Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar EU-Verfahren gegen Polen: Wenn zwei sich streiten
> Die EU eröffnet ein Strafverfahren gegen Polen. Der
> nationalpopulistischen PiS-Regierung ist das nur recht – sie strebt den
> „Polexit“ an.
Bild: Gericht in Warschau: Die EU-Kommission sieht die Unabhängigkeit der poln…
Polen lieben Superlative: Man will zu den Ersten gehören, zu den Größten
und Besten. Nun steht Polen erneut ganz oben auf dem Treppchen, doch es
gibt keinen Grund zum Feiern. Nicht Stolz, sondern Scham verspüren die
meisten im Land. Am Mittwoch, den 20. Dezember 2017, eröffnete die
Europäische Kommission [1][ein Strafverfahren nach Artikel 7] des
EU-Vertrages gegen ein Mitglied.
Dieser Tag wird in die Geschichte eingehen. Denn dies passiert zum ersten
Mal in der Geschichte der Gemeinschaft. Und das erste Land, das es trifft,
ist ausgerechnet Polen, dessen Bürger so große Ambitionen haben. Nun werden
sie EU-weit angeprangert, mit ihren Gesetzen die Rechtsstaatlichkeit im
eigenen Lande zu gefährden.
„Dies ist ein trauriger Tag“, kommentierte EU-Ratspräsident Donald Tusk die
Einleitung des Verfahrens gegen sein Heimatland. Traurig ist der Tag für
beide Seiten – nicht nur für Polen, sondern auch für alle anderen
EU-Mitgliedsstaaten.
Polens nationalpopulistische Regierung indes lacht darüber nur. Sie
steuerte ganz bewusst auf diese Katastrophe zu. Anders als den
EU-Politikern in Brüssel oder Straßburg liegt Jaroslaw Kaczynski (68), dem
Parteivorsitzenden der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und
Gerechtigkeit (PiS), nichts an Kompromissen und einer Verständigung mit den
Partnern. Im Gegenteil: je mehr Streit, desto besser. Ganz nach dem Motto:
„Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“.
In Polen funktioniert das hervorragend: die Opposition ist zerstritten, die
Zivilgesellschaft machtlos. Seit die PiS vor zwei Jahren die Wahlen gewann,
attackieren Polens Präsident, die Regierungschefs und polnischen Minister
die EU. Polens Bürger sollen das Gefühl bekommen, dass es neben der Nato
und den USA nur eine einzige Macht gibt, die sie vor drohenden Gefahren und
angeblich ungerechten EU-Richtlinien schützen kann: die Kaczynski-Partei.
Ziel der Partei ist der „Polexit“. Die wirtschaftliche Entwicklung in Polen
ist so positiv, dass es nur mehr eine Frage der Zeit ist, wann sich Polen
vom Netto-Empfänger der EU zum Netto-Zahler wandelt. Kurz davor will
Kaczynski sein Land aus der EU führen, die Schuld dafür aber Brüssel und
den anderen Mitgliedsstaaten in die Schuhe schieben. Streit mit der EU und
Prozesse und Strafen sind dem nationalistischen Politiker daher hoch
willkommen. Dadurch lässt sich prima eine Anti-EU-Stimmung bei den Bürgern
erzeugen.
„Wir lassen uns nicht erpressen“, versicherte Polens neuer Premier Mateusz
Morawiecki vor ein paar Tagen. Und am Mittwoch setzte Präsident Andrzej
Duda nicht nur seine Unterschrift unter die letzten beiden umstrittenen
Justiz-Reformgesetze, sondern machte in einem Fernsehinterview auch klar,
wie „sehr viele Vertreter europäischer Institutionen“ einzuschätzen seien:
„Sie lügen, wenn sie über Polen reden.“
Auch dieser Satz wird in die Geschichte der EU eingehen. Ein wirklich
trauriger Tag.
21 Dec 2017
## LINKS
[1] /!5469622
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
EU-Reform
PiS
Polen
Polen
Polen
Polen
Polen
Polen
Mateusz Morawiecki
Polen
Polen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Polnisch-irischer Justizstreit: High Court sagt „Nie“
Polen forderte, dass Irland einen mutmaßlichen Drogenschmuggler ausliefert.
Ein irisches Gericht weist das ab. Der Fall geht an den EuGH.
Rechtsextremismus in Polen: Neonazis feiern Hitler
Ein Bericht mit versteckter Kamera zeigt die Huldigung Adolf Hitlers. Zwar
gab es erste Verhaftungen. Doch Polen wird insgesamt immer brauner.
Kommentar Sexualstraftäter in Polen: Populismus statt Opferschutz
Auch ehemalige Sexualstraftäter haben ein Recht auf Privatsphäre.
Prävention wäre sinnvoller, als sie an den Pranger zu stellen.
Justiz in Polen: Sexualstraftäter am Pranger
Seit dem 1. Januar sind alle Daten von Verurteilten online abrufbar. Der
Minister begründet diese Maßnahme mit dem Schutz von Opfern.
EU-Verfahren gegen Mitgliedstaat: Polen hat es auf die Spitze getrieben
Zum ersten Mal leitet Brüssel ein Verfahren wegen Gefährdung von
Grundwerten gegen ein EU-Land ein. Was bedeutet das? Fragen und Antworten.
Sanktionen gegen Polen: EU-Kommission beantragt Verfahren
Anfang 2016 erhob Brüssel erstmals Bedenken wegen möglicher
Rechtsstaatsverstöße. Es ist das erste Verfahren dieser Art in der
Geschichte der Gemeinschaft.
Kommentar Regierungserklärung Polen: Der Puzzlespieler aus Warschau
Die EU ist für Polens neuen Premier nur ein Puzzle. Wichtiger als
Deutschland und Frankreich sind ihm Ost-Allianzen und die USA.
Neuer Ministerpräsident in Polen: Eine „Regierung der Fortsetzung“
Polens neuer Ministerpräsident Morawiecki will den rechtskonservativen Kurs
des Landes fortsetzen. Die EU soll zudem Polens Eigenheiten akzeptieren.
EU-Sanktionen gegen Polen: Die EU spielt mit dem roten Knopf
Das EU-Parlament droht Polen mit dem Entzug des Stimmrechts im
EU-Ministerrat. Es kritisiert die Reformen der rechtskonservativen
Regierung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.