# taz.de -- Kommentar Lebewesen und Wurst: Arme Schweine | |
> Sauen harren in Kastenständen aus und stehen in Scheißebergen. Daran sind | |
> Bauern und Verbraucher beide Schuld, weil sie so ignorant sind. | |
Bild: Warten auf's gedeckt werden: Sauen in einem Mastbetrieb | |
Verbraucher, du bist ein dummes Schwein. Du bist daran Schuld, dass | |
Schweine auf Spaltenböden in ihrer eigenen Scheiße stehen. Dass Sauen in | |
engen Kastenständen gehalten werden, in denen sie sich nicht einmal | |
umdrehen können, den Blick auf die immer gleichen Gitter geheftet, an denen | |
sie irgendwann anfangen, nervös zu nagen. Du bist daran Schuld, dass | |
Landwirte aufgrund der engen wirtschaftlichen Kalkulation ein Ferkelsterben | |
von rund 12,5 Prozent ganz normal finden. Du könntest mehr bezahlen für | |
dein Schnitzel oder einfach nicht immer nur das Filet essen, sondern auch | |
den Rest vom Tier, aber das willst du nicht. Du bist bequem. | |
Klar, sagst du, die Bauern sind es doch, die die Schweine so halten. Die | |
könnten doch Stroh in die Ställe schaufeln, die Schweine in kleineren | |
Gruppen halten, ihnen Spielzeug in die Boxen schmeißen, damit die Schweine | |
nicht aus Langeweile die Ringelschwänze ihrer Artgenossen abkauen. Aber | |
wovon genau, denkst du, sollen die Landwirte das bezahlen? | |
Die akkurat verschweißte Packung mit den drei Koteletts, diese dicken | |
Rippenstücke, die so schön in der Pfanne zischen, die lässt du dir gerade | |
mal 2,69 Euro kosten. Und das ist nicht einmal ein Schnäppchen. Für 500 | |
Gramm Schwein musst du nie mehr bezahlen. Was glaubst du, verdient der | |
Bauer, der dieses Tier als Ferkel angekauft und es gemästet hat, bis es | |
endlich die 110 Kilo Schlachtgewicht erreicht hatte? Der den Tierarzt | |
bezahlen musste, wenn das Schwein krank wurde? | |
Vier läppische Euro Gewinn macht ein Landwirt im Schnitt mit einem ganzen | |
Schweineleben. Klar kannst du sagen, dass der Bauer sich das ja selbst | |
ausgesucht hat, Bauer zu sein. Da ist es auch sein persönliches Pech, dass | |
er mit der Schweinemast nicht reich wird. Gleichzeitig willst du, lieber | |
Verbraucher, aber, dass der Bauer besonders tierfreundlich produziert. Das | |
sagst du in Umfragen immer wieder. | |
Aber du glaubst ja nicht, wie teuer es ist, so einen alten Stall | |
tierfreundlicher zu machen – trotz staatlicher Förderprogramme. Du siehst | |
trotzdem nicht ein, dass du für Schweinenackensteak und Rippchen mehr | |
bezahlen sollst? Wie wäre es dann, wenn du einfach nicht mehr so viele | |
Schweine frisst, lieber Verbraucher? Oder gar keins mehr? | |
## Ein paar Schweine mehr oder weniger | |
Und jetzt zu dir, Bauer. Die Lüge, Schweinen ginge es in der | |
Massentierhaltung gut, kann ich nicht mehr hören. Du sagst, die Landwirte | |
hätten selbst das größte Interesse daran, dass die Tiere gesund und fit | |
seien, weil sie dann mehr Geld verdienen. Schwachsinn. Dein Betrieb ist | |
auch dann noch wirtschaftlich, wenn ein paar Schweine auf der Strecke | |
bleiben. | |
Du hast die Sauen zu solchen Fleischbergen hochgezüchtet, dass sie locker | |
15 Ferkel werfen, manchmal mehr. Die sind dann schwach und klein, aber was | |
soll’s, wenn ein oder zwei sterben? Und dann diese grausamen Kastenstände, | |
in die du die Sauen seit Jahrzehnten steckst, wenn sie Junge kriegen | |
sollen. Ist ja auch viel angenehmer, wenn das Vieh nicht weglaufen kann, | |
wenn du es besamst, die Temperatur misst und schaust, ob die Sau trächtig | |
ist. Auch wenn es fünf Wochen dauert. | |
Du könntest das Tier auch in der Gruppe lassen und für die Untersuchungen | |
einfangen. Das wäre natürlich unpraktisch für dich, sicher. Mehrarbeit ist | |
ja nie besonders angenehm. Aber was wäre es wohl für das Schwein für eine | |
Verbesserung, wenn es sich zur Abwechslung mal umdrehen könnte? | |
Du achtest auf die Wirtschaftlichkeit. Das ist logisch. Aber wann hast du | |
dir das letzte Mal vor Augen geführt, dass das rosa Ding mit dem | |
hoffentlich intakten Ringelschwanz ein fühlendes Lebewesen und nicht nur | |
ein Produktionsgut ist? Noch ist es keine Wurst! | |
Vergiss dein Gewissen nicht, lieber Bauer. Das erwartest du schließlich | |
auch vom Verbraucher, wenn der einen Euro mehr für das Kotelett zahlen | |
soll, das mal in deinem Stall gegrunzt hat. | |
Mehr über Schweinehaltung und die Beziehung der Menschen zu diesen Tieren, | |
die ihm so ähnlich sind, lesen Sie an diesem Wochenende in der Printausgabe | |
der taz.nord oder am [1][E-Kiosk]. | |
23 Feb 2018 | |
## LINKS | |
[1] /e-kiosk/!114771/ | |
## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
## TAGS | |
Landwirtschaft | |
Tierschutz | |
Schweinemast | |
Schweinefleisch | |
Landwirtschaft | |
MRSA-Keime | |
Landwirtschaft | |
Massentierhaltung | |
Schweine | |
Schweine | |
taz.leicht | |
Gesundheitspolitik | |
Tierquälerei | |
Tierschutz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Tierquälerei in der Schweinemast: Aufnahmen belasten NRW-Betriebe | |
Abgebissene Schwänze, verwesende Kadaver: Eine Tierschutzorganisation | |
prangert elende Haltungsbedingungen im Münsterland an. | |
Studie zu multiresistenten Keimen: 672.000 Erkrankte in Europa | |
In Deutschland verordnen vor allem niedergelassene Ärzte zu viele | |
Antibiotika. Rund 2.300 Menschen starben hierzulande allein 2015. | |
Bauern gegen Verbot von Ferkelkastration: Hoden ab – ohne Betäubung | |
Der Bauernverband will verhindern, dass ab Januar Ferkel nur noch unter | |
Betäubung kastriert werden dürfen. Er könnte das schaffen. | |
Schweinehaltung in Hochhaus bei Halle: Quälerei auf sechs Etagen | |
Heimliche Aufnahmen dokumentieren massive Misshandlungen von Schweinen. | |
Tierschützer erstatten Anzeige gegen den Betreiber. | |
Tierschützer über Schweineställe: „Ferkel wurden tot getreten“ | |
Günther Meyer ist Tierschutzaktivist und filmt nachts heimlich die Zustände | |
in Schweineställen. Er glaubt, dass Veterinäre die Augen verschließen. | |
Komplizierte Beziehungsgeschichte: Das Schwein auf Augenhöhe | |
Schweine sind die einzigen Tiere, die wir halten, bloß um sie zu essen. Sie | |
haben keine Namen. Dabei sind sie uns näher als andere Tiere. | |
Leichte Sprache: Wenn Medikamente nicht wirken | |
Kranke sterben oft, weil Medikamente nicht wirken. Ein Grund sind bestimmte | |
Keime. | |
Kommentar Multiresistente Keime: Ab in den Stall | |
Die lebensbedrohlichen Keime vermehren sich erschreckend schnell. Die | |
Politik muss jetzt dringend bei der Tierhaltung ansetzen. | |
Spanischer Fleischproduzent El Pozo: Wurst von gequälten Schweinen | |
Riesige Abszesse und infizierte Geschwüre: Nach Skandalbildern aus einem | |
spanischem Stall nimmt Rewe die Produkte aus dem Regal. | |
Ringelschwanzprämie auf dem Prüfstand: Arme Schweine | |
In Niedersachsen bekommen Landwirte eine Prämie für Schweine, deren | |
Schwänze weder kupiert noch von Artgenossen abgekaut wurden. Hilft das? |