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# taz.de -- Ministerpräsident Woidke über Polen: „Ganz viele kleine Dinge h…
> Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) koordiniert die
> Beziehungen Deutschlands zu Polen. Im Moment keine einfache Aufgabe, sagt
> er.
Bild: Zehntausende Nationalisten demonstrierten zuletzt in Warschau
taz: Herr Woidke, am vergangenen Wochenende gab es in Warschau einen
teilweise rechtsextremen Aufmarsch mit Parolen wie „Für ein weißes Europa“
oder „Für ein Polen ohne Juden“.
Dietmar Woidke: Das macht mir große Sorgen.
Zuvor haben Sie am Rande des Treffens der Deutsch-Polnischen Gesellschaften
in Potsdam den polnischen Botschafter Andrzej Przyłębski getroffen. Worüber
haben Sie mit ihm gesprochen?
Wir haben ein gutes Verhältnis und ich habe mich gefreut, dass er bei
diesem Treffen zu Gast war. Ich betrachte das als Signal, dass der Dialog
auch von der polnischen Regierung gesucht wird. Ich habe ihm gesagt, dass
ich hoffe, dass es möglichst schnell wieder einen neuen Koordinator für die
deutsch-polnische Zusammenarbeit auf der polnischen Seite gibt.
Der bisherige Koordinator Jakub Skiba wurde Direktor der polnischen
Wertpapierbank. Hat der Botschafter Ihnen zu verstehen gegeben, dass es
bald einen Nachfolger gibt?
Ich gehe nach verschiedenen Gesprächen, auch mit dem Botschafter, davon
aus, dass es die polnische Regierung weiterhin für sinnvoll erachtet, einen
Koordinator zu haben. Er ist ja der direkte Ansprechpartner. Wer es werden
wird und wann die Berufung kommt, das kann wohl noch etwas dauern.
Was wäre das Signal, wenn es auf polnischer Seite keinen Koordinator mehr
gäbe?
Davon gehe ich nicht aus – und das wäre mit Sicherheit ein schlechtes
politisches Signal. Gerade die Grenzregionen auf deutscher und polnischer
Seite sind darauf angewiesen, dass die Zusammenarbeit funktioniert. Das ist
auch unser Schwerpunkt. Wir kümmern uns nicht so sehr um die großen
politischen Linien zwischen beiden Ländern, das ist Sache der
Außenministerien beziehungsweise der Staatschefs. Unser Geschäft sind die
ganz vielen kleinen Dinge, die den Menschen im Alltag helfen. Das sollte
weitergehen, das ist die Basis der guten deutsch-polnischen Beziehungen,
die wir heute haben.
Hat Sie der Botschafter auch auf den Satz der Verteidigungsministerin
angesprochen, sie freue sich über den Widerstand der jungen Generation in
Polen? Das hatte in Warschau für viel Empörung gesorgt, weil sich Berlin
angeblich in innere Angelegenheiten Polens eingemischt habe.
Mir scheint hier ein Missverständnis vorzuliegen, das Frau von der Leyen
längst aufgeklärt hat. Ich bedaure jedoch sehr, dass einige Kräfte in Polen
auch das genutzt haben, um gegen Deutschland zu polemisieren. Entscheidend
ist für mich jedoch, dass der Botschafter mit seinem Besuch bei den
Deutsch-Polnischen Gesellschaften das Signal gesetzt hat, dass wir weiter
gute, stabile deutsch-polnische Beziehungen brauchen. Manches geht auch
vorwärts. So wurde gerade der zweite Teil des deutsch-polnischen
Geschichtsbuchs fertig. Ein didaktisch richtig gutes und modernes Werk.
Bis zu von der Leyens Äußerung hatte man den Eindruck, dass die
Bundesregierung zu den problematischen Entwicklungen in Polen schweigt und
diese Themen lieber der EU-Kommission überlässt. Hat sich das jetzt
geändert?
Gerade vor dem Hintergrund der deutsch-polnischen Geschichte ist es für
Deutsche nach wie vor schwierig, in Richtung Polen den Zeigefinger zu
heben. Wir sollten da auch weiterhin eine gewisse Zurückhaltung an den Tag
legen. Das heißt nicht, dass wir es im geeigneten Kontext nicht ansprechen.
Wir reden aber über Themen, die nicht nur Deutsche und Polen untereinander
zu klären haben, da die gesamte EU davon betroffen ist. Die Mitgliedschaft
in der Europäischen Union ist nun mal an Regeln gebunden. Diese Regeln
gelten für Deutschland genauso wie für Polen. Brüssel ist deshalb der
richtige Ansprechpartner. Es ist das Recht und auch die Pflicht der
Kommission, die Einhaltung der EU-Standards zu überwachen.
Wenn es um deutsch-polnische Fragen geht, etwa die Forderung nach
Reparationen, dann sind Sie selbst alles andere als zurückhaltend. Da haben
Sie sogar von einem Spuk gesprochen, den es da in Warschau gebe.
Hier handelt es sich tatsächlich um eine Frage, die nicht die EU betrifft,
sondern Deutsche und Polen. Ich habe den Eindruck, dass hier ein Thema
hochgezogen wird, um – wie bei Ursula von der Leyen – Stimmung gegen
Deutschland zu machen. Eine solche Stimmung kann auch schnell die ganze
Zusammenarbeit in Frage stellen.
Was halten Sie inhaltlich von diesen Forderungen?
Gar nichts. Das ist längst abgeschlossen.
Was steckt dahinter?
Es steht mir nicht zu, im Detail über die Absichten der polnischen
Regierung zu mutmaßen. Vielleicht sind wir gar nicht der Adressat, sondern
es wird schlicht versucht, dadurch nach innen Stärke zu zeigen. Aber all
das hat bisher die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht negativ
beeinträchtigt.
Beim Festival Woodstock in Kostrzyn wurde auf Druck von Warschau die
Zusammenarbeit mit der Brandenburger Feuerwehr gekündigt.
Das war ein schlechtes Beispiel, das gezeigt hat, dass es in Warschau
mitunter eine andere Auffassung über die Zusammenarbeit gibt als in der
Grenzregion selber. Ich bedauere diesen Vorfall sehr. Selbstverständlich
habe ich mich dafür eingesetzt, dass die lokale Zusammenarbeit dennoch
klappt. Und ich freue mich, dass ich dafür viel Zustimmung bekommen habe.
Sie sagen, es ist das Interesse der Marschälle, also der polnischen
Ministerpräsidenten und auch der Stadtpräsidenten, die gute Zusammenarbeit
fortzusetzen. Nun hat die PiS das Ziel, auch die westpolnischen Städte
Stettin, Posen und Breslau zu erobern. Schauen Sie mit Sorge auf die
Kommunalwahlen 2018?
Ich habe sehr gute, auch persönliche Beziehungen zu vielen der regionalen
Politiker. Jeder Bürgermeister und Stadtpräsident, der sich zur Wahl
stellt, wird das Ziel haben, seine Region möglichst gut zu entwickeln. Dazu
gehört in der polnischen Grenzregion unweigerlich die gute Zusammenarbeit
mit Deutschland. Das sagen auch Politiker der PiS in dieser Region.
Deswegen glaube ich nicht, dass das an einzelnen Personen hängt.
Am Mittwoch wurde eine Initiative vorgestellt, in der Mitte Berlins ein
Denkmal zu errichten, dass an die Opfer der deutschen Besatzung erinnert.
Unterstützen Sie diese Initiative?
Ich halte diese Initiative für richtig. Gerade Polen hat unter dem
deutschen Angriffskrieg und der deutschen Besatzung gelitten, deshalb ist
es notwendig, immer wieder an die deutsch-polnische Geschichte zu erinnern,
an die Gräuel, die Deutsche den Menschen in Polen angetan haben. Dafür gibt
es bisher keinen adäquaten Ort, wie wir ihn etwa mit dem Holocaust-Mahnmal
haben. Ich kann mir gut vorstellen, Polen in die Frage nach dem Standort
einzubeziehen.
Sie reden immer wieder von den guten Ergebnissen im Grenzgebiet. Es ist
Ihnen bislang aber nicht gelungen, die Bundesregierung davon zu überzeugen,
dass der Ausbau der Bahnverbindung nach Stettin zweigleisig sein muss.
Das ist tatsächlich ein langwieriger und etwas steiniger Prozess. Das ist
eine eminent wichtige Verbindung zwischen den großen und wachsenden Zentren
Berlin und Stettin. Meine Meinung, auch als Ministerpräsident des Landes
Brandenburg, ist da ganz klar: Ein eingleisiger Ausbau der Strecke würde
nur bedeuten, dass wir in zehn Jahren wieder über die Zweigleisigkeit reden
würden, da diese in der Region dringend benötigt wird. Wir sollten da
gleich die richtige Entscheidung treffen. Anfang kommenden Jahres wollen
wir zum nächsten deutsch-polnischen Bahngipfel nach Potsdam einladen. Wir
werden mit diesem Thema nicht ruhen, bis in der Bundesregierung die
Entscheidungen richtig gefallen sind. Das betrifft übrigens auch die
Strecke nach Breslau.
Der Kulturzug nach Breslau wurde gerade als Kulturmarke ausgezeichnet. Ein
Erfolg?
Neben Stettin ist Breslau eine Hauptadresse für uns. Ich habe mich über die
Auszeichnung sehr gefreut, weil es ein harter Kampf war, diesen Kulturzug
aufs Gleis zu setzen. Wir zahlen dafür gemeinsam mit Berlin. Aber der
Kulturzug kann eine reguläre Verbindung nicht ersetzen. Wir brauchen eine
gute, attraktive Verbindung, die nicht nur am Wochenende fährt. Der
vorherige Bahnchef Grube hatte in Aussicht gestellt, dass ab Dezember 2018
wieder ein regulärer Fernzug zwischen Berlin und Breslau fahren könnte.
Alle Bauarbeiten sollen dann soweit abgeschlossen sein. Ich werde darauf
drängen, dass die deutsche und die polnische Bahn an diesem Ziel
festhalten.
Auch beim Thema Sicherheit läuft die Zusammenarbeit mit Polen gut.
Ich bin froh, dass wir das deutsch-polnische Polizeiabkommen haben und dass
die Polizeien von beiden Seiten unkomplizierter kooperieren können. Das ist
ein großer Fortschritt. Das betrifft auch die Zusammenarbeit bei der
Strafverfolgung und der Justiz. Aber wir müssen dabei noch weiter kommen.
Im Dezember ist der zehnte Jahrestag des Beitritts Polens zum
Schengenabkommen. Ein Grund zum Feiern?
All das, was inzwischen an Zusammenarbeit stattfindet, auch wirtschaftlich,
wäre nicht möglich gewesen, wenn es weiterhin lange Schlangen und Staus an
der Grenze geben würde. Die meisten Unternehmen auf deutscher Seite haben
inzwischen Partnerunternehmen oder sogar Filialen in Polen. Und umgekehrt
auch. Das wäre ohne Schengen unmöglich gewesen.
Würden Sie ausschließen, dass es in naher Zukunft wieder über längere Zeit
hinweg Grenzkontrollen geben wird?
Das wäre es ein großer Rückschlag. Ein Rückschlag für die Kooperation, für
die Wirtschaft. Deshalb hoffe ich nicht, dass es dazu kommt.
Ihre Partei wird der nächsten Bundesregierung nicht angehören. Können Sie
sich trotzdem vorstellen, dass Sie dieses Amt weiter bekleiden?
Ich kann mir alles mögliche vorstellen. Das ist ein Ehrenamt, das ich sehr
gerne mache. Viele Brandenburger Interessen verbinden sich mit einem guten
Verhältnis zu Polen. Als Ministerpräsident in Brandenburg bin ich laut
Verfassung ohnehin dazu verpflichtet, mich für gute Verhältnisse mit Polen
einzusetzen. Die Entscheidung treffe aber nicht ich.
17 Nov 2017
## AUTOREN
Uwe Rada
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