| # taz.de -- Open-Air-Festival in Kostrzyn: Warschau mag kein Woodstock | |
| > Am Donnerstag startet die „Haltestelle Woodstock“ in Polen. Es könnte f�… | |
| > das größte Umsonst-und-draußen-Festival Europas das letzte Mal sein. | |
| Bild: Schlamm und freie Liebe. Nicht im Sinne der PiS | |
| Berlin taz | Die gute Nachricht zuerst. Das Festival „Haltestelle | |
| Woodstock“ gleich hinter der Grenze im polnischen Kostrzyn findet statt. Ab | |
| Donnerstag werden wieder Hunderttausende zum größten | |
| Umsonst-und-draußen-Konzert Europas pilgern. Viel Musik, viel Bier, ein | |
| bisschen Yoga und gerne auch mal in den Schlamm: das schätzen nicht nur | |
| partybegeisterte Polinnen und Polen. Auch aus Deutschland waren immer mehr | |
| Fans zu dem Festival angereist, das bereits zum 23. Mal stattfindet. | |
| Und nun die schlechte Nachricht. Laut Organisator Jerzy Owsiak könnte das | |
| diesjährige Woodstock-Festival auch das letzte sein. „Wir packen das nicht | |
| mehr“, sagte Owsiak Ende Juli bei einem sehr emotionalen Auftritt vor der | |
| Presse. „Die ständig neuen Auflagen, das ist einfach Wahnsinn.“ | |
| Schon im vergangenen Jahr hatte das Innenministerium in Warschau das | |
| Festival, zu dem 2014 750.000 Menschen angereist waren, als „Veranstaltung | |
| mit erhöhtem Risiko“ eingeordnet. Das Gelände musste abgesperrt und mehr | |
| Sicherheitspersonal musste eingestellt werden. In diesem Jahr sprach | |
| Innenminister Mariusz Błaszczak wegen der offenen Grenze zu Deutschland von | |
| einer „terroristischen Gefahr“. Gleichzeitig untersagte er, wie in der | |
| Vergangenheit üblich, dass Berliner und Brandenburger Feuerwehrkräfte | |
| gemeinsam mit ihren polnischen Kollegen für Sicherheit sorgen. Zur | |
| Begründung sagte sein Vizeminister Jakub Skiba: „Wegen der terroristischen | |
| Bedrohung werden die Sicherheitskräfte allein nach dem polnischen | |
| Rettungssystem arbeiten.“ | |
| Dass es am Donnerstag überhaupt losgehen kann, ist Andrzej Kunt zu | |
| verdanken, dem Bürgermeister von Kostrzyn. Kunt hatte am 21. Juli das | |
| Festival mit seiner Unterschrift genehmigt, allerdings unter strengeren | |
| Sicherheitsvorschriften. So dürfen sich vor der großen Bühne nur noch | |
| 50.000 Fans aufhalten. Insgesamt rechnet die Stadt in diesem Jahr mit | |
| 400.000 Besuchern. Kunt hatte zudem Innenminister Błaszczak eingeladen, | |
| nach Kostrzyn zu reisen und sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. | |
| „Wenn er sieht, was die Leute für eine Arbeit leisten, würde er vielleicht | |
| seine Meinung ändern“, sagte Kunt der Gazeta Lubuska. | |
| Weil dem Festival das Aus drohte, hatte sich auch Brandenburgs | |
| Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) eingeschaltet. Woidke, der auch | |
| Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit | |
| ist, hatte in einem Brief Unverständnis dafür geäußert, dass die bewährte | |
| Kooperation zwischen polnischen und deutschen Sicherheitskräften | |
| aufgekündigt wurde. | |
| Seinen Brief beantwortete Vizeinnenminister Skiba mit dem Vorwurf, er sei | |
| darüber beunruhigt, dass die deutsche Seite das Thema zu einer „politischen | |
| und internationalen Angelegenheit“ machen wolle. Stattdessen sollte sich | |
| Brandenburg darauf konzentrieren, die Grenze zu bewachen, schrieb Skiba mit | |
| Hinweis auf die „Migrationskrise“ auf der deutschen Seite des | |
| Grenzgebiets. | |
| Diese Antwort ist schon deshalb interessant, weil Skiba, wie Woidke, in | |
| Warschau für die Zusammenarbeit beide Länder zuständig ist. Erst vor zwei | |
| Jahren hatte Woidke das deutsch-polnische Polizeiabkommen mit Warschau | |
| unterzeichnet, dass es unter bestimmten Umständen deutschen Beamten | |
| erlaubt, in Polen Täter zu verfolgen und umgekehrt. Während seines Besuchs | |
| in Breslau am vergangenen Sonntag gab sich Woidke gegenüber der taz | |
| optimistisch, dass es dabei bleibt. „Derzeit gibt es keine Anzeichnen, dass | |
| sich daran etwas ändert.“ | |
| Noch vor Jahren war das Festival von den Präsidenten beider Länder eröffnet | |
| worden. Dass Woodstock der PiS-Regierung in Warschau ein Dorn im Auge ist, | |
| wundert nicht. Woodstock in Polen, schreibt die liberale Gazeta Wyborcza, | |
| ist „Tanzen im Regen, waten in Pfützen, freie Liebe, das Vergnügen der | |
| Blumenkinder“. Jerzy Owsiak sagt es in Anspielung auf die jüngsten | |
| Demonstrationen in Polen so: „Die Zivilgesellschaft schafft es immer | |
| wieder, uns zu überraschen. Hier bei uns ist diese Zivilgesellschaft unter | |
| sich.“ In Kostrzyn könne man all den Problemen für eine Weile entfliehen | |
| und eine „utopische Welt gegenseitiger Toleranz“ erleben. | |
| Owsiak, der der Chef der größten Hilfsorganisation in Polen ist, beklagt | |
| derweil, dass sein Festival das einzige im Land sei, für das der erhöhte | |
| Risikostatus gelte. „Wir sind deshalb das teuerste Festival in Polen“, | |
| sagt er. Fast schon mit etwas Galgenhumor denkt er deshalb darüber nach, | |
| Woodstock nächstes Jahr als religiöse Veranstaltung anzumelden. „Für solche | |
| Veranstaltungen gibt es in Polen nämlich keine Auflagen.“ | |
| Zumindest für dieses Jahr hat Owsiak noch eine gute Nachricht parat: | |
| „Letztes Jahr war es regnerisch“, sagte er dem Fernsehsender TVN24. „Zwei | |
| Jahre zuvor war es kalt. Dieses Jahr scheint es, als habe uns Mutter Natur | |
| ein warmes, geradezu heißes Wetter geschenkt.“ | |
| 2 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
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