Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sondierungen zwischen Union und SPD: Ringen um die Spitzensteuer
> Der Spitzensteuersatz soll erst ab 60.000 Euro greifen – und auf 45
> Prozent steigen. Geringverdiener haben davon nichts.
Bild: Peter Altmeier (CDU) radelt zur Sondierung – er verhandelt in der Arbei…
Berlin taz | Andrea Nahles ist schwer erkältet, ihre Stimme heiser, aber
ihre Botschaft will die SPD-Fraktionschefin trotzdem loswerden. „Es war
gestern sehr ärgerlich, dass es Durchstechereien gegeben hat von
Zwischenergebnissen“, krächzt sie am Dienstag vor Beginn der dritten
Sondierungsrunde in die Mikrofone. „Ich kann nur alle in der Union
auffordern, den Jamaika-Modus endgültig abzustellen.“
Tags zuvor waren erste Details aus den Sondierungen zwischen Union und SPD
nach außen gedrungen – trotz der Abmachung der Parteien, bis zum Ende der
Verhandlungen dichtzuhalten. Nicht nur ein [1][Ergebnispapier zur
Klimapolitik] gelangte an die Medien, sondern auch ein Zwischenstand der
Ergebnisgruppe Finanzen.
Wie zunächst die dpa berichtete, sind sich die Sondierer einig, dass der
Spitzensteuersatz bei Unverheirateten künftig erst für zu versteuernde
Jahreseinkommen ab 60.000 Euro gelten soll statt wie bisher ab rund 54.949
Euro. Bei Ehepaaren würde der Spitzensteuersatz ab 120.000 Euro greifen.
Das hatten beide Seiten schon im Wahlkampf gefordert. Umstritten sei
allerdings die Gegenfinanzierung: Die Sozialdemokraten wollen den
Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent erhöhen, die Union ist dagegen.
Nach Angaben aus Vermittlerkreisen wollen die Parteien die „unteren und
mittleren Einkommen“ entlasten. Mit der Verschiebung bei der
Einkommensteuer allein wird dieses Ziel aber nicht erreicht: Die unteren 50
Prozent der Haushalte zahlen nämlich kaum Einkommensteuern. Stattdessen
werden sie vor allem durch Sozialabgaben und indirekte Steuern wie die
Mehrwertsteuer oder Energiesteuern belastet.
Konkret: Momentan bringen die Einkommensteuern insgesamt 329 Milliarden
Euro im Jahr. Davon führen die ärmeren 50 Prozent der Bevölkerung 13
Milliarden ab. Umgekehrt zahlen die reichsten zehn Prozent 182 Milliarden
an Einkommensteuern. Das entspricht 55 Prozent des Gesamtaufkommens.
## Nicht nur auf die Einkommensteuer konzentrieren
Auf den ersten Blick wirkt das wie eine große Belastung für die Reichsten.
Doch faktisch werden selbst sie kaum stärker belastet als die Ärmsten, wie
das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) feststellt: „Die
Steuerbelastung ist insgesamt erstaunlich gleichmäßig.“
Denn die unteren Schichten werden überproportional von den Verbrauchsteuern
belastet, weil sie ihr gesamtes Einkommen für den Konsum ausgeben müssen –
während die reicheren Haushalte einen großen Teil ihres Einkommens sparen
können. Selbst wer von der Grundsicherung lebt, hat allein durch
Verbrauchsteuern eine Steuerbelastung von 20 Prozent.
Trotzdem konzentrieren sich SPD und Union in ihren bisher bekannt
gewordenen Plänen allein auf die Einkommensteuer. Die SPD macht sich für
diese Entlastung der hohen Einkommen stark, weil momentan „auch
Facharbeiter“ den Spitzensteuersatz zahlen würden. Doch tatsächlich ist
wenig wahrscheinlich, dass ausgerechnet Fabrikangestellte zu den
Höchstverdienern zählen. Wie die jüngste Steuerstatistik aus dem Jahr 2013
ergibt, haben damals 2,98 Millionen Bundesbürger den Spitzensteuersatz
gezahlt. Davon waren 1,26 Millionen ledig und 1,72 Millionen verheiratet.
Das sind ganze 4,5 Prozent der Bevölkerung ab 20 Jahre.
Der DIW-Steuerexperte Stefan Bach empfiehlt Union und SPD, sich nicht auf
die Einkommensteuer zu konzentrieren: „Wenn die Steuerpolitik untere und
mittlere Einkommen wirksam entlasten will, muss sie die indirekten Steuern
oder die Sozialbeiträge senken“, sagt er.
9 Jan 2018
## LINKS
[1] /Sondierungen-zwischen-Union-und-SPD/!5476205
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
Tobias Schulze
## TAGS
Spitzensteuersatz
Steuer
Mehrwertsteuer
Geringverdiener
SPD
Spitzensteuersatz
GroKo
Donald Trump
## ARTIKEL ZUM THEMA
Belastung von Geringverdienern: Wer wenig verdient, gibt viel ab
Ökonom Andreas Peichl fordert, die finanzielle Belastung von
Geringverdienern zu verringern. Der Staat fördere die Unterschiede zwischen
Arm und Reich.
Sondierungen für die Regierungsbildung: No Sleep 'til GroKo
Die letzte Sondierungsrunde zwischen Union und SPD läuft schon seit über 24
Stunden. Das Ende der Verhandlungen ist nicht in zzzzzzzzzzzzz.
Kommentar Steuerpläne der GroKo: Die Lüge vom Facharbeiter
Die Union will Millionäre entlasten, die SPD ist Opfer ihrer eigenen
Rhetorik. Ein Patt, in dem schon jetzt klar ist, wer verliert.
Beginn der Sondierungsgespräche: Ein irgendwie alternativloses Bündnis
Union und SPD testen, ob es wieder zum Regieren reicht. Angela Merkel und
Martin Schulz klingen fast schon wie Kanzlerin und Vizekanzler.
Donald Trumps Steuerreform: Weniger für Arme, mehr für Reiche
Die Reform des US-Präsidenten bringt Umverteilung von unten nach oben.
Liberale wie konservative Experten sind skeptisch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.