondern dann haben wir
einen Bürgerkrieg.
Auf Twitter kritisieren Sie Linke, die jetzt das iranische Regime
verteidigen. Welche Linken meinen Sie damit?
Bei Facebook und Twitter schreiben relativ viele Menschen, die sich
wahrscheinlich im linken Spektrum sehen, dass dieser ganze Aufstand eine
große CIA-Verschwörung sei. Aus meiner Sicht haben die ihren Karl Marx
nicht gelesen. Marx hat geschrieben, es gilt „alle Verhältnisse umzuwerfen,
in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes,
ein verächtliches Wesen ist“. Er hat nicht die Fußnote gesetzt, dass das
nicht gelte, wenn die Aufhebung der Knechtschaft der USA nützen würde. Die
Menschen im Iran gehen nicht für die USA oder für uns auf die Straße,
sondern für sich. Das ist ihr gutes Recht.
Zielen Sie mit Ihrer Kritik auch auf Mitglieder Ihrer Partei?
Nein, überhaupt nicht. Zu meinen Positionen zum Iran bekommen ich aus der
Partei bisher nur Zustimmung.
2 Jan 2018
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[1] /Proteste-im-Iran/!5471603
## AUTOREN
Tobias Schulze
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