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# taz.de -- Grenzkontrolle in Bayern: Schleuser, Drogen, Schutzsuchende
> Seit mehr als zwei Jahren kontrolliert die Polizei die bayerische Grenze
> und greift Zehntausende Flüchtlinge auf. Das soll so bleiben, meint die
> CSU.
Bild: Bayerische Grenzkontrolleure im Einsatz auf der Autobahn zwischen Kufstei…
Kiefersfelden taz | Mit der roten Polizeikelle wird der Reisebus aus
Italien gestoppt. Die Polizistin leitet ihn rechts weg von der Autobahn zur
20 Meter entfernten Kontrollstelle. Auf einem Schild neben dem Fahrer steht
„Monaco“ als Ziel – München. Doch erst einmal gehen zwei Grenzbeamte dur…
den Bus und kontrollieren die Pässe, während vorne auf der nassen Straße
einer mit Maschinenpistole steht. Die Papiere sind alle in Ordnung, noch 86
Kilometer sind es bis „Monaco“.
Kontrollen wie diese am oberbayerischen Grenzübergang Kiefersfelden – auf
der anderen Seite liegt das österreichische Kufstein, dann kommt Innsbruck
und die Brennerautobahn – gibt es jeden Tag tausendfach. Das
Schengenabkommen über offene EU-Grenzen gilt seit mehr als zwei Jahren
nicht mehr, es wurde wegen des Flüchtlingsandrangs ausgesetzt.
Und geht es nach der CSU, dann bleibt das so. In einem Entwurf für die
heute beginnende Klausurtagung der christsozialen Bundestagsgruppe in
Kloster Seeon heißt es, die EU-Kommission müsse belegen, dass die
Außengrenzen der Gemeinschaft sicher seien. „Ist das nicht der Fall, müssen
nationale Grenzkontrollen ohne weitere Begründung möglich sein.“ Damit und
mit jeder Menge anderen scharfen Forderungen zum Umgang mit Flüchtlingen
rüstet die Partei auf.
An der A 93 bei Kiefersfelden greift die Bundespolizei weiterhin viele
Migranten auf. Die Autobahn ist ein Hotspot, ebenso wie die von Salzburg
kommende A 8 bei Bad Reichenhall, wo im Herbst 2015 das Ende der
Balkanroute lag. Doch es werden deutlich weniger. Im Jahr 2016 registrierte
die Bundespolizei knapp 70.000 „unerlaubte Einreisen“ nach Bayern, in den
ersten elf Monaten 2017 waren es 16.000. „Klar, jeder Fall ist ein
Einzelschicksal“, sagt Rainer Scharf, Pressesprecher der zuständigen
Bundespolizei Rosenheim. Doch die Aufgabe ist eindeutig: „Wir sorgen für
Sicherheit und verhindern Schleusungen sowie die illegale Einreise.“
Man darf sich die Grenzkontrollen nicht so vorstellen, dass jeder seinen
Pass zeigt und eine Schranke nach oben geht. „Da hätten wir Dauerstau bis
nach Italien“, meint Scharf. Auch jetzt verärgern Wartezeiten von bis zu
einer Stunde viele Autofahrer. Die allermeisten Pkw und Lkw werden in
Kiefersfelden und anderswo schnell und anstandslos durchgewinkt. An den
vielen kleinen Grenzübergängen gibt es nur ab und zu mobile Kontrollen.
## Selektive Kontrollen
In Kiefersfelden wird an den zwei Spuren von den Polizisten eine
„Vorauswahl“ getroffen, so der Sprecher. „Der Klassiker eines
Schleuserfahrzeugs“ sei ein altes geräumiges Auto mit italienischem oder
osteuropäischem Nummernschild. Und mit vielen dunkelhäutigen Menschen
darin. Die werden überprüft, das weiße deutsche Ehepaar im SUV hingegen
fährt ungehindert durch.
An diesem Tag greift die Polizei einen syrischen Asylbewerber aus
Österreich auf. Der will durch Deutschland nach Wien fahren – der
schnellste Weg –, hat aber nach eigener Aussage seine Papiere vergessen.
Die Polizisten leiten das Auto zurück nach Kufstein. Ein Ehepaar aus
Regensburg hat keinen Kindersitz für das Baby, es ist auf dem Schoß der
Mutter platziert. Das gibt 60 Euro Bußgeld. Und das Paar darf nicht
weiterfahren, muss erst irgendwo einen Kindersitz auftreiben. Kurz zuvor
wurde ein irakischstämmiger Mann entdeckt mit einem echten französischen
Pass, der aber nicht der seine ist.
Sechzig Prozent der Flüchtlinge beantragen an der Grenze Schutz und Asyl.
Sie werden nach Rosenheim zur Registrierung gebracht und durchlaufen dann
ein normales Asylverfahren. Die anderen 40 Prozent verzichten darauf.
„Einer hat auch mal gesagt, dass er gekommen ist, um in Deutschland Fußball
zu spielen“, erinnert sich Rainer Scharf.
Auf ziemlich alles Erdenkliche stößt die Polizei: An der Spitze rangieren
Drogen, fündig wird sie auch bei illegalen Waffen, gesuchten Straftätern
oder Leuten am Steuer, die keinen Führerschein besitzen. Das alte Jahr
endete in Kiefersfelden mit einer versuchten Schleusung an Silvester – im
Auto eines Pakistaners wurden vier Landsleute ohne Papiere aufgegriffen.
Der mutmaßliche Schleuser erhielt eine Anzeige, die vier anderen wurden
nach Österreich zurückgebracht. An Neujahr griff die Polizei in einem Bus
zwei Frauen aus Eritrea auf samt Begleiter.
Lebensgefährlich ist der Versuch, per Güterzug nach Bayern zu kommen: Die
Flüchtlinge kauern zwischen den Waggons direkt über den Schienen, schlitzen
die Dächer auf und klettern hinein oder sitzen oben. 890 solcher Fälle
wurden 2017 registriert. Im Juni vergangenen Jahres fiel ein
Schwarzafrikaner in Tattenhausen bei Rosenheim vom Zug und wurde überrollt.
„18 bis 22 Jahre alt“, berichtete die Polizei. So endete sein Leben. „Die
Identität des Toten ist ungeklärt.“
4 Jan 2018
## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Bayern
Grenzkontrollen
Österreich
Schleuser
Schwarz-rote Koalition
Dänemark
Schwerpunkt Rassismus
Flüchtlinge
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