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# taz.de -- Musikerin über die Vulva als Symbol: „Das schließt Transfrauen …
> Auch ein Penis könne ein weibliches Genital sein, sagt FaulenzA. Ein
> Gespräch über Transweiblichkeiten und die Probleme mit dem Vulva-Kult.
Bild: In ihrer Fotoarbeit „Lying Still“ beschäftigt sich Piontek mit weibl…
taz: FaulenzA, ob Vulvakunst oder Parolen wie „Vulva la Revolucion“ – in
feministischen Kreisen gibt es einen Vulvakult. Was stört Sie daran?
FaulenzA: Ich finde diese Art Empowerment zwar einerseits wichtig, auf der
anderen Seite finde ich es aber schwierig, wenn über körperliche Merkmale
eine Gemeinschaft geschaffen wird. Wenn man sagt: „Wir Frauen [1][haben
eine Vulva], wir [2][Frauen menstruieren]“, ist ja schon klar, wer
dazugehört und wer nicht. Viele Transfrauen, Interpersonen oder
Transmännlichkeiten nicht.
Kann es nicht auch okay sein, wenn nicht alle dabei sind?
Na ja, die Verbindung von „Vulva gleich Frau“ oder „Menstruation gleich
Frau“, die im Feminismus ziemlich stark ist, spricht Transfrauen ab, dass
sie Frauen sind, weil sie einen anderen Körper haben.
Fehlt in der feministischen Szene die Akzeptanz für Geschlechter mit
verschiedenen Körpern?
Ja, leider. Oft wird nicht gesehen, dass Transfrauen auch einen weiblichen
Körper haben. Egal, ob sie Hormone nehmen oder nicht.
Wann ist ein Körper denn weiblich?
Das liegt allein an der Definition des Menschen. Manche Frauen definieren
ihr Genital als Vulva, auch wenn die Gesellschaft sagt, es sei ein Penis.
Andere Transfrauen definieren ihr Genital als Penis, aber auch dann ist der
Penis ein weibliches Genital. Manche machen geschlechtsangleichende
Operationen, wie ich auch. Die Neovulvas passen dann auch nicht unbedingt
in die Norm.
Spätestens mit Judith Butler wird Geschlecht oft als etwas Soziales
verstanden. Sind Menstruations- und Vulvahype ein Rückschritt zur
Körperlichkeit?
Ich sehe, dass sich einerseits Leute Gedanken machen, wie Geschlecht
gesellschaftlich konstruiert wird. Andererseits wird Körpern ein bestimmtes
Verhalten zugeschrieben. Viele denken: „Penis gleich sexistisch“, dann
gibt’s so Parolen wie „Schwanz ab – Sexismus militant bekämpfen“. Als …
eine Person, die einen Penis hat, sich dadurch aggressiver oder mackeriger
verhalten würde. Das ist ja total Quatsch.
In Ihrem Buch schreiben Sie über Transmisogynie. Was heißt das?
Diskriminierung von Transweiblichkeiten.
Warum sagen Sie Transweiblichkeiten und nicht Transfrauen?
Ich versuche dadurch, ein breiteres Spektrum an Geschlechtern abzubilden.
Manche verordnen sich weder als Mann noch als Frau, aber schon eher
weiblich.
Können Sie Transmisogynie noch genauer erklären?
Ich verstehe es als Zusammenwirken aus verschiedenen Diskriminierungsformen
wie Transfeindlichkeit, Frauenhass, Ableismus, also Diskriminierung von
Menschen, die behindert werden oder als verrückt gelten, und Klassismus,
also Diskriminierung aufgrund von Armut oder sozialem Status.
Was hat Klassismus mit Transfeindlichkeit zu tun?
Transweiblichkeiten sind besonders häufig von Armut und Wohnungslosigkeit
betroffen. Das führt dazu, dass sie besonders häufig unter ihrer
beruflichen Qualifikation arbeiten. Das habe ich auch selbst gemerkt: Ich
wollte in einer Kita arbeiten, habe aber überhaupt nichts bekommen, obwohl
der Bedarf groß war. Da gibt’s viele Vorbehalte.
Trifft das nicht auch auf Transmänner zu?
Transmänner haben es oft leichter, weil sie häufiger als Cismänner
durchgehen. Wenn Transmänner zum Beispiel Hormone nehmen, kriegen viele
eine tiefe Stimme oder ’nen Bart.
Mit Cis bezeichnet man das Gegenteil von Trans …
Ja, es ist wichtig, ein Wort dafür zu haben. Sonst könnte man denken, es
gebe nur „normal“ und „trans“, und „trans“ wäre dann unnormal.
Und inwiefern haben Transfrauen es schwerer als Transmänner?
Transfrauen sind auch deshalb benachteiligt, weil es in unserer
patriarchalen Gesellschaft [3][ohnehin für Frauen schwieriger ist], eine
gute Arbeit zu bekommen.
Welche Rolle spielt Ableismus?
Weiblichkeit gilt ja sowieso schon als was Verrücktes. Dazu kommt, dass
Trans als Krankheit gilt. Der Schlüssel ist F64-0, das fällt unter
Persönlichkeitsstörungen. Die Gesellschaft nimmt das als verrückt wahr. Das
führt zur praktischen Diskriminierung im Gesundheitssystem.
Zum Beispiel?
Wenn man Hormone nehmen will oder eine Operation braucht, muss man zum
„Alltagstest“. Das heißt anderthalb Jahre Zwangstherapie.
Therapie ist doch häufig etwas Hilfreiches.
Aber im Rahmen dieser Zwangstherapie taugt das gar nichts. Du gehst zu
irgendeiner Cisperson, die dann beurteilen soll, ob du trans genug bist. So
kann Therapie doch gar nicht funktionieren, wenn du den Therapeuten von
irgendwas überzeugen musst.
Wie war das bei Ihnen?
Mir wurden die intimsten Fragen gestellt, immer wieder. Ich musste sagen,
wie meine Unterwäsche aussieht, musste mein Genital beschreiben, meine
Brüste, von Diskriminierung in Kindheit und Jugend erzählen, von
Sexualität. Da gab’s viele Sitzungen, nach denen ich am Boden zerstört war.
Aber man darf es sich mit denen nicht verscherzen, man braucht das „Ja“.
Man ist ausgeliefert. Bei einem wollte ich mir eine dicke Winterjacke
anziehen, weil der so auf meinen Körper gestarrt und gefragt hat, wie ich
nackt aussehe.
Zahlt die Krankenkasse für die Operation?
Nicht immer komplett. Ich musste 3.500 Euro zuzahlen, denn die bezahlen nur
das Billigste.
Also kommt es drauf an, wie man sein Genital gerne hätte?
Ja. Ich war bei einem Arzt, der sich Mühe gibt, damit du noch viel Gefühl
in der Vulva hast, Penetrationssex haben kannst, damit es sensibel ist und
feucht werden kann. Das ist für die Kasse ein unnötiger Luxus. Dafür muss
man selbst zahlen.
Welche Körperveränderungen haben Sie noch gemacht?
Letztes Jahr habe ich die Brustvergrößerung gemacht, dieses Jahr die zwei
Operationen für die Neovulva und eine Gesichtsfeminisierung, da wurde die
Stirn abgeflacht und die Augenbrauen wurden ein bisschen angehoben. Mir war
klar, dass ich alles machen will, was es an Epilationen, Hormonen,
Operationen gibt. Weil ich diesen cisweiblichen Körper, auf den ich so
neidisch war, so gut es geht haben wollte. Was ich gerne noch machen würde,
ist den Kehlkopf abzuflachen. Ansonsten mache ich gerade noch
Stimmtraining.
In Ihrem Buch kritisieren Sie die queerfeministische Szene als teilweise
transmisogyn. Wie zeigt sich das?
In der Szene dominiert ein männlicher Style. Weil viele die weibliche
Rolle, die ihnen die Gesellschaft aufdrückt, verständlicherweise ablehnen
und sich das aneignen, was als männlich gilt. Der Minirock ist uncool, die
Jogginghose ist cool; rational sein ist cool, emotional sein ist uncool.
Was als weiblich gilt, wird abgewertet, Lippenstift wird belächelt. Für
viele Transfrauen ist das schwierig. Für mich sind alle als feminin
geltenden Sachen sehr wichtig, um meine Weiblichkeit zu zeigen und zu
feiern.
Sie haben das auch in Räumen für FLTIQ (Frauen, Lesben, Trans, Inter,
Queers) erlebt.
Viele Cisfeministinnen haben keine Lust auf Transfrauen in Frauen- oder
FLTIQ-Räumen. Sie denken, Transfrauen sind eigentlich Männer und
Transmänner eigentlich Frauen. Sie sagen, es sei ihnen wichtig, mit Leuten
abzuhängen, die die gleiche Sozialisation haben. Aber das ist Quatsch, weil
ja auch Cisfrauen ganz unterschiedlich sozialisiert sind. Sie sagen, wir
Transfrauen hätten eine männliche Sozialisation. Dahinter steht der
Gedanke, dass Transfrauen vor ihrem Coming-out einfach glücklich als
Cismann leben und eines Morgens aufwachen und entscheiden, dass sie eine
Transfrau sind. Dass Transmädchen von klein auf gezwungen werden, so zu
tun, als seien sie ein Junge, sehen Cisfeministinnen oft als Privileg und
nicht als Gewalt, die Kindern angetan wird.
Wie äußert sich cisfeministische Transmisogynie konkret?
Wenn eine Cisfrau das Geschirr nicht spült, gilt sie als faul oder es ist
sogar ein feministischer Verweigerungsakt. Bei Transfrauen ist das gleich
mackerig und männlich. Wenn eine Cisfrau sich im Plenum selbstbewusst gibt,
wird das als stark angesehen, bei einer Transfrau als mackerig und
männlich. Transfrauen werden leider von vielen nicht in ihrer
Geschlechtsidentität ernstgenommen, das wird einfach nicht verstanden.
Wie ist es als Transfrau in der Rapszene?
Es gibt zum Glück eine queerfeministische Rapszene, da gibt es coole
Raperinnen, mit denen es sehr viel Spaß macht. Und dann gibt es die Rapwelt
da draußen. Manchmal werde ich ausgelacht oder bekomme Hate-Kommentare im
Internet. Trotzdem ist es mir wichtig, auch Menschen außerhalb der
queerfeministischen Szene zu erreichen. Und das Positive überwiegt. Viele
schreiben mir, dass sie sich durch meine Musik oder mein Buch bestärkt
fühlen, sie selbst zu sein. Das gibt mir Kraft, weiterzumachen.
8 Mar 2018
## LINKS
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## AUTOREN
Katharina Schipkowski
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