# taz.de -- Ringelschwanzprämie auf dem Prüfstand: Arme Schweine | |
> In Niedersachsen bekommen Landwirte eine Prämie für Schweine, deren | |
> Schwänze weder kupiert noch von Artgenossen abgekaut wurden. Hilft das? | |
Bild: Geringelt und intakt: Solche Schwänze sind in Schweine-Mastställen eine… | |
BREMEN taz | Immer mehr Schweinehalter beantragen die Ringelschwanzprämie: | |
Das hat das niedersächsische Landwirtschaftsministerium mitgeteilt. Von | |
rund 59.000 Schweinen, für die im vergangenen Jahr die Prämie gezahlt | |
wurde, ist die Zahl jetzt auf über 200.000 gestiegen. Ob die Prämie am Ende | |
der aktuellen Auszahlungsrunde jedoch ausgezahlt wird, hängt davon ab, ob | |
auch wirklich mindestens 70 Prozent des angemeldeten Bestandes unversehrt | |
sind. | |
Die Ringelschwanzprämie war vom früheren grünen Agrarminister Christian | |
Meyer eingeführt worden, um Landwirte zu motivieren, in ihren Ställen | |
bessere Haltungsbedingungen zu schaffen. Pro unversehrtem Mastschwein | |
erhalten die teilnehmenden Landwirte seither 16,50 Euro, pro Ferkel gibt es | |
fünf Euro. | |
Der Betrag soll die höheren Kosten ausgleichen, die durch den Mehraufwand | |
in der Haltung entstehen. Schweine müssen beschäftigt werden und | |
Gelegenheit zum Wühlen haben. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie sich | |
gegenseitig die Schwänze blutig beißen. | |
Aus diesem Grund werden die Schweineschwänze meist kupiert. „Eigentlich ist | |
das regelmäßige Kupieren der Ringelschwänze durch EU-Vorgaben verboten“, | |
sagt Miriam Staudte, agrarpolitische Sprecherin der Grünen im | |
niedersächsischen Landtag. „Da Bundesagrarminister Schmidt immer noch keine | |
bundesgesetzliche Vorgabe für ein Verbot gemacht hatte, blieb in | |
Niedersachsen nur die Möglichkeit, mit einer Prämie die Landwirte zu | |
animieren, auf das Kupieren zu verzichten.“ | |
Die Prämie selbst soll jetzt jedoch auf den Prüfstand: Das kündigte die | |
neue niedersächsische Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) an. „Die | |
Ministerin möchte alle Anreizsysteme, die es im Bereich Tier- und | |
Umweltschutz gibt, in regelmäßigen Abständen auf deren Zielsetzung hin | |
überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Die sogenannte Ringelschwanzprämie | |
ist eine dieser Maßnahmen“, sagte ein Sprecher des Ministeriums. | |
Derzeit werte man die bisherigen Kontrollergebnisse aus, endgültige | |
Fördersummen gebe es erst im Frühjahr. Gleichzeitig soll es Gespräche mit | |
beteiligten Tierhaltern, Veterinären und Kontrollstellen geben, „um die | |
bisherige Entwicklung und das Erreichte bei den Tierwohlprämien zusammen zu | |
tragen und zu bewerten. Diese Prüfungen gilt es abzuwarten“. | |
Der niedersächsische Bauernverband begrüßt die Überprüfung der Prämie: Au… | |
wenn die Zahlen der teilnehmenden Betriebe gestiegen sei, nähmen insgesamt | |
„nur ganz wenige Betriebe“ an dem Projekt teil, sagt Landvolk-Sprecherin | |
Gabi von der Brelie. „Die Teilnahme bedeutet einen hohen Aufwand, auch | |
personell, und ein Durchschnittsbetrieb verfügt über keine Empfehlung, wie | |
das praktisch durchzusetzen ist.“ | |
„Mit Unterstützung der Ringelschwanzprämie und dem begleitenden | |
Expertennetzwerk sind inzwischen viele Erfahrungen in Sachen Kupierverzicht | |
in Niedersachsen gemacht worden“, sagt Thorsten Staack, Geschäftsführer der | |
Interessengemeinschaft Schweinehalter in Deutschland. „Auch die Erfahrung, | |
dass ein Verzicht nicht durch das einfache Umlegen eines Schalters möglich | |
ist.“ | |
Die Maßnahme habe aber Schwächen: Neben dem bürokratischen Aufwand seien | |
etwa die „scheinbar positiven Erfolgsquoten wenig aussagekräftig“. Denn die | |
Erfassung der unversehrten Tiere erfolge nur im Durchschnitt. „Deshalb ist | |
es aus unserer Sicht sinnvoll und unerlässlich, dass nun geprüft wird, ob | |
und mit welchen Veränderungen eine Weiterführung der Förderung zielführend | |
ist“, sagt Staack. | |
Der Betrag für die Ringelschwanzprämie sei genau berechnet worden, um den | |
Mehraufwand auszugleichen, sagt Staudte. „Die Haltung muss verbessert | |
werden, um die Tiere stressfreier halten zu können. Die Höhe darf also | |
nicht nach unten korrigiert werden.“ Sie wertet die Ringelschwanzprämie als | |
Erfolg: „Es wäre fatal, wenn dieses Unterstützungsinstrument wegfallen | |
würde. Frau Otte-Kinast sollte sich zur Ringelschwanzprämie bekennen und | |
den Landwirten Planungssicherheit geben“, sagt Staudte. | |
## Gut gemeint, aber nicht gut gemacht | |
„Die Ringelschwanzprämie war für meine Begriffe gut gemeint, aber nicht gut | |
gemacht“, sagt Thomas Blaha, emeritierter Professor für Tiergesundheit an | |
der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Der Grundgedanke, den Tierhaltern | |
ihren Mehraufwand zu bezahlen, sei zwar richtig, aber die Umstellung | |
gelinge nicht von jetzt auf gleich. | |
Und die Tierhalter dürften nicht nur mit einer Prämie gelockt werden. Sie | |
müssten durch weitere Maßnahmen in die Lage versetzt werden, das neue | |
Konzept in ihrem Betrieb wirklich umsetzen zu können. „Wer nicht weiß, wie | |
es geht, der nimmt die Prämie und die Schweine beißen sich in die | |
Schwänze“, sagt Blaha. Schließlich bedeute die Quote von 70 Prozent | |
unversehrter Tiere auch, dass 30 Prozent der Tiere verletzt sein dürften | |
und die Prämie trotzdem gezahlt werde. „Das bezahlen die Tiere mit | |
ungeheuer großem Leid.“ | |
5 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
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