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# taz.de -- EU-Sanktionen gegen Polen: Die EU spielt mit dem roten Knopf
> Das EU-Parlament droht Polen mit dem Entzug des Stimmrechts im
> EU-Ministerrat. Es kritisiert die Reformen der rechtskonservativen
> Regierung.
Bild: Polen inszeniert seine Unabhängigkeit – die EU hält dagegen
Das Neue
Das Europaparlament will Verstöße gegen den Rechtsstaat in Polen prüfen.
Zudem droht es damit, ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags
einzuleiten. Dieser Artikel enthält die sogenannte Nuklearoption – den
Entzug des Stimmrechts im EU-Ministerrat. Diese Möglichkeit wurde noch nie
genutzt; sie gilt als schärfste Waffe zur Verteidigung des Rechtsstaats in
der EU. Die EU-Abgeordneten stimmten am Mittwoch in Straßburg dafür,
zunächst eine formale [1][Überprüfung] der Lage in Polen vorzubereiten.
Dabei soll es vor allem um die von der rechtskonservativen Regierung in
Warschau eingeleiteten Justizreformen sowie um Eingriffe in die Medien- und
Versammlungsfreiheit gehen.
Es drohe „eindeutig ein schwerwiegender Verstoß“ gegen europäische
Grundwerte, heißt es in der Resolution, die mit 438 Stimmen bei 152
Neinstimmen und 71 Enthaltungen angenommen wurde. Sollte die Prüfung
negativ ausfallen, könnte das Parlament den Ministerrat in einem zweiten
Schritt auffordern, das Artikel-7-Verfahren einzuleiten.
Der Kontext
Die EU erhebt seit Langem schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Warschau.
Die EU-Kommission hatte bereits Anfang 2015 den sogenannten
Rechtsstaatsmechanismus in Gang gesetzt. Seitdem hat die polnische
Regierung mehrere Aufforderungen ignoriert, eine unabhängige
Verfassungsgerichtsbarkeit zu garantieren. Zuletzt wurden auch Mahnbriefe
der EU-Kommission nicht mehr beantwortet.
Stattdessen versucht die Regierung, ihren Einfluss auf die Justiz weiter
auszubauen. Im Sommer riss Brüssel der Geduldsfaden. Sollte Warschau es
wagen, Richter des obersten Gerichtshofs zu entlassen, werde man „mit
sofortiger Wirkung“ auf den roten Knopf drücken und das Artikel-7-Verfahren
auslösen, drohte Vizepräsident Frans Timmermans. Allerdings hat er seine
Drohung nicht wahr gemacht. Sie wird nun vom Europaparlament erneuert.
Die Reaktionen
Polens Regierungschefin Beata Szydło bezeichnete die Ereignisse im
Europaparlament als „skandalös“. Derweil verließ die konservative
EKR-Fraktion, zu der auch die polnische Regierungspartei PiS zählt, unter
Protest den Saal des EU-Parlaments. „Es geht hier nicht um
Rechtsstaatlichkeit“, sagte der PiS-Abgeordnete Ryszard Legutko. „Man
möchte einfach zeigen, wer den Hammer in der Hand hält“, behauptete er. Das
Ganze sei „eine antipolnische Orgie“.
Die Konsequenz
Die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen der EU und Polen dürften sich
weiter abkühlen. Eine praktische Konsequenz hat das Votum aber nicht. Denn
die EU-Abgeordneten wollen erst das Ergebnis ihrer Untersuchung abwarten.
Danach will das Plenum darüber abstimmen, ob es den Ministerrat auffordert,
ein Verfahren nach Artikel 7 einzuleiten. Für den Entzug des Stimmrechts
ist allerdings Einstimmigkeit gefordert. Ungarn, gegen das ebenfalls ein
Rechtsstaatsverfahren läuft, hat schon ein Veto angekündigt.
15 Nov 2017
## LINKS
[1] /Kommentar-EU-Verfahren-gegen-Polen/!5460905
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Polen
PiS
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